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Proben neuer Dramen. II: Patkul. Politisches Trauerspiel in 5 Aufzügen von Karl Gutzkow. In: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, I. Semester, S. 97-106.

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in Liefland blieben sie. Bin von ihnen zum Tod verurtheilt, weil ich für Recht
und Gerechtigkeit sprach; entfloh, die Schweiz wurde mein Asyl, las in den Bü-
chern, in den Sternen, trieb's, so, in der Stille fort -- da läßt sich Euer Churfürst
in Krakau als polnischer König krönen und verspricht/ ein zweiter Sesostris, ein
Augustus, wenigstens ein Louis Quatorze zu werden -- -- (seufzt) -- -- Nun
bin ich einmal da; ich hoffte für mein Vaterland -- -- -- (steht mit einem männ-
lichen Entschluß auf)
und hoffe noch!
Einsiedel. Polen, Rußland, Sachsen sind geschlagen, Patkul.
Patkul. (auf und abgehend). Was Sachsen! Ich ließ diesen schwachen Staat
und ging zu Peter, dem Czaaren. Rußlands Hülfsmittel sind unerschöpflich:
Rußland hat das Gold und das Eis. Nicht das Schwert der Schweden hat uns
besiegt. Die gelbe Furie der Intrigue schlich in unsere Reihen, der Sachse ge-
horchte nicht dem Russen, der Russe nicht dem Polen. Die Kriegsgelder sind ver-
schleudert worden. Welcher Bundesgenosse konnte zu Sachsen Vertrauen fassen, einem
Staat, dessen Credit untergraben, dessen Schatz leer, dessen Justiz und Staatsmänner
käuflich sind?
Einsiedel. Wer beweist es?
Patkul. Marmorne Palläste und Hütten von Stroh! -- Eine goldene Leib-
wache und kein Heer! -- Prachtgärten mit den Pflanzen beider Indien und brach-
liegende Aecker! -- Mitleid für Thränen au[f] der Bühne! Keins für den Landmann
in seinen gepfändeten Hütten! -- Statuen der Griechen, die Gemälde Italiens,
erkauft durch die allgemeine Armut des Landes.
Einsiedel. Patkul! -- Auf meiner Zunge, -- auf meinem Herzen brennt
ein Auftrag -- ein Geheimniß -- der König ...
Patkul. Der König?
Einsiedel. O dürfte die Last mir bleiben und mich hinunterziehen!
Patkul. Was hast Du?
Einsiedel (sich sammelnd). Der König kennt unsre Freundschaft . . er ließ
mich zu einer Audienz fordern, wo er mir auftrug . . Dir . . im Geheim --
zu sagen, daß er von Dir ein . . Gemälde seiner gegenwärtigen Lage --
Patkul (freudig). Das, das hab' ich gehofft, das hab' ich vom Schicksal mir
erbeten!
Einsiedel (zieht einen Brief hervor). Hier, sein Brief an Dich!
Patkul (nimmt ihn). Polens Königskrone noch als Siegel! Höret die
Wahrheit, Fürsten, und ihr werdet nie eine Krone verlieren! (erbricht): "Mein
lieber Herr von Patkul, Sie kennen das große Vertrauen, welches ich stets in Ihren
Geist und Ihre Aufrichtigkeit setzte. Ich frage Sie jetzt auf Ihr Gewissen, muß
ich jede Hoffnung aufgeben? Welche Politik rathen Sie an, selbst wenn ich jetzt
Frieden schlösse, um in späterer Zeit meine gerechten Ansprüche auf Polen zu erneuern?
(Mit steigendem Affekt.) Entwerfen Sie mir ein Gemälde meines Landes! Von Schmeich-
lern umgeben dringt kein Lichtstrahl der Dinge, wie sie sind, in mein Auge;
und doch ist es mein heiliger Ernst, die saumseligen Vollstrecker meines Willens, die
Dränger meines Landes kennen zu lernen. Ich erwarte in den bekannten Chiffern,
deren Schlüssel Sie besitzen, von Ihnen ein Memoire über Sachsen, Polen und
Alles, was auf meine verlorne Königskrone und den Churhut sich bezieht. Ich muß
in Liefland blieben sie. Bin von ihnen zum Tod verurtheilt, weil ich für Recht
und Gerechtigkeit sprach; entfloh, die Schweiz wurde mein Asyl, las in den Bü-
chern, in den Sternen, trieb's, so, in der Stille fort — da läßt sich Euer Churfürst
in Krakau als polnischer König krönen und verspricht/ ein zweiter Sesostris, ein
Augustus, wenigstens ein Louis Quatorze zu werden — — (seufzt) — — Nun
bin ich einmal da; ich hoffte für mein Vaterland — — — (steht mit einem männ-
lichen Entschluß auf)
und hoffe noch!
Einsiedel. Polen, Rußland, Sachsen sind geschlagen, Patkul.
Patkul. (auf und abgehend). Was Sachsen! Ich ließ diesen schwachen Staat
und ging zu Peter, dem Czaaren. Rußlands Hülfsmittel sind unerschöpflich:
Rußland hat das Gold und das Eis. Nicht das Schwert der Schweden hat uns
besiegt. Die gelbe Furie der Intrigue schlich in unsere Reihen, der Sachse ge-
horchte nicht dem Russen, der Russe nicht dem Polen. Die Kriegsgelder sind ver-
schleudert worden. Welcher Bundesgenosse konnte zu Sachsen Vertrauen fassen, einem
Staat, dessen Credit untergraben, dessen Schatz leer, dessen Justiz und Staatsmänner
käuflich sind?
Einsiedel. Wer beweist es?
Patkul. Marmorne Palläste und Hütten von Stroh! — Eine goldene Leib-
wache und kein Heer! — Prachtgärten mit den Pflanzen beider Indien und brach-
liegende Aecker! — Mitleid für Thränen au[f] der Bühne! Keins für den Landmann
in seinen gepfändeten Hütten! — Statuen der Griechen, die Gemälde Italiens,
erkauft durch die allgemeine Armut des Landes.
Einsiedel. Patkul! — Auf meiner Zunge, — auf meinem Herzen brennt
ein Auftrag — ein Geheimniß — der König ...
Patkul. Der König?
Einsiedel. O dürfte die Last mir bleiben und mich hinunterziehen!
Patkul. Was hast Du?
Einsiedel (sich sammelnd). Der König kennt unsre Freundschaft . . er ließ
mich zu einer Audienz fordern, wo er mir auftrug . . Dir . . im Geheim —
zu sagen, daß er von Dir ein . . Gemälde seiner gegenwärtigen Lage —
Patkul (freudig). Das, das hab' ich gehofft, das hab' ich vom Schicksal mir
erbeten!
Einsiedel (zieht einen Brief hervor). Hier, sein Brief an Dich!
Patkul (nimmt ihn). Polens Königskrone noch als Siegel! Höret die
Wahrheit, Fürsten, und ihr werdet nie eine Krone verlieren! (erbricht): „Mein
lieber Herr von Patkul, Sie kennen das große Vertrauen, welches ich stets in Ihren
Geist und Ihre Aufrichtigkeit setzte. Ich frage Sie jetzt auf Ihr Gewissen, muß
ich jede Hoffnung aufgeben? Welche Politik rathen Sie an, selbst wenn ich jetzt
Frieden schlösse, um in späterer Zeit meine gerechten Ansprüche auf Polen zu erneuern?
(Mit steigendem Affekt.) Entwerfen Sie mir ein Gemälde meines Landes! Von Schmeich-
lern umgeben dringt kein Lichtstrahl der Dinge, wie sie sind, in mein Auge;
und doch ist es mein heiliger Ernst, die saumseligen Vollstrecker meines Willens, die
Dränger meines Landes kennen zu lernen. Ich erwarte in den bekannten Chiffern,
deren Schlüssel Sie besitzen, von Ihnen ein Memoire über Sachsen, Polen und
Alles, was auf meine verlorne Königskrone und den Churhut sich bezieht. Ich muß
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[100/0004] in Liefland blieben sie. Bin von ihnen zum Tod verurtheilt, weil ich für Recht und Gerechtigkeit sprach; entfloh, die Schweiz wurde mein Asyl, las in den Bü- chern, in den Sternen, trieb's, so, in der Stille fort — da läßt sich Euer Churfürst in Krakau als polnischer König krönen und verspricht/ ein zweiter Sesostris, ein Augustus, wenigstens ein Louis Quatorze zu werden — — (seufzt) — — Nun bin ich einmal da; ich hoffte für mein Vaterland — — — (steht mit einem männ- lichen Entschluß auf) und hoffe noch! Einsiedel. Polen, Rußland, Sachsen sind geschlagen, Patkul. Patkul. (auf und abgehend). Was Sachsen! Ich ließ diesen schwachen Staat und ging zu Peter, dem Czaaren. Rußlands Hülfsmittel sind unerschöpflich: Rußland hat das Gold und das Eis. Nicht das Schwert der Schweden hat uns besiegt. Die gelbe Furie der Intrigue schlich in unsere Reihen, der Sachse ge- horchte nicht dem Russen, der Russe nicht dem Polen. Die Kriegsgelder sind ver- schleudert worden. Welcher Bundesgenosse konnte zu Sachsen Vertrauen fassen, einem Staat, dessen Credit untergraben, dessen Schatz leer, dessen Justiz und Staatsmänner käuflich sind? Einsiedel. Wer beweist es? Patkul. Marmorne Palläste und Hütten von Stroh! — Eine goldene Leib- wache und kein Heer! — Prachtgärten mit den Pflanzen beider Indien und brach- liegende Aecker! — Mitleid für Thränen auf der Bühne! Keins für den Landmann in seinen gepfändeten Hütten! — Statuen der Griechen, die Gemälde Italiens, erkauft durch die allgemeine Armut des Landes. Einsiedel. Patkul! — Auf meiner Zunge, — auf meinem Herzen brennt ein Auftrag — ein Geheimniß — der König ... Patkul. Der König? Einsiedel. O dürfte die Last mir bleiben und mich hinunterziehen! Patkul. Was hast Du? Einsiedel (sich sammelnd). Der König kennt unsre Freundschaft . . er ließ mich zu einer Audienz fordern, wo er mir auftrug . . Dir . . im Geheim — zu sagen, daß er von Dir ein . . Gemälde seiner gegenwärtigen Lage — Patkul (freudig). Das, das hab' ich gehofft, das hab' ich vom Schicksal mir erbeten! Einsiedel (zieht einen Brief hervor). Hier, sein Brief an Dich! Patkul (nimmt ihn). Polens Königskrone noch als Siegel! Höret die Wahrheit, Fürsten, und ihr werdet nie eine Krone verlieren! (erbricht): „Mein lieber Herr von Patkul, Sie kennen das große Vertrauen, welches ich stets in Ihren Geist und Ihre Aufrichtigkeit setzte. Ich frage Sie jetzt auf Ihr Gewissen, muß ich jede Hoffnung aufgeben? Welche Politik rathen Sie an, selbst wenn ich jetzt Frieden schlösse, um in späterer Zeit meine gerechten Ansprüche auf Polen zu erneuern? (Mit steigendem Affekt.) Entwerfen Sie mir ein Gemälde meines Landes! Von Schmeich- lern umgeben dringt kein Lichtstrahl der Dinge, wie sie sind, in mein Auge; und doch ist es mein heiliger Ernst, die saumseligen Vollstrecker meines Willens, die Dränger meines Landes kennen zu lernen. Ich erwarte in den bekannten Chiffern, deren Schlüssel Sie besitzen, von Ihnen ein Memoire über Sachsen, Polen und Alles, was auf meine verlorne Königskrone und den Churhut sich bezieht. Ich muß

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Zitationshilfe: Proben neuer Dramen. II: Patkul. Politisches Trauerspiel in 5 Aufzügen von Karl Gutzkow. In: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, I. Semester, S. 97-106, hier S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_patkul_1842/4>, abgerufen am 05.12.2024.