Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

gerissen von dem allgemeinen Strom, und standest eingegossen wie in einer ehernen Form.

Aber Du hast Alles, selbst das Feuer und die Zeit überwunden. Ich hatte Dich längst aufgegeben; nun aber weiß ich, daß Du noch lebst und auf den Augenblick harrst, da Dein treuester Gefährte Dich aus dem calcinirten Gestein herausmeißeln wird.

Da steh' ich nun mit Hammer und Brecheisen. Weit vor mir liegt das öde Feld einer Zerstörung, um die Jahrhunderte sich mit grauenvollem Schweigen gelagert haben. Der Vogel flieht über dieses weite Lavagebirg hinweg zu jenem grünen Kranze von Olivenbäumen und dem hohen Weingeländer, das sich wie ein krauser Haarwall um den nackten Scheitel der Tonsur gelegt hat. Die Kuppeln der Tempel blicken zur Hälfte aus den Schachten hervor, die die Wißbegierde der Dilettanten in diesen Felsengesteinen gebrochen hat. Hier und da der Kopf einer Statue, der Spieß eines Kriegers oder die Spitze seines Helmbusches.

Du warst immer eine Freundin der Kunst, und wohntest daher gewiß dem Theater in der Nähe. Ich kenne Deine Vorliebe für die schaukelnde Bewegung eines Kahns, also wird die Richtung Deines Zimmers dem Meere zugewandt gewesen sein. Du warst ein Muster der Sittsamkeit,

gerissen von dem allgemeinen Strom, und standest eingegossen wie in einer ehernen Form.

Aber Du hast Alles, selbst das Feuer und die Zeit überwunden. Ich hatte Dich längst aufgegeben; nun aber weiß ich, daß Du noch lebst und auf den Augenblick harrst, da Dein treuester Gefährte Dich aus dem calcinirten Gestein herausmeißeln wird.

Da steh’ ich nun mit Hammer und Brecheisen. Weit vor mir liegt das öde Feld einer Zerstörung, um die Jahrhunderte sich mit grauenvollem Schweigen gelagert haben. Der Vogel flieht über dieses weite Lavagebirg hinweg zu jenem grünen Kranze von Olivenbäumen und dem hohen Weingeländer, das sich wie ein krauser Haarwall um den nackten Scheitel der Tonsur gelegt hat. Die Kuppeln der Tempel blicken zur Hälfte aus den Schachten hervor, die die Wißbegierde der Dilettanten in diesen Felsengesteinen gebrochen hat. Hier und da der Kopf einer Statue, der Spieß eines Kriegers oder die Spitze seines Helmbusches.

Du warst immer eine Freundin der Kunst, und wohntest daher gewiß dem Theater in der Nähe. Ich kenne Deine Vorliebe für die schaukelnde Bewegung eines Kahns, also wird die Richtung Deines Zimmers dem Meere zugewandt gewesen sein. Du warst ein Muster der Sittsamkeit,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0283" n="270"/>
gerissen von dem allgemeinen Strom, und standest eingegossen wie in einer ehernen Form.</p>
        <p>Aber Du hast Alles, selbst das Feuer und die Zeit überwunden. Ich hatte Dich längst aufgegeben; nun aber weiß ich, daß Du noch lebst und auf den Augenblick harrst, da Dein treuester Gefährte Dich aus dem calcinirten Gestein herausmeißeln wird.</p>
        <p>Da steh&#x2019; ich nun mit Hammer und Brecheisen. Weit vor mir liegt das öde Feld einer Zerstörung, um die Jahrhunderte sich mit grauenvollem Schweigen gelagert haben. Der Vogel flieht über dieses weite Lavagebirg hinweg zu jenem grünen Kranze von Olivenbäumen und dem hohen Weingeländer, das sich wie ein krauser Haarwall um den nackten Scheitel der Tonsur gelegt hat. Die Kuppeln der Tempel blicken zur Hälfte aus den Schachten hervor, die die Wißbegierde der Dilettanten in diesen Felsengesteinen gebrochen hat. Hier und da der Kopf einer Statue, der Spieß eines Kriegers oder die Spitze seines Helmbusches.</p>
        <p>Du warst immer eine Freundin der Kunst, und wohntest daher gewiß dem Theater in der Nähe. Ich kenne Deine Vorliebe für die schaukelnde Bewegung eines Kahns, also wird die Richtung Deines Zimmers dem Meere zugewandt gewesen sein. Du warst ein Muster der Sittsamkeit,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[270/0283] gerissen von dem allgemeinen Strom, und standest eingegossen wie in einer ehernen Form. Aber Du hast Alles, selbst das Feuer und die Zeit überwunden. Ich hatte Dich längst aufgegeben; nun aber weiß ich, daß Du noch lebst und auf den Augenblick harrst, da Dein treuester Gefährte Dich aus dem calcinirten Gestein herausmeißeln wird. Da steh’ ich nun mit Hammer und Brecheisen. Weit vor mir liegt das öde Feld einer Zerstörung, um die Jahrhunderte sich mit grauenvollem Schweigen gelagert haben. Der Vogel flieht über dieses weite Lavagebirg hinweg zu jenem grünen Kranze von Olivenbäumen und dem hohen Weingeländer, das sich wie ein krauser Haarwall um den nackten Scheitel der Tonsur gelegt hat. Die Kuppeln der Tempel blicken zur Hälfte aus den Schachten hervor, die die Wißbegierde der Dilettanten in diesen Felsengesteinen gebrochen hat. Hier und da der Kopf einer Statue, der Spieß eines Kriegers oder die Spitze seines Helmbusches. Du warst immer eine Freundin der Kunst, und wohntest daher gewiß dem Theater in der Nähe. Ich kenne Deine Vorliebe für die schaukelnde Bewegung eines Kahns, also wird die Richtung Deines Zimmers dem Meere zugewandt gewesen sein. Du warst ein Muster der Sittsamkeit,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax des Gutzkow Editionsprojekts. (2013-07-01T14:33:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus dem Gutzkow Editionsprojekt entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-01T14:33:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung vom Markup des Gutzkow Editionsprojekts nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-07-01T14:33:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Gutzkow Editionsprojekt:Editionsprinzipien
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Zeilenumbrüche innerhalb eines Absatzes werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Anmerkungen und Erläuterungen der Herausgeber der Gutzkow-Edition sind im XML mit <ref target="[Ziel]">...</ref> wiedergegeben. [Ziel] benennt die HTM-Datei und den Abschnitt der jeweiligen Erläuterung auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.
  • Druckfehler und andere Fehler der Vorlage wurden in der Transkription behoben. Zu den hierbei vorgenommenen Textänderungen und zu problematischen Textstellen siehe Abschnitt 2.1.1: Textänderungen auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/283
Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/283>, abgerufen am 25.11.2024.