Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.jetzt eine Krankheit, die von der unseligen Einrichtung unsrer Trottoirs herrührt! Wer diese Mode, vor den Häusern einen einzigen schmalen Streifen von vier Fuß Breite zur Passage zu bestimmen, eingeführt hat, zuletzt sogar polizeilich befahl, daß diese Steine gelegt werden mußten, verdiente als einer der größten Uebelthäter - sagen wir der Kürze wegen, da er ja doch begnadigt wird - gehängt zu werden! Sie scherzen! rief man allgemein und sah auf einen jungen Mann, einen Händler mit Holz und solchen Steinen, wie sie genannt wurden, einen Herrn Canzianus. In die Zweifel, in die Spannung, die zu mannigfaltigem Ausdruck kamen, hinein rief plötzlich eine aus vollster Brust ertönende sonore Baßstimme die nicht im mindesten ironisch, sondern ernst klingenden Worte: Ich selbst hänge den Kerl! Leider ist er längst todt! Alles blickte auf den Sprecher. Es war ein vielgenannter Bildhauer. Seine stattliche Gestalt war überall bekannt. Jetzt konnte man diese kaum erkennen, da er wie gewöhnlich im "Montag" zusammengekauert saß, den Kopf auf sein Weinglas gerichtet. Lang fluthete vom Haupte sein Haar. Es war schon silbergrau, wie vom Marmorstaub seines Ateliers bedeckt. Sein braunes Auge funkelte unter noch schwarzen Brauen. Die große jetzt eine Krankheit, die von der unseligen Einrichtung unsrer Trottoirs herrührt! Wer diese Mode, vor den Häusern einen einzigen schmalen Streifen von vier Fuß Breite zur Passage zu bestimmen, eingeführt hat, zuletzt sogar polizeilich befahl, daß diese Steine gelegt werden mußten, verdiente als einer der größten Uebelthäter – sagen wir der Kürze wegen, da er ja doch begnadigt wird – gehängt zu werden! Sie scherzen! rief man allgemein und sah auf einen jungen Mann, einen Händler mit Holz und solchen Steinen, wie sie genannt wurden, einen Herrn Canzianus. In die Zweifel, in die Spannung, die zu mannigfaltigem Ausdruck kamen, hinein rief plötzlich eine aus vollster Brust ertönende sonore Baßstimme die nicht im mindesten ironisch, sondern ernst klingenden Worte: Ich selbst hänge den Kerl! Leider ist er längst todt! Alles blickte auf den Sprecher. Es war ein vielgenannter Bildhauer. Seine stattliche Gestalt war überall bekannt. Jetzt konnte man diese kaum erkennen, da er wie gewöhnlich im „Montag“ zusammengekauert saß, den Kopf auf sein Weinglas gerichtet. Lang fluthete vom Haupte sein Haar. Es war schon silbergrau, wie vom Marmorstaub seines Ateliers bedeckt. Sein braunes Auge funkelte unter noch schwarzen Brauen. Die große <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0013" n="7"/> jetzt eine Krankheit, die von der unseligen Einrichtung unsrer Trottoirs herrührt! Wer diese Mode, vor den Häusern einen einzigen schmalen Streifen von vier Fuß Breite zur Passage zu bestimmen, eingeführt hat, zuletzt sogar polizeilich befahl, daß diese Steine gelegt werden mußten, verdiente als einer der größten Uebelthäter – sagen wir der Kürze wegen, da er ja doch begnadigt wird – gehängt zu werden! </p> <p>Sie scherzen! rief man allgemein und sah auf einen jungen Mann, einen Händler mit Holz und solchen Steinen, wie sie genannt wurden, einen Herrn Canzianus. </p> <p>In die Zweifel, in die Spannung, die zu mannigfaltigem Ausdruck kamen, hinein rief plötzlich eine aus vollster Brust ertönende sonore Baßstimme die nicht im mindesten ironisch, sondern ernst klingenden Worte: Ich selbst hänge den Kerl! Leider ist er längst todt! </p> <p>Alles blickte auf den Sprecher. Es war ein vielgenannter Bildhauer. Seine stattliche Gestalt war überall bekannt. Jetzt konnte man diese kaum erkennen, da er wie gewöhnlich im „Montag“ zusammengekauert saß, den Kopf auf sein Weinglas gerichtet. Lang fluthete vom Haupte sein Haar. Es war schon silbergrau, wie vom Marmorstaub seines Ateliers bedeckt. Sein braunes Auge funkelte unter noch schwarzen Brauen. Die große </p> </div> </body> </text> </TEI> [7/0013]
jetzt eine Krankheit, die von der unseligen Einrichtung unsrer Trottoirs herrührt! Wer diese Mode, vor den Häusern einen einzigen schmalen Streifen von vier Fuß Breite zur Passage zu bestimmen, eingeführt hat, zuletzt sogar polizeilich befahl, daß diese Steine gelegt werden mußten, verdiente als einer der größten Uebelthäter – sagen wir der Kürze wegen, da er ja doch begnadigt wird – gehängt zu werden!
Sie scherzen! rief man allgemein und sah auf einen jungen Mann, einen Händler mit Holz und solchen Steinen, wie sie genannt wurden, einen Herrn Canzianus.
In die Zweifel, in die Spannung, die zu mannigfaltigem Ausdruck kamen, hinein rief plötzlich eine aus vollster Brust ertönende sonore Baßstimme die nicht im mindesten ironisch, sondern ernst klingenden Worte: Ich selbst hänge den Kerl! Leider ist er längst todt!
Alles blickte auf den Sprecher. Es war ein vielgenannter Bildhauer. Seine stattliche Gestalt war überall bekannt. Jetzt konnte man diese kaum erkennen, da er wie gewöhnlich im „Montag“ zusammengekauert saß, den Kopf auf sein Weinglas gerichtet. Lang fluthete vom Haupte sein Haar. Es war schon silbergrau, wie vom Marmorstaub seines Ateliers bedeckt. Sein braunes Auge funkelte unter noch schwarzen Brauen. Die große
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/13>, abgerufen am 16.07.2024. |