Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.war die Einfahrt versperrt. Wagen reihte sich an Wagen. Man hätte glauben sollen, ein Ball würde im Hause gegeben. Es schlug sieben Uhr. Oben war die Begrüßung der noch vollkommen schwarz gekleideten Matrone im Gange. Alle Gasflammen brannten. Die Diener nahmen Shawls und Hüte ab. Verwandte waren dem Beispiel der Herrin des Hauses gefolgt und erschienen in Trauerkleidern, einen schwarzen Flor um ihr Antlitz, schwarze Floretthandschuhe an den Fingern. So die Generalin von Forbeck, eine lange, strengblickende Dame, die sofort, als Graf Udo den neuen Secretär vorgestellt hatte und dieser erst für die Wünsche seiner Principalin sprach, ihn mit der Lorgnette musternd die Statuten geltend machte, denen zufolge der Vorschlag eines neuen Mitgliedes drei Wochen vor der Wahl stattfinden müsse, und daß diese nie durch Acclamation, sondern immer durch geheime Ballotage stattfinden müßte. Das ist eine Bedingung, rief Ottomar, sich mit Gewandtheit in diese plötzliche Begegnung mit siebzehn bis zwanzig ältern Damen von Stande findend, die meiner Clientin auf drei Wochen die Ruhe ihres Lebens rauben wird! Sie hat zwei Töchter! Da ist der Kopf einer Mutter vollends nur mit Toilettengedanken beschäftigt. Aber sie wird an Nichts denken, als daß sie durchfällt - die unglückliche arme Frau! war die Einfahrt versperrt. Wagen reihte sich an Wagen. Man hätte glauben sollen, ein Ball würde im Hause gegeben. Es schlug sieben Uhr. Oben war die Begrüßung der noch vollkommen schwarz gekleideten Matrone im Gange. Alle Gasflammen brannten. Die Diener nahmen Shawls und Hüte ab. Verwandte waren dem Beispiel der Herrin des Hauses gefolgt und erschienen in Trauerkleidern, einen schwarzen Flor um ihr Antlitz, schwarze Floretthandschuhe an den Fingern. So die Generalin von Forbeck, eine lange, strengblickende Dame, die sofort, als Graf Udo den neuen Secretär vorgestellt hatte und dieser erst für die Wünsche seiner Principalin sprach, ihn mit der Lorgnette musternd die Statuten geltend machte, denen zufolge der Vorschlag eines neuen Mitgliedes drei Wochen vor der Wahl stattfinden müsse, und daß diese nie durch Acclamation, sondern immer durch geheime Ballotage stattfinden müßte. Das ist eine Bedingung, rief Ottomar, sich mit Gewandtheit in diese plötzliche Begegnung mit siebzehn bis zwanzig ältern Damen von Stande findend, die meiner Clientin auf drei Wochen die Ruhe ihres Lebens rauben wird! Sie hat zwei Töchter! Da ist der Kopf einer Mutter vollends nur mit Toilettengedanken beschäftigt. Aber sie wird an Nichts denken, als daß sie durchfällt – die unglückliche arme Frau! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0107" n="101"/> war die Einfahrt versperrt. Wagen reihte sich an Wagen. Man hätte glauben sollen, ein Ball würde im Hause gegeben. Es schlug sieben Uhr. Oben war die Begrüßung der noch vollkommen schwarz gekleideten Matrone im Gange. Alle Gasflammen brannten. Die Diener nahmen Shawls und Hüte ab. Verwandte waren dem Beispiel der Herrin des Hauses gefolgt und erschienen in Trauerkleidern, einen schwarzen Flor um ihr Antlitz, schwarze Floretthandschuhe an den Fingern. So die Generalin von Forbeck, eine lange, strengblickende Dame, die sofort, als Graf Udo den neuen Secretär vorgestellt hatte und dieser erst für die Wünsche seiner Principalin sprach, ihn mit der Lorgnette musternd die Statuten geltend machte, denen zufolge der Vorschlag eines neuen Mitgliedes drei Wochen vor der Wahl stattfinden müsse, und <ref xml:id="TEXTdassdieseBISmuesste" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLdassdieseBISmuesste">daß diese nie durch Acclamation, sondern immer durch geheime Ballotage stattfinden müßte</ref>. </p> <p>Das ist eine Bedingung, rief Ottomar, sich mit Gewandtheit in diese plötzliche Begegnung mit siebzehn bis zwanzig ältern Damen von Stande findend, die meiner Clientin auf drei Wochen die Ruhe ihres Lebens rauben wird! Sie hat zwei Töchter! Da ist der Kopf einer Mutter vollends nur mit Toilettengedanken beschäftigt. Aber sie wird an Nichts denken, als daß sie durchfällt – die unglückliche arme Frau! </p> <p> </p> </div> </body> </text> </TEI> [101/0107]
war die Einfahrt versperrt. Wagen reihte sich an Wagen. Man hätte glauben sollen, ein Ball würde im Hause gegeben. Es schlug sieben Uhr. Oben war die Begrüßung der noch vollkommen schwarz gekleideten Matrone im Gange. Alle Gasflammen brannten. Die Diener nahmen Shawls und Hüte ab. Verwandte waren dem Beispiel der Herrin des Hauses gefolgt und erschienen in Trauerkleidern, einen schwarzen Flor um ihr Antlitz, schwarze Floretthandschuhe an den Fingern. So die Generalin von Forbeck, eine lange, strengblickende Dame, die sofort, als Graf Udo den neuen Secretär vorgestellt hatte und dieser erst für die Wünsche seiner Principalin sprach, ihn mit der Lorgnette musternd die Statuten geltend machte, denen zufolge der Vorschlag eines neuen Mitgliedes drei Wochen vor der Wahl stattfinden müsse, und daß diese nie durch Acclamation, sondern immer durch geheime Ballotage stattfinden müßte.
Das ist eine Bedingung, rief Ottomar, sich mit Gewandtheit in diese plötzliche Begegnung mit siebzehn bis zwanzig ältern Damen von Stande findend, die meiner Clientin auf drei Wochen die Ruhe ihres Lebens rauben wird! Sie hat zwei Töchter! Da ist der Kopf einer Mutter vollends nur mit Toilettengedanken beschäftigt. Aber sie wird an Nichts denken, als daß sie durchfällt – die unglückliche arme Frau!
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/107 |
Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/107>, abgerufen am 16.07.2024. |