[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.legten Quellen des Geistes vernehmen, die mit ihren goldhaltigen Wogen durch Jahrhunderte strömten. Du weißt nicht, wie von den Bergen der Heimath die Geister der Vergangenheit winken. Die Leier--nicht einmal zerbrochen ist sie dir, du hattest nie eine--und dein Schwert kannst du nicht an den Stamm einer tausendjährigen Eiche als Weihopfer hängen! Was fühlt so ein Kerl wie du von dem Zauber einer Elegie in den Ruinen eines alten Burggemäuers! Ich kann nicht gleich sagen, ob sich naturhistorisch das Vorhandensein von Grillen in Nordamerika erweisen läßt, so viel aber ist erwiesen, daß sie nicht solche Stimmungen in dir aufregen können, wie in unsern Gemüthern. Wo habt ihr dazu die Klosterruinen, wenn sie in den Milchwellen des Mondes sich baden? Kann je einer deiner Landsleute das Lied singen: Sohn, da hast du meinen Speer! Und, wollen wir das Neueste nehmen, für dich hat Graf Moltke die Nothwendigkeit des Adels gerad' umsonst bewiesen; zu geschweigen, daß die ganze deutsche Philosophie an dir rein verloren ist. In der That wirst du dein ganzes Leben hindurch eine Närrin bleiben. Zur Ritterin vom goldenen Sporn, den du aber am Kopfe trägst, möcht' ich dich deshalb ernennen, weil ich weiß, daß nur Eitelkeit und Aerger über nicht anerkannte vermeinte Ver- legten Quellen des Geistes vernehmen, die mit ihren goldhaltigen Wogen durch Jahrhunderte strömten. Du weißt nicht, wie von den Bergen der Heimath die Geister der Vergangenheit winken. Die Leier—nicht einmal zerbrochen ist sie dir, du hattest nie eine—und dein Schwert kannst du nicht an den Stamm einer tausendjährigen Eiche als Weihopfer hängen! Was fühlt so ein Kerl wie du von dem Zauber einer Elegie in den Ruinen eines alten Burggemäuers! Ich kann nicht gleich sagen, ob sich naturhistorisch das Vorhandensein von Grillen in Nordamerika erweisen läßt, so viel aber ist erwiesen, daß sie nicht solche Stimmungen in dir aufregen können, wie in unsern Gemüthern. Wo habt ihr dazu die Klosterruinen, wenn sie in den Milchwellen des Mondes sich baden? Kann je einer deiner Landsleute das Lied singen: Sohn, da hast du meinen Speer! Und, wollen wir das Neueste nehmen, für dich hat Graf Moltke die Nothwendigkeit des Adels gerad’ umsonst bewiesen; zu geschweigen, daß die ganze deutsche Philosophie an dir rein verloren ist. In der That wirst du dein ganzes Leben hindurch eine Närrin bleiben. Zur Ritterin vom goldenen Sporn, den du aber am Kopfe trägst, möcht’ ich dich deshalb ernennen, weil ich weiß, daß nur Eitelkeit und Aerger über nicht anerkannte vermeinte Ver- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0064" n="51"/> legten Quellen des Geistes vernehmen, die mit ihren goldhaltigen Wogen durch Jahrhunderte strömten. Du weißt nicht, wie von den Bergen der Heimath die Geister der Vergangenheit winken. Die Leier—nicht einmal zerbrochen ist sie dir, du hattest nie eine—und dein Schwert kannst du nicht an den Stamm einer tausendjährigen Eiche als Weihopfer hängen! Was fühlt so ein Kerl wie du von dem Zauber einer Elegie in den Ruinen eines alten Burggemäuers! Ich kann nicht gleich sagen, ob sich naturhistorisch das Vorhandensein von Grillen in Nordamerika erweisen läßt, so viel aber ist erwiesen, daß sie nicht solche Stimmungen in dir aufregen können, wie in unsern Gemüthern. Wo habt ihr dazu die Klosterruinen, wenn sie in den Milchwellen des Mondes sich baden? Kann je einer deiner Landsleute das Lied singen: <ref xml:id="TEXTSohndahastdumeinenSpeer" target="BrN4E.htm#ERLSohndahastdumeinenSpeer">Sohn, da hast du meinen Speer!</ref> Und, wollen wir das Neueste nehmen, für dich <ref xml:id="TEXThatGrafMoltkeBISumsonstbewiesen" target="BrN4E.htm#ERLhatGrafMoltkeBISumsonstbewiesen">hat Graf Moltke die Nothwendigkeit des Adels gerad’ umsonst bewiesen</ref>; zu geschweigen, daß die ganze deutsche Philosophie an dir rein verloren ist. In der That wirst du dein ganzes Leben hindurch eine Närrin bleiben. Zur Ritterin vom goldenen Sporn, den du aber am Kopfe trägst, möcht’ ich dich deshalb ernennen, weil ich weiß, daß nur Eitelkeit und Aerger über nicht anerkannte vermeinte Ver- </p> </div> </body> </text> </TEI> [51/0064]
legten Quellen des Geistes vernehmen, die mit ihren goldhaltigen Wogen durch Jahrhunderte strömten. Du weißt nicht, wie von den Bergen der Heimath die Geister der Vergangenheit winken. Die Leier—nicht einmal zerbrochen ist sie dir, du hattest nie eine—und dein Schwert kannst du nicht an den Stamm einer tausendjährigen Eiche als Weihopfer hängen! Was fühlt so ein Kerl wie du von dem Zauber einer Elegie in den Ruinen eines alten Burggemäuers! Ich kann nicht gleich sagen, ob sich naturhistorisch das Vorhandensein von Grillen in Nordamerika erweisen läßt, so viel aber ist erwiesen, daß sie nicht solche Stimmungen in dir aufregen können, wie in unsern Gemüthern. Wo habt ihr dazu die Klosterruinen, wenn sie in den Milchwellen des Mondes sich baden? Kann je einer deiner Landsleute das Lied singen: Sohn, da hast du meinen Speer! Und, wollen wir das Neueste nehmen, für dich hat Graf Moltke die Nothwendigkeit des Adels gerad’ umsonst bewiesen; zu geschweigen, daß die ganze deutsche Philosophie an dir rein verloren ist. In der That wirst du dein ganzes Leben hindurch eine Närrin bleiben. Zur Ritterin vom goldenen Sporn, den du aber am Kopfe trägst, möcht’ ich dich deshalb ernennen, weil ich weiß, daß nur Eitelkeit und Aerger über nicht anerkannte vermeinte Ver-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax des Gutzkow Editionsprojekts.
(2013-07-01T14:33:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus dem Gutzkow Editionsprojekt entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-07-01T14:33:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung vom Markup des Gutzkow Editionsprojekts nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-07-01T14:33:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |