Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

Punkt da in weiter, blauer Ferne, ist das vielleicht eine Burg? Geliebte, eine Burg? Ohne Burgen kann ich nicht leben, ohne Burgen keine Poesie und ohne Poesie kein Leben. Darum erklär' ich mich auch unbedingt mit Walter Scott gegen die Reform, ich halte den Mann für die letzte Stütze der Romantik, er und sie fallen aber mit den Burgen.

Wenn die Reformbill siegt, so ist es mit der Poesie vorbei. Diese braucht die verfallenen Flecken, jene hat ihnen den Untergang geschworen. Sinkt die Aristokratie, so gelten auch die Sitze ihrer Väter nichts mehr. Sie selbst wird dann eilen, Meiereien und Fabriken auf ihren Trümmern anzulegen. Die Erinnerung der Vergangenheit -- und das ist alle Romantik -- beweist für die Gegenwart nichts mehr, für die Gedanken der Zukunft wird diese selbst sorgen. Die Lumpen der Fabrikarbeiter in Manchester und Birmingham sollen künftig die Rolle spielen, die bis jetzt nur der Seide und dem Hermelin zugetheilt war. Der Irrthum, daß der Mensch immer so groß ist, als die Scholle Landes, die er besitzt, ist jetzt erwiesen. Darum wird mit dem Ansehen des Adels auch seine ungeheuere Ländermasse zerfallen. Das Bedürfniß ist jener tribunus plebis, der die neue lex agraria vorschlägt, da es keinen Senat mehr geben wird, da man weiß, wem es gegolten hat,

Punkt da in weiter, blauer Ferne, ist das vielleicht eine Burg? Geliebte, eine Burg? Ohne Burgen kann ich nicht leben, ohne Burgen keine Poesie und ohne Poesie kein Leben. Darum erklär’ ich mich auch unbedingt mit Walter Scott gegen die Reform, ich halte den Mann für die letzte Stütze der Romantik, er und sie fallen aber mit den Burgen.

Wenn die Reformbill siegt, so ist es mit der Poesie vorbei. Diese braucht die verfallenen Flecken, jene hat ihnen den Untergang geschworen. Sinkt die Aristokratie, so gelten auch die Sitze ihrer Väter nichts mehr. Sie selbst wird dann eilen, Meiereien und Fabriken auf ihren Trümmern anzulegen. Die Erinnerung der Vergangenheit — und das ist alle Romantik — beweist für die Gegenwart nichts mehr, für die Gedanken der Zukunft wird diese selbst sorgen. Die Lumpen der Fabrikarbeiter in Manchester und Birmingham sollen künftig die Rolle spielen, die bis jetzt nur der Seide und dem Hermelin zugetheilt war. Der Irrthum, daß der Mensch immer so groß ist, als die Scholle Landes, die er besitzt, ist jetzt erwiesen. Darum wird mit dem Ansehen des Adels auch seine ungeheuere Ländermasse zerfallen. Das Bedürfniß ist jener tribunus plebis, der die neue lex agraria vorschlägt, da es keinen Senat mehr geben wird, da man weiß, wem es gegolten hat,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0133" n="120"/>
Punkt da in weiter, blauer Ferne, ist das vielleicht eine Burg? Geliebte, eine Burg? Ohne Burgen kann ich nicht leben, ohne Burgen keine Poesie und ohne Poesie kein Leben. Darum erklär&#x2019; ich mich auch unbedingt mit Walter Scott gegen die Reform, ich halte den Mann für die letzte Stütze der Romantik, er und sie fallen aber mit den Burgen.</p>
        <p>Wenn die Reformbill siegt, so ist es mit der Poesie vorbei. Diese braucht die verfallenen Flecken, jene hat ihnen den Untergang geschworen. Sinkt die Aristokratie, so gelten auch die Sitze ihrer Väter nichts mehr. Sie selbst wird dann eilen, Meiereien und Fabriken auf ihren Trümmern anzulegen. Die Erinnerung der Vergangenheit &#x2014; und das ist alle Romantik &#x2014; beweist für die Gegenwart nichts mehr, für die Gedanken der Zukunft wird diese selbst sorgen. Die Lumpen der Fabrikarbeiter in Manchester und Birmingham sollen künftig die Rolle spielen, die bis jetzt nur der Seide und dem Hermelin zugetheilt war. Der Irrthum, daß der Mensch immer so groß ist, als die Scholle Landes, die er besitzt, ist jetzt erwiesen. Darum wird mit dem Ansehen des Adels auch seine ungeheuere Ländermasse zerfallen. Das Bedürfniß ist jener <hi rendition="#aq">tribunus plebis</hi>, der die neue <hi rendition="#aq">lex agraria</hi> vorschlägt, da es keinen Senat mehr geben wird, da man weiß, wem es gegolten hat,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[120/0133] Punkt da in weiter, blauer Ferne, ist das vielleicht eine Burg? Geliebte, eine Burg? Ohne Burgen kann ich nicht leben, ohne Burgen keine Poesie und ohne Poesie kein Leben. Darum erklär’ ich mich auch unbedingt mit Walter Scott gegen die Reform, ich halte den Mann für die letzte Stütze der Romantik, er und sie fallen aber mit den Burgen. Wenn die Reformbill siegt, so ist es mit der Poesie vorbei. Diese braucht die verfallenen Flecken, jene hat ihnen den Untergang geschworen. Sinkt die Aristokratie, so gelten auch die Sitze ihrer Väter nichts mehr. Sie selbst wird dann eilen, Meiereien und Fabriken auf ihren Trümmern anzulegen. Die Erinnerung der Vergangenheit — und das ist alle Romantik — beweist für die Gegenwart nichts mehr, für die Gedanken der Zukunft wird diese selbst sorgen. Die Lumpen der Fabrikarbeiter in Manchester und Birmingham sollen künftig die Rolle spielen, die bis jetzt nur der Seide und dem Hermelin zugetheilt war. Der Irrthum, daß der Mensch immer so groß ist, als die Scholle Landes, die er besitzt, ist jetzt erwiesen. Darum wird mit dem Ansehen des Adels auch seine ungeheuere Ländermasse zerfallen. Das Bedürfniß ist jener tribunus plebis, der die neue lex agraria vorschlägt, da es keinen Senat mehr geben wird, da man weiß, wem es gegolten hat,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax des Gutzkow Editionsprojekts. (2013-07-01T14:33:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus dem Gutzkow Editionsprojekt entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-01T14:33:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung vom Markup des Gutzkow Editionsprojekts nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-07-01T14:33:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Gutzkow Editionsprojekt:Editionsprinzipien
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Zeilenumbrüche innerhalb eines Absatzes werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Anmerkungen und Erläuterungen der Herausgeber der Gutzkow-Edition sind im XML mit <ref target="[Ziel]">...</ref> wiedergegeben. [Ziel] benennt die HTM-Datei und den Abschnitt der jeweiligen Erläuterung auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.
  • Druckfehler und andere Fehler der Vorlage wurden in der Transkription behoben. Zu den hierbei vorgenommenen Textänderungen und zu problematischen Textstellen siehe Abschnitt 2.1.1: Textänderungen auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/133
Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/133>, abgerufen am 23.11.2024.