Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

Untergang der Sonne stehen. Um die Kosten der Beleuchtung zu verringern, glaubt man so ein gutes Stück Finsterniß von der Stadt abzusperren.

Ich hätte nur gern gewußt, ob ein deutscher Schauspieler so vielen Muth besitzt, wenn man ihn als einen Lehrjungen fragt, worüber denn der bei seinem Meister versammelte Klubb politisire, zu den nach der Rolle vorgeschriebenen Gegenständen noch einen hinzuzusetzen aus dem Stegreif, der allen den Hörern als das Vertrauteste sogleich zugegen war, hier die Thorsperre. Aber der Mann hatte ihn nicht.

Ueberhaupt hab' ich mir den Staub, was man im Winter Staub nennen kann, von meinen Füßen geschüttelt, als Frankfurt hinter mir lag. Ich fragte dort Jemand nach dem Hause, wo Göthe geboren. Ich wollte, wie Uhland in seinem Straßburgermünstergedichte, der Thorheit der Welt und meinem Tage- und Wanderliederbuche eine Huldigung bringen, aber dumm sah er mich an: "Göthe? das Haus Göthe? muß längst fallirt haben?"

Auf der Mainbrücke postirte ich mich gerade dahin, wo früher ein metallener Hahn seinen Krummschweif stolz in die Höhe schlug. Mich jammerte Frankfurts. Aus eigenem Entschluß hat es das Symbol der Freiheit gewiß nicht aus den

Untergang der Sonne stehen. Um die Kosten der Beleuchtung zu verringern, glaubt man so ein gutes Stück Finsterniß von der Stadt abzusperren.

Ich hätte nur gern gewußt, ob ein deutscher Schauspieler so vielen Muth besitzt, wenn man ihn als einen Lehrjungen fragt, worüber denn der bei seinem Meister versammelte Klubb politisire, zu den nach der Rolle vorgeschriebenen Gegenständen noch einen hinzuzusetzen aus dem Stegreif, der allen den Hörern als das Vertrauteste sogleich zugegen war, hier die Thorsperre. Aber der Mann hatte ihn nicht.

Ueberhaupt hab’ ich mir den Staub, was man im Winter Staub nennen kann, von meinen Füßen geschüttelt, als Frankfurt hinter mir lag. Ich fragte dort Jemand nach dem Hause, wo Göthe geboren. Ich wollte, wie Uhland in seinem Straßburgermünstergedichte, der Thorheit der Welt und meinem Tage- und Wanderliederbuche eine Huldigung bringen, aber dumm sah er mich an: "Göthe? das Haus Göthe? muß längst fallirt haben?"

Auf der Mainbrücke postirte ich mich gerade dahin, wo früher ein metallener Hahn seinen Krummschweif stolz in die Höhe schlug. Mich jammerte Frankfurts. Aus eigenem Entschluß hat es das Symbol der Freiheit gewiß nicht aus den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p>
          <ref xml:id="TEXTVoreinigenBISabzusperren" target="BrN4E.htm#ERLVoreinigenBISabzusperren"><pb facs="#f0060" n="47"/>
Untergang der Sonne stehen. Um die Kosten der Beleuchtung zu verringern, glaubt man so ein gutes Stück Finsterniß von der Stadt abzusperren. </ref>
        </p>
        <p>Ich hätte nur gern gewußt, <ref xml:id="TEXTobeindeutscherBISbesitzt" target="BrN4E.htm#ERLobeindeutscherBISbesitzt">ob ein deutscher Schauspieler so vielen Muth besitzt</ref>, wenn man ihn als einen Lehrjungen fragt, worüber denn der bei seinem Meister versammelte Klubb politisire, zu den nach der Rolle vorgeschriebenen Gegenständen noch einen hinzuzusetzen aus dem Stegreif, der allen den Hörern als das Vertrauteste sogleich zugegen war, hier die Thorsperre. Aber der Mann hatte ihn nicht.</p>
        <p>Ueberhaupt hab&#x2019; ich mir den <ref xml:id="TEXTStaubBISgeschuettelt" target="BrN4E.htm#ERLStaubBISgeschuettelt">Staub, was man im Winter Staub nennen kann, von meinen Füßen geschüttelt</ref>, als Frankfurt hinter mir lag. Ich fragte dort Jemand nach dem Hause, wo Göthe geboren. Ich wollte, <ref xml:id="TEXTwieUhlandBISStrassburgermuenstergedichte" target="BrN4E.htm#ERLwieUhlandBISStrassburgermuenstergedichte">wie Uhland in seinem Straßburgermünstergedichte</ref>, der Thorheit der Welt und meinem Tage- und Wanderliederbuche eine Huldigung bringen, aber dumm sah er mich an: "Göthe? <ref xml:id="TEXTdasHausBISfallirthaben" target="BrN4E.htm#ERLdasHausBISfallirthaben">das Haus Göthe? muß längst fallirt haben?"</ref></p>
        <p>Auf der Mainbrücke postirte ich mich gerade dahin, <ref xml:id="TEXTwofrueherBISHoeheschlug" target="BrN4E.htm#ERLwofrueherBISHoeheschlug">wo früher ein metallener Hahn seinen Krummschweif stolz in die Höhe schlug.</ref> Mich jammerte Frankfurts. Aus eigenem Entschluß hat es das Symbol der Freiheit gewiß nicht aus den
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47/0060] Untergang der Sonne stehen. Um die Kosten der Beleuchtung zu verringern, glaubt man so ein gutes Stück Finsterniß von der Stadt abzusperren. Ich hätte nur gern gewußt, ob ein deutscher Schauspieler so vielen Muth besitzt, wenn man ihn als einen Lehrjungen fragt, worüber denn der bei seinem Meister versammelte Klubb politisire, zu den nach der Rolle vorgeschriebenen Gegenständen noch einen hinzuzusetzen aus dem Stegreif, der allen den Hörern als das Vertrauteste sogleich zugegen war, hier die Thorsperre. Aber der Mann hatte ihn nicht. Ueberhaupt hab’ ich mir den Staub, was man im Winter Staub nennen kann, von meinen Füßen geschüttelt, als Frankfurt hinter mir lag. Ich fragte dort Jemand nach dem Hause, wo Göthe geboren. Ich wollte, wie Uhland in seinem Straßburgermünstergedichte, der Thorheit der Welt und meinem Tage- und Wanderliederbuche eine Huldigung bringen, aber dumm sah er mich an: "Göthe? das Haus Göthe? muß längst fallirt haben?" Auf der Mainbrücke postirte ich mich gerade dahin, wo früher ein metallener Hahn seinen Krummschweif stolz in die Höhe schlug. Mich jammerte Frankfurts. Aus eigenem Entschluß hat es das Symbol der Freiheit gewiß nicht aus den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax des Gutzkow Editionsprojekts. (2013-07-01T14:33:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus dem Gutzkow Editionsprojekt entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-01T14:33:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung vom Markup des Gutzkow Editionsprojekts nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-07-01T14:33:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Gutzkow Editionsprojekt:Editionsprinzipien
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Zeilenumbrüche innerhalb eines Absatzes werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Anmerkungen und Erläuterungen der Herausgeber der Gutzkow-Edition sind im XML mit <ref target="[Ziel]">...</ref> wiedergegeben. [Ziel] benennt die HTM-Datei und den Abschnitt der jeweiligen Erläuterung auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.
  • Druckfehler und andere Fehler der Vorlage wurden in der Transkription behoben. Zu den hierbei vorgenommenen Textänderungen und zu problematischen Textstellen siehe Abschnitt 2.1.1: Textänderungen auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/60
Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/60>, abgerufen am 17.05.2024.