Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.zu sein! Welch ein Schmerz doch im Frauengemüth, dachte er, als er sich endlich beruhigt hatte, sich sein Lebensloos nur so vom Zufall bestimmen zu lassen! Der dunkle Hintergrund der Tannen, die schimmernden Birken wurden ihm dann allmälig schöner, als alle Palmen und Sykomoren der tropischen Welt. Die Marmorblöcke belebten sich. Die Welt der Bildung, abdämpfend und abmildernd alles Wildnatürliche, trat wieder in edlen Umrissen hervor. Und sich ganz vergessend, ganz der Trauer, der Comitesitzung, der Gräfin Wittwe uneingedenk, schlug er das Piano auf und wollte eben die Tasten mächtig berühren, als er die Worte hörte: Na, das ist schön! Sie machen Musik? die Trauer ist vorüber? Gott sei Dank! Da freue ich mich ja wie ein Hund! Ada! rief er vorwurfsvoll. Diese Vergleichung ließ ihn sofort aufspringen. Leise war Ada eingetreten. Die Sitzung war vorüber. Sie war in reizender Toilette. Nur mittel von Gestalt, hob sie ein langer schwarzer Spitzenschleier, der ihr vom Kopf über den entblößten Nacken wallte. Dazu ihr schwarzes Haar, ihr brauner Teint, ihre sprühenden Augen; sie stand wie eine Spanierin, die zu Hofe geht. Sie war schon zu jener großen Gesellschaft gekleidet, in die sie noch mit der Mutter fahren wollte. Im Haar schimmerte eine einfache zu sein! Welch ein Schmerz doch im Frauengemüth, dachte er, als er sich endlich beruhigt hatte, sich sein Lebensloos nur so vom Zufall bestimmen zu lassen! Der dunkle Hintergrund der Tannen, die schimmernden Birken wurden ihm dann allmälig schöner, als alle Palmen und Sykomoren der tropischen Welt. Die Marmorblöcke belebten sich. Die Welt der Bildung, abdämpfend und abmildernd alles Wildnatürliche, trat wieder in edlen Umrissen hervor. Und sich ganz vergessend, ganz der Trauer, der Comitésitzung, der Gräfin Wittwe uneingedenk, schlug er das Piano auf und wollte eben die Tasten mächtig berühren, als er die Worte hörte: Na, das ist schön! Sie machen Musik? die Trauer ist vorüber? Gott sei Dank! Da freue ich mich ja wie ein Hund! Ada! rief er vorwurfsvoll. Diese Vergleichung ließ ihn sofort aufspringen. Leise war Ada eingetreten. Die Sitzung war vorüber. Sie war in reizender Toilette. Nur mittel von Gestalt, hob sie ein langer schwarzer Spitzenschleier, der ihr vom Kopf über den entblößten Nacken wallte. Dazu ihr schwarzes Haar, ihr brauner Teint, ihre sprühenden Augen; sie stand wie eine Spanierin, die zu Hofe geht. Sie war schon zu jener großen Gesellschaft gekleidet, in die sie noch mit der Mutter fahren wollte. Im Haar schimmerte eine einfache <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0118" n="112"/> zu sein! Welch ein Schmerz doch im Frauengemüth, dachte er, als er sich endlich beruhigt hatte, sich sein Lebensloos nur so vom Zufall bestimmen zu lassen! Der dunkle Hintergrund der Tannen, die schimmernden Birken wurden ihm dann allmälig schöner, als alle Palmen und Sykomoren der tropischen Welt. Die Marmorblöcke belebten sich. Die Welt der Bildung, abdämpfend und abmildernd alles Wildnatürliche, trat wieder in edlen Umrissen hervor. </p> <p>Und sich ganz vergessend, ganz der Trauer, der Comitésitzung, der Gräfin Wittwe uneingedenk, schlug er das Piano auf und wollte eben die Tasten mächtig berühren, als er die Worte hörte: Na, das ist schön! Sie machen Musik? die Trauer ist vorüber? Gott sei Dank! Da freue ich mich ja wie ein Hund! </p> <p>Ada! rief er vorwurfsvoll. Diese Vergleichung ließ ihn sofort aufspringen. Leise war Ada eingetreten. Die Sitzung war vorüber. Sie war in reizender Toilette. Nur mittel von Gestalt, hob sie ein langer schwarzer Spitzenschleier, der ihr vom Kopf über den entblößten Nacken wallte. Dazu ihr schwarzes Haar, ihr brauner Teint, ihre sprühenden Augen; sie stand wie eine Spanierin, die zu Hofe geht. Sie war schon zu jener großen Gesellschaft gekleidet, in die sie noch mit der Mutter fahren wollte. Im Haar schimmerte eine einfache </p> </div> </body> </text> </TEI> [112/0118]
zu sein! Welch ein Schmerz doch im Frauengemüth, dachte er, als er sich endlich beruhigt hatte, sich sein Lebensloos nur so vom Zufall bestimmen zu lassen! Der dunkle Hintergrund der Tannen, die schimmernden Birken wurden ihm dann allmälig schöner, als alle Palmen und Sykomoren der tropischen Welt. Die Marmorblöcke belebten sich. Die Welt der Bildung, abdämpfend und abmildernd alles Wildnatürliche, trat wieder in edlen Umrissen hervor.
Und sich ganz vergessend, ganz der Trauer, der Comitésitzung, der Gräfin Wittwe uneingedenk, schlug er das Piano auf und wollte eben die Tasten mächtig berühren, als er die Worte hörte: Na, das ist schön! Sie machen Musik? die Trauer ist vorüber? Gott sei Dank! Da freue ich mich ja wie ein Hund!
Ada! rief er vorwurfsvoll. Diese Vergleichung ließ ihn sofort aufspringen. Leise war Ada eingetreten. Die Sitzung war vorüber. Sie war in reizender Toilette. Nur mittel von Gestalt, hob sie ein langer schwarzer Spitzenschleier, der ihr vom Kopf über den entblößten Nacken wallte. Dazu ihr schwarzes Haar, ihr brauner Teint, ihre sprühenden Augen; sie stand wie eine Spanierin, die zu Hofe geht. Sie war schon zu jener großen Gesellschaft gekleidet, in die sie noch mit der Mutter fahren wollte. Im Haar schimmerte eine einfache
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/118>, abgerufen am 17.02.2025. |