[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.Ohne Zweifel wird es Ihnen bekannt sein, wo nicht, so lernen Sie es von mir -- Schämen Sie sich nicht, man lernt nie aus! -- daß die prophetischen Ausdrücke der Offenbarung nicht hintereinander zu stellen sind, so daß sich etwa ein Zeichen an das andere, eine Zeit an die andere, reihen müßte, sondern die Briefe, die Posaunen, die Siegel, die Hornschalen sind alle nur verschiedene Modificationen der Bezeichnung einer und derselben Zeit. Was Johannes bei der fünften Posaune gesehen hat, das hat er auch bei Eröffnung des fünften Siegels gesehen: nur mit dem Unterschiede, der zwischen irgend einer Empfindung, während ein Cavallerieregiment unterm Fenster vorbeizieht, und derselben Empfindung, während man das Siegel eines Briefes löst, Statt finden mag. Wenn Sie ein Thier mit sieben Hörnern und zehn Kronen sehen, so werden Sie anders erschrecken, als wenn Sie eines mit zehn Hörnern und sieben Kronen erblicken, nur bleibt der Schrecken Schrecken. Jetzt bitt' ich Sie, gefälligst Ihre Bibel aufzuschlagen. Sollten Sie keine besitzen, Fräulein, so -- ja, was thut man dann? Nun, dann glauben Sie meinen Citaten. Im 18. Capitel fällt das antichristische Reich: im 19. beginnt die Herrlichkeit des neuen. Was also im Vorhergehenden mit der Sechs oder Sie- Ohne Zweifel wird es Ihnen bekannt sein, wo nicht, so lernen Sie es von mir — Schämen Sie sich nicht, man lernt nie aus! — daß die prophetischen Ausdrücke der Offenbarung nicht hintereinander zu stellen sind, so daß sich etwa ein Zeichen an das andere, eine Zeit an die andere, reihen müßte, sondern die Briefe, die Posaunen, die Siegel, die Hornschalen sind alle nur verschiedene Modificationen der Bezeichnung einer und derselben Zeit. Was Johannes bei der fünften Posaune gesehen hat, das hat er auch bei Eröffnung des fünften Siegels gesehen: nur mit dem Unterschiede, der zwischen irgend einer Empfindung, während ein Cavallerieregiment unterm Fenster vorbeizieht, und derselben Empfindung, während man das Siegel eines Briefes löst, Statt finden mag. Wenn Sie ein Thier mit sieben Hörnern und zehn Kronen sehen, so werden Sie anders erschrecken, als wenn Sie eines mit zehn Hörnern und sieben Kronen erblicken, nur bleibt der Schrecken Schrecken. Jetzt bitt’ ich Sie, gefälligst Ihre Bibel aufzuschlagen. Sollten Sie keine besitzen, Fräulein, so — ja, was thut man dann? Nun, dann glauben Sie meinen Citaten. Im 18. Capitel fällt das antichristische Reich: im 19. beginnt die Herrlichkeit des neuen. Was also im Vorhergehenden mit der Sechs oder Sie- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0319" n="306"/> <p> Ohne Zweifel wird es Ihnen bekannt sein, wo nicht, so lernen Sie es von mir — Schämen Sie sich nicht, man lernt nie aus! — daß die prophetischen Ausdrücke der Offenbarung nicht hintereinander zu stellen sind, so daß sich etwa ein Zeichen an das andere, eine Zeit an die andere, reihen müßte, sondern die Briefe, die Posaunen, die Siegel, die Hornschalen sind alle nur verschiedene Modificationen der Bezeichnung einer und derselben Zeit. Was Johannes bei der fünften Posaune gesehen hat, das hat er auch bei Eröffnung des fünften Siegels gesehen: nur mit dem Unterschiede, der zwischen irgend einer Empfindung, während ein Cavallerieregiment unterm Fenster vorbeizieht, und derselben Empfindung, während man das Siegel eines Briefes löst, Statt finden mag. Wenn Sie ein Thier mit sieben Hörnern und zehn Kronen sehen, so werden Sie anders erschrecken, als wenn Sie eines mit zehn Hörnern und sieben Kronen erblicken, nur bleibt der Schrecken Schrecken.</p> <p>Jetzt bitt’ ich Sie, gefälligst Ihre Bibel aufzuschlagen. Sollten Sie keine besitzen, Fräulein, so — ja, was thut man dann? Nun, dann glauben Sie meinen Citaten.</p> <p>Im 18. Capitel fällt das antichristische Reich: im 19. beginnt die Herrlichkeit des neuen. Was also im Vorhergehenden mit der Sechs oder Sie- </p> </div> </body> </text> </TEI> [306/0319]
Ohne Zweifel wird es Ihnen bekannt sein, wo nicht, so lernen Sie es von mir — Schämen Sie sich nicht, man lernt nie aus! — daß die prophetischen Ausdrücke der Offenbarung nicht hintereinander zu stellen sind, so daß sich etwa ein Zeichen an das andere, eine Zeit an die andere, reihen müßte, sondern die Briefe, die Posaunen, die Siegel, die Hornschalen sind alle nur verschiedene Modificationen der Bezeichnung einer und derselben Zeit. Was Johannes bei der fünften Posaune gesehen hat, das hat er auch bei Eröffnung des fünften Siegels gesehen: nur mit dem Unterschiede, der zwischen irgend einer Empfindung, während ein Cavallerieregiment unterm Fenster vorbeizieht, und derselben Empfindung, während man das Siegel eines Briefes löst, Statt finden mag. Wenn Sie ein Thier mit sieben Hörnern und zehn Kronen sehen, so werden Sie anders erschrecken, als wenn Sie eines mit zehn Hörnern und sieben Kronen erblicken, nur bleibt der Schrecken Schrecken.
Jetzt bitt’ ich Sie, gefälligst Ihre Bibel aufzuschlagen. Sollten Sie keine besitzen, Fräulein, so — ja, was thut man dann? Nun, dann glauben Sie meinen Citaten.
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Zitationshilfe: | [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/319>, abgerufen am 29.07.2024. |