Ist die Illusion die Ursache, daß wohl in einem Epos Ritter mit Lindwürmern kämpfen dürfen, in einem Drama dagegen schon ein ganz besonderer Duft dazu gehört, eine Fee oder einen bösen Dämon einführen zu dürfen? Wer trägt die Schuld? die Handelnden, der Ort, die Zuschauenden oder die Gattung?"
"Sie würden Unrecht thun -- antwortete ein junger Officier -- eins dieser Momente zu vergessen. Sie geben alle eine Sylbe zu jenem mystischen Abrakadabra, das man Wunder nennt. Der Glaube der Völker und Zeiten entscheidet nicht nur über seinen Werth, sondern die Völker und Zeiten selbst haben ein Anrecht auf gewisse Gattungen der Poesie. Es wird schwer fallen, das volksthümliche Epos von jenen himmelstürmenden Riesen, den neckenden Zwergen und Goldhütern, das künstliche von den Feenpallästen und den Zauberregionen Ginnistans zu trennen, eben so schwer, als auf der heutigen Bühne ein Wundervogel zur Personenrolle eines Trauerspiels sich würde zählen lassen."
Inzwischen hatte die bis auf einige Wenige geschmolzene Gesellschaft den Hügel schon hinter sich. Die Fehlenden hatten sich oben auf eine Rasenbank niedergelassen, um die Aussichten, die sich durch einzelne Lücken der dichten Bäume öffne-
Ist die Illusion die Ursache, daß wohl in einem Epos Ritter mit Lindwürmern kämpfen dürfen, in einem Drama dagegen schon ein ganz besonderer Duft dazu gehört, eine Fee oder einen bösen Dämon einführen zu dürfen? Wer trägt die Schuld? die Handelnden, der Ort, die Zuschauenden oder die Gattung?"
»Sie würden Unrecht thun — antwortete ein junger Officier — eins dieser Momente zu vergessen. Sie geben alle eine Sylbe zu jenem mystischen Abrakadabra, das man Wunder nennt. Der Glaube der Völker und Zeiten entscheidet nicht nur über seinen Werth, sondern die Völker und Zeiten selbst haben ein Anrecht auf gewisse Gattungen der Poesie. Es wird schwer fallen, das volksthümliche Epos von jenen himmelstürmenden Riesen, den neckenden Zwergen und Goldhütern, das künstliche von den Feenpallästen und den Zauberregionen Ginnistans zu trennen, eben so schwer, als auf der heutigen Bühne ein Wundervogel zur Personenrolle eines Trauerspiels sich würde zählen lassen.«
Inzwischen hatte die bis auf einige Wenige geschmolzene Gesellschaft den Hügel schon hinter sich. Die Fehlenden hatten sich oben auf eine Rasenbank niedergelassen, um die Aussichten, die sich durch einzelne Lücken der dichten Bäume öffne-
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Ist die Illusion die Ursache, daß wohl in einem Epos Ritter mit Lindwürmern kämpfen dürfen, in einem Drama dagegen schon ein ganz besonderer Duft dazu gehört, eine Fee oder einen bösen Dämon einführen zu dürfen? Wer trägt die Schuld? die Handelnden, der Ort, die Zuschauenden oder die Gattung?"</p><p>»Sie würden Unrecht thun — antwortete ein junger Officier — eins dieser Momente zu vergessen. Sie geben alle eine Sylbe zu jenem mystischen Abrakadabra, das man Wunder nennt. Der Glaube der Völker und Zeiten entscheidet nicht nur über seinen Werth, sondern die Völker und Zeiten selbst haben ein Anrecht auf gewisse Gattungen der Poesie. Es wird schwer fallen, das volksthümliche Epos von jenen himmelstürmenden Riesen, den neckenden Zwergen und Goldhütern, das künstliche von den Feenpallästen und den Zauberregionen Ginnistans zu trennen, eben so schwer, als auf der heutigen Bühne ein Wundervogel zur Personenrolle eines Trauerspiels sich würde zählen lassen.«</p><p>Inzwischen hatte die bis auf einige Wenige geschmolzene Gesellschaft den Hügel schon hinter sich. Die Fehlenden hatten sich oben auf eine Rasenbank niedergelassen, um die Aussichten, die sich durch einzelne Lücken der dichten Bäume öffne-
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Ist die Illusion die Ursache, daß wohl in einem Epos Ritter mit Lindwürmern kämpfen dürfen, in einem Drama dagegen schon ein ganz besonderer Duft dazu gehört, eine Fee oder einen bösen Dämon einführen zu dürfen? Wer trägt die Schuld? die Handelnden, der Ort, die Zuschauenden oder die Gattung?"
»Sie würden Unrecht thun — antwortete ein junger Officier — eins dieser Momente zu vergessen. Sie geben alle eine Sylbe zu jenem mystischen Abrakadabra, das man Wunder nennt. Der Glaube der Völker und Zeiten entscheidet nicht nur über seinen Werth, sondern die Völker und Zeiten selbst haben ein Anrecht auf gewisse Gattungen der Poesie. Es wird schwer fallen, das volksthümliche Epos von jenen himmelstürmenden Riesen, den neckenden Zwergen und Goldhütern, das künstliche von den Feenpallästen und den Zauberregionen Ginnistans zu trennen, eben so schwer, als auf der heutigen Bühne ein Wundervogel zur Personenrolle eines Trauerspiels sich würde zählen lassen.«
Inzwischen hatte die bis auf einige Wenige geschmolzene Gesellschaft den Hügel schon hinter sich. Die Fehlenden hatten sich oben auf eine Rasenbank niedergelassen, um die Aussichten, die sich durch einzelne Lücken der dichten Bäume öffne-
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[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/310>, abgerufen am 17.02.2025.
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