[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.aus dem Stegreif zufließen, waren aber alle so natürlich, daß ich die Absichten des Eigennutzes, das Schleichen der Intrigue und die Bosheit des Neides bald errathen könnte." Die Zuhörer waren überrascht, den sonst so verschlossenen General aufthauen zu sehen. Es war Niemand mit seinen nähern Lebensverhältnissen genauer vertraut. Nur der junge, angebliche Theolog, spanischer Geburt, aus einer angesehenen Familie, und in der That zum geistlichen Stande bestimmt, schien von der Erzählung betroffen. Die Frage des Wunders ganz vergessend, sagte er bald ungestüm, bald forschend: "Ich kann die Geschichte der Zufälle, die den Herrn General in meinem Vaterlande betroffen haben, nicht errathen. Die Andeutung einer Liebe und einer fremden Intrigue führt mich aber auf Folgendes: Es gibt Lagen, wo man keine Mittel scheut, um sich eines lästigen Verhältnisses zu erwehren, und wo man die Wahl dieser Mittel durch dies Verhältniß selbst, seinen Unmuth, das Gefühl seiner Schwäche im offnen Kampfe, durch die Sitten eines Landes entschuldigen muß. Ich hatte einst das traurige Geschäft, einen französischen Officier, dessen Name und Rang mir niemals bekannt geworden sind, von einer Leidenschaft zu heilen, die meiner Ehre und dem Glücke einer aus dem Stegreif zufließen, waren aber alle so natürlich, daß ich die Absichten des Eigennutzes, das Schleichen der Intrigue und die Bosheit des Neides bald errathen könnte." Die Zuhörer waren überrascht, den sonst so verschlossenen General aufthauen zu sehen. Es war Niemand mit seinen nähern Lebensverhältnissen genauer vertraut. Nur der junge, angebliche Theolog, spanischer Geburt, aus einer angesehenen Familie, und in der That zum geistlichen Stande bestimmt, schien von der Erzählung betroffen. Die Frage des Wunders ganz vergessend, sagte er bald ungestüm, bald forschend: "Ich kann die Geschichte der Zufälle, die den Herrn General in meinem Vaterlande betroffen haben, nicht errathen. Die Andeutung einer Liebe und einer fremden Intrigue führt mich aber auf Folgendes: Es gibt Lagen, wo man keine Mittel scheut, um sich eines lästigen Verhältnisses zu erwehren, und wo man die Wahl dieser Mittel durch dies Verhältniß selbst, seinen Unmuth, das Gefühl seiner Schwäche im offnen Kampfe, durch die Sitten eines Landes entschuldigen muß. Ich hatte einst das traurige Geschäft, einen französischen Officier, dessen Name und Rang mir niemals bekannt geworden sind, von einer Leidenschaft zu heilen, die meiner Ehre und dem Glücke einer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0312" n="299"/> aus dem Stegreif zufließen, waren aber alle so natürlich, daß ich die Absichten des Eigennutzes, das Schleichen der Intrigue und die Bosheit des Neides bald errathen könnte."</p> <p>Die Zuhörer waren überrascht, den sonst so verschlossenen General aufthauen zu sehen. Es war Niemand mit seinen nähern Lebensverhältnissen genauer vertraut. Nur der junge, angebliche Theolog, spanischer Geburt, aus einer angesehenen Familie, und in der That zum geistlichen Stande bestimmt, schien von der Erzählung betroffen. Die Frage des Wunders ganz vergessend, sagte er bald ungestüm, bald forschend:</p> <p>"Ich kann die Geschichte der Zufälle, die den Herrn General in meinem Vaterlande betroffen haben, nicht errathen. Die Andeutung einer Liebe und einer fremden Intrigue führt mich aber auf Folgendes: Es gibt Lagen, wo man keine Mittel scheut, um sich eines lästigen Verhältnisses zu erwehren, und wo man die Wahl dieser Mittel durch dies Verhältniß selbst, seinen Unmuth, das Gefühl seiner Schwäche im offnen Kampfe, durch die Sitten eines Landes entschuldigen muß. Ich hatte einst das traurige Geschäft, einen französischen Officier, dessen Name und Rang mir niemals bekannt geworden sind, von einer Leidenschaft zu heilen, die meiner Ehre und dem Glücke einer </p> </div> </body> </text> </TEI> [299/0312]
aus dem Stegreif zufließen, waren aber alle so natürlich, daß ich die Absichten des Eigennutzes, das Schleichen der Intrigue und die Bosheit des Neides bald errathen könnte."
Die Zuhörer waren überrascht, den sonst so verschlossenen General aufthauen zu sehen. Es war Niemand mit seinen nähern Lebensverhältnissen genauer vertraut. Nur der junge, angebliche Theolog, spanischer Geburt, aus einer angesehenen Familie, und in der That zum geistlichen Stande bestimmt, schien von der Erzählung betroffen. Die Frage des Wunders ganz vergessend, sagte er bald ungestüm, bald forschend:
"Ich kann die Geschichte der Zufälle, die den Herrn General in meinem Vaterlande betroffen haben, nicht errathen. Die Andeutung einer Liebe und einer fremden Intrigue führt mich aber auf Folgendes: Es gibt Lagen, wo man keine Mittel scheut, um sich eines lästigen Verhältnisses zu erwehren, und wo man die Wahl dieser Mittel durch dies Verhältniß selbst, seinen Unmuth, das Gefühl seiner Schwäche im offnen Kampfe, durch die Sitten eines Landes entschuldigen muß. Ich hatte einst das traurige Geschäft, einen französischen Officier, dessen Name und Rang mir niemals bekannt geworden sind, von einer Leidenschaft zu heilen, die meiner Ehre und dem Glücke einer
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Zitationshilfe: | [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/312>, abgerufen am 16.02.2025. |