[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.und jeder glückliche Vater als Pathe seines Erstgebornen einlud. Um ein Mann des Volks zu werden, durfte man nur zu ihm herabsteigen, befehlen, indem man zu gehorchen schien, und einen Rock tragen, den man sich leicht von dem Geringsten unter der Menge auch hätte borgen können. Aber so schön es ist, an den Fingern einen Ring zu tragen, den uns das Volk am Tage der Verlobung schenkte, so schnell verlischt sein Glanz, oder er wird täglich größer und weiter, daß er uns zuletzt von den Fingern gleitet. Nimm eine simple Weltgeschichte, und wenn es die simpelste von allen, die von Pölitz ist, zur Hand, und lies über die Helden, die einst Männer des Volks genannt und überall von einem Triumphwagen gezogen wurden, dem sich das Volk selbst vorspannte. In einer Nacht war der Triumphbogen aufgerichtet, in der nächsten stand er schon nicht mehr. Wie Perikles ein Mann des Volkes war, so möcht' ich keiner sein. Die Menge liebt' ihn nicht einmal aufrichtig. Diejenigen, die unter dem Volke ein Schiff im Hafen hatten, oder ihre Sclaven in der Fabrik brauchten, oder mit Gewürz und Colonialwaaren handelten, die Aristokratie der Ruhe- und Friedliebenden haßte ihn, weil sich die Beiträge zum Kriege gegen Sparta täglich mehrten, und die Wege ihres Verkehrs verschlossen und jeder glückliche Vater als Pathe seines Erstgebornen einlud. Um ein Mann des Volks zu werden, durfte man nur zu ihm herabsteigen, befehlen, indem man zu gehorchen schien, und einen Rock tragen, den man sich leicht von dem Geringsten unter der Menge auch hätte borgen können. Aber so schön es ist, an den Fingern einen Ring zu tragen, den uns das Volk am Tage der Verlobung schenkte, so schnell verlischt sein Glanz, oder er wird täglich größer und weiter, daß er uns zuletzt von den Fingern gleitet. Nimm eine simple Weltgeschichte, und wenn es die simpelste von allen, die von Pölitz ist, zur Hand, und lies über die Helden, die einst Männer des Volks genannt und überall von einem Triumphwagen gezogen wurden, dem sich das Volk selbst vorspannte. In einer Nacht war der Triumphbogen aufgerichtet, in der nächsten stand er schon nicht mehr. Wie Perikles ein Mann des Volkes war, so möcht’ ich keiner sein. Die Menge liebt’ ihn nicht einmal aufrichtig. Diejenigen, die unter dem Volke ein Schiff im Hafen hatten, oder ihre Sclaven in der Fabrik brauchten, oder mit Gewürz und Colonialwaaren handelten, die Aristokratie der Ruhe- und Friedliebenden haßte ihn, weil sich die Beiträge zum Kriege gegen Sparta täglich mehrten, und die Wege ihres Verkehrs verschlossen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0272" n="259"/> und jeder glückliche Vater als Pathe seines Erstgebornen einlud. Um ein Mann des Volks zu werden, durfte man nur zu ihm herabsteigen, befehlen, indem man zu gehorchen schien, und einen Rock tragen, den man sich leicht von dem Geringsten unter der Menge auch hätte borgen können. Aber so schön es ist, an den Fingern einen Ring zu tragen, den uns das Volk am Tage der Verlobung schenkte, so schnell verlischt sein Glanz, oder er wird täglich größer und weiter, daß er uns zuletzt von den Fingern gleitet. Nimm eine simple Weltgeschichte, und wenn es die simpelste von allen, die von Pölitz ist, zur Hand, und lies über die Helden, die einst Männer des Volks genannt und überall von einem Triumphwagen gezogen wurden, dem sich das Volk selbst vorspannte. In einer Nacht war der Triumphbogen aufgerichtet, in der nächsten stand er schon nicht mehr.</p> <p>Wie Perikles ein Mann des Volkes war, so möcht’ ich keiner sein. Die Menge liebt’ ihn nicht einmal aufrichtig. Diejenigen, die unter dem Volke ein Schiff im Hafen hatten, oder ihre Sclaven in der Fabrik brauchten, oder mit Gewürz und Colonialwaaren handelten, die Aristokratie der Ruhe- und Friedliebenden haßte ihn, weil sich die Beiträge zum Kriege gegen Sparta täglich mehrten, und die Wege ihres Verkehrs verschlossen </p> </div> </body> </text> </TEI> [259/0272]
und jeder glückliche Vater als Pathe seines Erstgebornen einlud. Um ein Mann des Volks zu werden, durfte man nur zu ihm herabsteigen, befehlen, indem man zu gehorchen schien, und einen Rock tragen, den man sich leicht von dem Geringsten unter der Menge auch hätte borgen können. Aber so schön es ist, an den Fingern einen Ring zu tragen, den uns das Volk am Tage der Verlobung schenkte, so schnell verlischt sein Glanz, oder er wird täglich größer und weiter, daß er uns zuletzt von den Fingern gleitet. Nimm eine simple Weltgeschichte, und wenn es die simpelste von allen, die von Pölitz ist, zur Hand, und lies über die Helden, die einst Männer des Volks genannt und überall von einem Triumphwagen gezogen wurden, dem sich das Volk selbst vorspannte. In einer Nacht war der Triumphbogen aufgerichtet, in der nächsten stand er schon nicht mehr.
Wie Perikles ein Mann des Volkes war, so möcht’ ich keiner sein. Die Menge liebt’ ihn nicht einmal aufrichtig. Diejenigen, die unter dem Volke ein Schiff im Hafen hatten, oder ihre Sclaven in der Fabrik brauchten, oder mit Gewürz und Colonialwaaren handelten, die Aristokratie der Ruhe- und Friedliebenden haßte ihn, weil sich die Beiträge zum Kriege gegen Sparta täglich mehrten, und die Wege ihres Verkehrs verschlossen
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Zitationshilfe: | [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/272>, abgerufen am 16.02.2025. |