[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.den Gewässern des Mittelmeeres; jenes neue Eiland, die Ferdinands- oder Grahamsinsel, im Namen der deutschen Freiheit in Besitz nehmen, und alle Deine Brüder und Schwestern einladen auf dies großartige Zeugniß ewig dauernder Schöpfung auszuwandern. Doch gewiß ist Dir nicht unbekannt geblieben, daß jener insularische Säugling der Natur vor Kurzem an den Folgen des Besitzergreifungsstreites zwischen England und Neapel, entweder an dem mal de Naples oder an der englischen Krankheit verstorben ist. Dieser Fall hat mich so in Erstaunen versetzt, daß ich mich nicht eher trösten konnte, bis ich Deine Absicht mit mir zu fliehen erfuhr. Da konnt' ich Gottes gütige und weise Vorsicht nicht genug erheben: denn ich gestehe Dir, noch weil' ich gern unter meinen Brüdern. Aber ich weiß nicht, war es das meinem Herzen entströmende Gefühl der Dankbarkeit für seine wunderbare Einmischung, für den bekannten Finger Gottes, oder war es Wehmuth über die geringe Dauer des menschlichen Lebens--ich stand auf und hielt folgende Leichenrede an dem Sarge einer früh gestorbenen Insel: Ihr Berge und Thäler alle, all' Ihr großen Vehikel der Naturgeister, die Ihr jetzt leidtragend an dem kühlen Grabe dieser zur Gruft gesenkten den Gewässern des Mittelmeeres; jenes neue Eiland, die Ferdinands- oder Grahamsinsel, im Namen der deutschen Freiheit in Besitz nehmen, und alle Deine Brüder und Schwestern einladen auf dies großartige Zeugniß ewig dauernder Schöpfung auszuwandern. Doch gewiß ist Dir nicht unbekannt geblieben, daß jener insularische Säugling der Natur vor Kurzem an den Folgen des Besitzergreifungsstreites zwischen England und Neapel, entweder an dem mal de Naples oder an der englischen Krankheit verstorben ist. Dieser Fall hat mich so in Erstaunen versetzt, daß ich mich nicht eher trösten konnte, bis ich Deine Absicht mit mir zu fliehen erfuhr. Da konnt’ ich Gottes gütige und weise Vorsicht nicht genug erheben: denn ich gestehe Dir, noch weil’ ich gern unter meinen Brüdern. Aber ich weiß nicht, war es das meinem Herzen entströmende Gefühl der Dankbarkeit für seine wunderbare Einmischung, für den bekannten Finger Gottes, oder war es Wehmuth über die geringe Dauer des menschlichen Lebens—ich stand auf und hielt folgende Leichenrede an dem Sarge einer früh gestorbenen Insel: Ihr Berge und Thäler alle, all’ Ihr großen Vehikel der Naturgeister, die Ihr jetzt leidtragend an dem kühlen Grabe dieser zur Gruft gesenkten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><ref xml:id="TEXTEinenEroberungszugBISGrahamsinsel" target="BrN3E.htm#ERLEinenEroberungszugBISGrahamsinsel"><pb facs="#f0021" n="8"/> den Gewässern des Mittelmeeres; jenes neue Eiland, die Ferdinands- oder Grahamsinsel</ref>, im Namen der deutschen Freiheit in Besitz nehmen, und alle Deine Brüder und Schwestern einladen auf dies großartige Zeugniß ewig dauernder Schöpfung auszuwandern. Doch gewiß ist Dir nicht unbekannt geblieben, daß jener insularische Säugling der Natur vor Kurzem <ref xml:id="TEXTandenFolgenBISundNeapel" target="BrN3E.htm#ERLandenFolgenBISundNeapel">an den Folgen des Besitzergreifungsstreites zwischen England und Neapel</ref>, entweder an dem <ref xml:id="TEXTmaldeNaples" target="BrN3E.htm#ERLmaldeNaples"><hi rendition="#aq">mal de Naples</hi></ref> oder <ref xml:id="TEXTanderenglischenKrankheit" target="BrN3E.htm#ERLanderenglischenKrankheit">an der englischen Krankheit</ref> verstorben ist. Dieser Fall hat mich so in Erstaunen versetzt, daß ich mich nicht eher trösten konnte, bis ich Deine Absicht mit mir zu fliehen erfuhr. Da konnt’ ich Gottes gütige und weise Vorsicht nicht genug erheben: denn ich gestehe Dir, noch weil’ ich gern unter meinen Brüdern. Aber ich weiß nicht, war es das meinem Herzen entströmende Gefühl der Dankbarkeit für seine wunderbare Einmischung, für den bekannten Finger Gottes, oder war es Wehmuth über die geringe Dauer des menschlichen Lebens—ich stand auf und hielt folgende Leichenrede an dem Sarge einer früh gestorbenen Insel:</p> <p>Ihr Berge und Thäler alle, all’ Ihr großen Vehikel der Naturgeister, die Ihr jetzt leidtragend an dem kühlen Grabe dieser zur Gruft gesenkten </p> </div> </body> </text> </TEI> [8/0021]
den Gewässern des Mittelmeeres; jenes neue Eiland, die Ferdinands- oder Grahamsinsel, im Namen der deutschen Freiheit in Besitz nehmen, und alle Deine Brüder und Schwestern einladen auf dies großartige Zeugniß ewig dauernder Schöpfung auszuwandern. Doch gewiß ist Dir nicht unbekannt geblieben, daß jener insularische Säugling der Natur vor Kurzem an den Folgen des Besitzergreifungsstreites zwischen England und Neapel, entweder an dem mal de Naples oder an der englischen Krankheit verstorben ist. Dieser Fall hat mich so in Erstaunen versetzt, daß ich mich nicht eher trösten konnte, bis ich Deine Absicht mit mir zu fliehen erfuhr. Da konnt’ ich Gottes gütige und weise Vorsicht nicht genug erheben: denn ich gestehe Dir, noch weil’ ich gern unter meinen Brüdern. Aber ich weiß nicht, war es das meinem Herzen entströmende Gefühl der Dankbarkeit für seine wunderbare Einmischung, für den bekannten Finger Gottes, oder war es Wehmuth über die geringe Dauer des menschlichen Lebens—ich stand auf und hielt folgende Leichenrede an dem Sarge einer früh gestorbenen Insel:
Ihr Berge und Thäler alle, all’ Ihr großen Vehikel der Naturgeister, die Ihr jetzt leidtragend an dem kühlen Grabe dieser zur Gruft gesenkten
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Zitationshilfe: | [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/21>, abgerufen am 22.07.2024. |