Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.diesem Kreise nicht vertreten, sogar die Sonntagskirchengängerei nicht, die aus einem mit sich selbst (freilich auch mit Andern) kokettirenden sogenannten Gemüthe herstammte, gerade wie bei den Katholiken. Es ist das "Gemüth" der Gewohnheit und des Wohlgefallens, das man über seinen eignen Werth empfindet. Man brachte mancherlei Erklärungen einer Erscheinung, die man nicht in Abrede stellte. Das Unbehagen an den gegebenen Zuständen, der Mangel an sichtlicher Freude über das Errungene wurde zugestanden. Einige Erklärungen streiften das politische Gebiet. Dies wollte man nach einigen wenigen Paragraphen, welche die Statuten des nur lose geknüpften Bandes enthielten, "thunlichst" vermeiden. Das "thunlichst" war durch Luzius hineingekommen, der heute fehlte. Dieser hatte beim Entwerfen der Statuten gesagt: Ich bitte Sie, meine Herren, wie wollen Sie heutzutage auch nur zu zweit beisammensitzen und nicht in die Politik gerathen? Mir ist sie schon lange ein Haar im Essen; aber auf den Lebenstisch gehört sie für Jedermann selbstverständlich! Daß eine Menge öffentlicher Beweise von Untreue, Verrath, Ueberläuferei, Gewalt, ohne die Züchtigung der öffentlichen Meinung durchgegangen ist, begann Wolny mit einer eigenthümlich markigen, aber sich wenig erhebenden diesem Kreise nicht vertreten, sogar die Sonntagskirchengängerei nicht, die aus einem mit sich selbst (freilich auch mit Andern) kokettirenden sogenannten Gemüthe herstammte, gerade wie bei den Katholiken. Es ist das „Gemüth“ der Gewohnheit und des Wohlgefallens, das man über seinen eignen Werth empfindet. Man brachte mancherlei Erklärungen einer Erscheinung, die man nicht in Abrede stellte. Das Unbehagen an den gegebenen Zuständen, der Mangel an sichtlicher Freude über das Errungene wurde zugestanden. Einige Erklärungen streiften das politische Gebiet. Dies wollte man nach einigen wenigen Paragraphen, welche die Statuten des nur lose geknüpften Bandes enthielten, „thunlichst“ vermeiden. Das „thunlichst“ war durch Luzius hineingekommen, der heute fehlte. Dieser hatte beim Entwerfen der Statuten gesagt: Ich bitte Sie, meine Herren, wie wollen Sie heutzutage auch nur zu zweit beisammensitzen und nicht in die Politik gerathen? Mir ist sie schon lange ein Haar im Essen; aber auf den Lebenstisch gehört sie für Jedermann selbstverständlich! Daß eine Menge öffentlicher Beweise von Untreue, Verrath, Ueberläuferei, Gewalt, ohne die Züchtigung der öffentlichen Meinung durchgegangen ist, begann Wolny mit einer eigenthümlich markigen, aber sich wenig erhebenden <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0132" n="126"/> diesem Kreise nicht vertreten, sogar die Sonntagskirchengängerei nicht, die aus einem mit sich selbst (freilich auch mit Andern) kokettirenden sogenannten Gemüthe herstammte, gerade wie bei den Katholiken. Es ist das „Gemüth“ der Gewohnheit und des Wohlgefallens, das man über seinen eignen Werth empfindet. </p> <p>Man brachte mancherlei Erklärungen einer Erscheinung, die man nicht in Abrede stellte. Das Unbehagen an den gegebenen Zuständen, der Mangel an sichtlicher Freude über das Errungene wurde zugestanden. Einige Erklärungen streiften das politische Gebiet. Dies wollte man nach einigen wenigen Paragraphen, welche die Statuten des nur lose geknüpften Bandes enthielten, „thunlichst“ vermeiden. Das „thunlichst“ war durch Luzius hineingekommen, der heute fehlte. Dieser hatte beim Entwerfen der Statuten gesagt: Ich bitte Sie, meine Herren, wie wollen Sie heutzutage auch nur zu zweit beisammensitzen und nicht in die Politik gerathen? Mir ist sie schon lange ein Haar im Essen; aber auf den Lebenstisch gehört sie für Jedermann selbstverständlich! </p> <p>Daß eine Menge öffentlicher Beweise von Untreue, Verrath, Ueberläuferei, Gewalt, ohne die Züchtigung der öffentlichen Meinung durchgegangen ist, begann Wolny mit einer eigenthümlich markigen, aber sich wenig erhebenden </p> </div> </body> </text> </TEI> [126/0132]
diesem Kreise nicht vertreten, sogar die Sonntagskirchengängerei nicht, die aus einem mit sich selbst (freilich auch mit Andern) kokettirenden sogenannten Gemüthe herstammte, gerade wie bei den Katholiken. Es ist das „Gemüth“ der Gewohnheit und des Wohlgefallens, das man über seinen eignen Werth empfindet.
Man brachte mancherlei Erklärungen einer Erscheinung, die man nicht in Abrede stellte. Das Unbehagen an den gegebenen Zuständen, der Mangel an sichtlicher Freude über das Errungene wurde zugestanden. Einige Erklärungen streiften das politische Gebiet. Dies wollte man nach einigen wenigen Paragraphen, welche die Statuten des nur lose geknüpften Bandes enthielten, „thunlichst“ vermeiden. Das „thunlichst“ war durch Luzius hineingekommen, der heute fehlte. Dieser hatte beim Entwerfen der Statuten gesagt: Ich bitte Sie, meine Herren, wie wollen Sie heutzutage auch nur zu zweit beisammensitzen und nicht in die Politik gerathen? Mir ist sie schon lange ein Haar im Essen; aber auf den Lebenstisch gehört sie für Jedermann selbstverständlich!
Daß eine Menge öffentlicher Beweise von Untreue, Verrath, Ueberläuferei, Gewalt, ohne die Züchtigung der öffentlichen Meinung durchgegangen ist, begann Wolny mit einer eigenthümlich markigen, aber sich wenig erhebenden
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