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[Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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falle schon an die Deinige. Es umdämmert mich die Nacht der Wehmuth, und aus Deinen Augen gehen die Thränen als Sterne auf. Unsere Communalseele wird--nach bekannten physiognomischen Gesetzen--die Züge unseres Gesichtes ausgleichen und ähnlich machen, und dann werd' ich nicht mehr wissen, ob ich Du bin, und Du nicht, ob Du ich bist. Du willst Dir Rosen zum Kranze winden, und mich schmückt der Blumenkranz. Die schönste entfällt ihm, mir will ich sie anstecken, und schon ziert sie den Doppelthron Deines Busens. Entzückt wollen wir uns in die Arme fallen, wollen die Treue unserer Liebe mit heißen Küssen besiegeln, und ich umarme mich selbst, Du küssest Dich selbst.

Ueberschicke mir also zur Mischung Deinen Geist und fürchte während des Experiments nicht, Du möchtest um Deinen Verstand kommen. Wir wollen für Deutschland die erste Probe des Gemeingeistes aufstellen.

Warum mußt Du doch so weit von mir wohnen? Geliebte, warum theilst Du meine Hütte nicht mit mir? Wir Beide erleichterten uns so den schweren Miethzins, könnten Beide ein Licht brennen, so daß es Jedem nur auf die Hälfte käme.

Lebt denn Papchen noch in seinem messingenen Ringe? Das Thier muß schon sehr alt sein.

falle schon an die Deinige. Es umdämmert mich die Nacht der Wehmuth, und aus Deinen Augen gehen die Thränen als Sterne auf. Unsere Communalseele wird—nach bekannten physiognomischen Gesetzen—die Züge unseres Gesichtes ausgleichen und ähnlich machen, und dann werd’ ich nicht mehr wissen, ob ich Du bin, und Du nicht, ob Du ich bist. Du willst Dir Rosen zum Kranze winden, und mich schmückt der Blumenkranz. Die schönste entfällt ihm, mir will ich sie anstecken, und schon ziert sie den Doppelthron Deines Busens. Entzückt wollen wir uns in die Arme fallen, wollen die Treue unserer Liebe mit heißen Küssen besiegeln, und ich umarme mich selbst, Du küssest Dich selbst.

Ueberschicke mir also zur Mischung Deinen Geist und fürchte während des Experiments nicht, Du möchtest um Deinen Verstand kommen. Wir wollen für Deutschland die erste Probe des Gemeingeistes aufstellen.

Warum mußt Du doch so weit von mir wohnen? Geliebte, warum theilst Du meine Hütte nicht mit mir? Wir Beide erleichterten uns so den schweren Miethzins, könnten Beide ein Licht brennen, so daß es Jedem nur auf die Hälfte käme.

Lebt denn Papchen noch in seinem messingenen Ringe? Das Thier muß schon sehr alt sein.

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[84/0097] falle schon an die Deinige. Es umdämmert mich die Nacht der Wehmuth, und aus Deinen Augen gehen die Thränen als Sterne auf. Unsere Communalseele wird—nach bekannten physiognomischen Gesetzen—die Züge unseres Gesichtes ausgleichen und ähnlich machen, und dann werd’ ich nicht mehr wissen, ob ich Du bin, und Du nicht, ob Du ich bist. Du willst Dir Rosen zum Kranze winden, und mich schmückt der Blumenkranz. Die schönste entfällt ihm, mir will ich sie anstecken, und schon ziert sie den Doppelthron Deines Busens. Entzückt wollen wir uns in die Arme fallen, wollen die Treue unserer Liebe mit heißen Küssen besiegeln, und ich umarme mich selbst, Du küssest Dich selbst. Ueberschicke mir also zur Mischung Deinen Geist und fürchte während des Experiments nicht, Du möchtest um Deinen Verstand kommen. Wir wollen für Deutschland die erste Probe des Gemeingeistes aufstellen. Warum mußt Du doch so weit von mir wohnen? Geliebte, warum theilst Du meine Hütte nicht mit mir? Wir Beide erleichterten uns so den schweren Miethzins, könnten Beide ein Licht brennen, so daß es Jedem nur auf die Hälfte käme. Lebt denn Papchen noch in seinem messingenen Ringe? Das Thier muß schon sehr alt sein.

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  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/97>, abgerufen am 17.05.2024.