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[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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Ueber Berge und Thäler werd' ich wandern und Ihre Spuren suchen.

Jede Blume am Bache, jeder Vogel in der Luft wird mir Ihre wonnige Nähe verkünden. Gleichviel, ob Sie zu Haus bleiben oder mir entgegenkommen, nur suchen Sie mich nicht. Denn dann könnten wir uns Beide wieder nicht finden. Wo Sie eine helle Quelle sprudeln sehen, oder eine Blume duftet, wo in der blauen Luft die Lerche jubelt oder eine Glocke schallt, das soll immer das Zeichen Ihrer Nähe sein. Ich weiß gewiß, Ihr mildes Engelsantlitz wird mir dann hinter Rosen bald einen freundlichen Gruß zuwinken.

Sehen Sie, es ist mir so, als stände ich auf einem kahlen Hügel, und zu meinen Füßen säh' ich ein liebliches Thal ausgebreitet. Grüne Wiesen und blaue Bäche, Weiden und weiße Birken und in der Ferne des Horizontes unten am Rande des Thals ein grüner Eichenkranz. Und da gehen Sie, und suchen Blumen im Klee und blaue Vergißmeinnicht. Und ich kann nicht zu Ihnen; denn der Hügel hat kein Ende, und an diesem Ende, das ich nicht finden kann, ist doch immer erst der Anfang des Thales. Sie klagen, es ginge Ihnen auch so, Sie könnten nicht zu mir hinauf, das Thal sei unermeßlich, und der Hügel fange doch erst da an, wo jenes aufhöre! Haben wir

Ueber Berge und Thäler werd’ ich wandern und Ihre Spuren suchen.

Jede Blume am Bache, jeder Vogel in der Luft wird mir Ihre wonnige Nähe verkünden. Gleichviel, ob Sie zu Haus bleiben oder mir entgegenkommen, nur suchen Sie mich nicht. Denn dann könnten wir uns Beide wieder nicht finden. Wo Sie eine helle Quelle sprudeln sehen, oder eine Blume duftet, wo in der blauen Luft die Lerche jubelt oder eine Glocke schallt, das soll immer das Zeichen Ihrer Nähe sein. Ich weiß gewiß, Ihr mildes Engelsantlitz wird mir dann hinter Rosen bald einen freundlichen Gruß zuwinken.

Sehen Sie, es ist mir so, als stände ich auf einem kahlen Hügel, und zu meinen Füßen säh’ ich ein liebliches Thal ausgebreitet. Grüne Wiesen und blaue Bäche, Weiden und weiße Birken und in der Ferne des Horizontes unten am Rande des Thals ein grüner Eichenkranz. Und da gehen Sie, und suchen Blumen im Klee und blaue Vergißmeinnicht. Und ich kann nicht zu Ihnen; denn der Hügel hat kein Ende, und an diesem Ende, das ich nicht finden kann, ist doch immer erst der Anfang des Thales. Sie klagen, es ginge Ihnen auch so, Sie könnten nicht zu mir hinauf, das Thal sei unermeßlich, und der Hügel fange doch erst da an, wo jenes aufhöre! Haben wir

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[95/0108] Ueber Berge und Thäler werd’ ich wandern und Ihre Spuren suchen. Jede Blume am Bache, jeder Vogel in der Luft wird mir Ihre wonnige Nähe verkünden. Gleichviel, ob Sie zu Haus bleiben oder mir entgegenkommen, nur suchen Sie mich nicht. Denn dann könnten wir uns Beide wieder nicht finden. Wo Sie eine helle Quelle sprudeln sehen, oder eine Blume duftet, wo in der blauen Luft die Lerche jubelt oder eine Glocke schallt, das soll immer das Zeichen Ihrer Nähe sein. Ich weiß gewiß, Ihr mildes Engelsantlitz wird mir dann hinter Rosen bald einen freundlichen Gruß zuwinken. Sehen Sie, es ist mir so, als stände ich auf einem kahlen Hügel, und zu meinen Füßen säh’ ich ein liebliches Thal ausgebreitet. Grüne Wiesen und blaue Bäche, Weiden und weiße Birken und in der Ferne des Horizontes unten am Rande des Thals ein grüner Eichenkranz. Und da gehen Sie, und suchen Blumen im Klee und blaue Vergißmeinnicht. Und ich kann nicht zu Ihnen; denn der Hügel hat kein Ende, und an diesem Ende, das ich nicht finden kann, ist doch immer erst der Anfang des Thales. Sie klagen, es ginge Ihnen auch so, Sie könnten nicht zu mir hinauf, das Thal sei unermeßlich, und der Hügel fange doch erst da an, wo jenes aufhöre! Haben wir

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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/108>, abgerufen am 21.11.2024.