Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

Sammet und Seide, als zum Ersatz nöthig ist. Das ist der Glaube der argen Zeit.

An Plato's Republik lobe ich mir nur zwei Dinge. Ein entdeckter guter Stoff zu einem humoristischen Romane, und die Annäherung an den St. Simonismus.

Die Frauen wollen keine Engel mehr sein, sie wollen Menschen werden. Ihr Mund soll nicht zum Küssen, zu leisem Liebesgeflüster, sondern zur politischen Beredtsamkeit geformt sein. Da sie ihn nun aber nie öffnen können, ohne den Mann mit süßem Zauber zu bestricken, so steht davon mehr zu erwarten, als selbst die Londoner Conferenz als europäisches Amphiktyonengericht zu leisten vermag. Kommt es zum Kriege, so gehen die französischen Damen den Russen bis an den Rhein entgegen. Liebreiz und Anmuth, kriegerischer Adel und männlicher Stolz werden die schönsten Ingredienzien zu Romanen sein, die die deutsche Gränze entlang sich anlegen, entwickeln und mit allgemeiner Entsagung und Entwaffnung schließen werden. So die Simonisten. So auch Plato, nur weniger zärtlich, mehr preußisch. Die Frauen sollen bei ihm nicht nur ihren Landwehrmännern das Essen auf die Wache bringen, sondern während der Mahlzeit selbst das Gewehr ergreifen, und in Reihe und Glied treten.

Sammet und Seide, als zum Ersatz nöthig ist. Das ist der Glaube der argen Zeit.

An Plato’s Republik lobe ich mir nur zwei Dinge. Ein entdeckter guter Stoff zu einem humoristischen Romane, und die Annäherung an den St. Simonismus.

Die Frauen wollen keine Engel mehr sein, sie wollen Menschen werden. Ihr Mund soll nicht zum Küssen, zu leisem Liebesgeflüster, sondern zur politischen Beredtsamkeit geformt sein. Da sie ihn nun aber nie öffnen können, ohne den Mann mit süßem Zauber zu bestricken, so steht davon mehr zu erwarten, als selbst die Londoner Conferenz als europäisches Amphiktyonengericht zu leisten vermag. Kommt es zum Kriege, so gehen die französischen Damen den Russen bis an den Rhein entgegen. Liebreiz und Anmuth, kriegerischer Adel und männlicher Stolz werden die schönsten Ingredienzien zu Romanen sein, die die deutsche Gränze entlang sich anlegen, entwickeln und mit allgemeiner Entsagung und Entwaffnung schließen werden. So die Simonisten. So auch Plato, nur weniger zärtlich, mehr preußisch. Die Frauen sollen bei ihm nicht nur ihren Landwehrmännern das Essen auf die Wache bringen, sondern während der Mahlzeit selbst das Gewehr ergreifen, und in Reihe und Glied treten.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0106" n="93"/>
Sammet und Seide, als zum Ersatz nöthig ist. Das ist der Glaube der argen Zeit.</p>
        <p>An Plato&#x2019;s Republik lobe ich mir nur zwei Dinge. Ein entdeckter guter Stoff zu einem humoristischen Romane, und die Annäherung an den St. Simonismus.</p>
        <p>Die Frauen wollen keine Engel mehr sein, sie wollen Menschen werden. Ihr Mund soll nicht zum Küssen, zu leisem Liebesgeflüster, sondern zur politischen Beredtsamkeit geformt sein. Da sie ihn nun aber nie öffnen können, ohne den Mann mit süßem Zauber zu bestricken, so steht davon mehr zu erwarten, als selbst <ref xml:id="TEXTdieLondonerConferenz" target="BrN4E.htm#ERLdieLondonerConferenz">die Londoner Conferenz</ref> als europäisches <ref xml:id="TEXTAmphiktyonengericht" target="BrN4E.htm#ERLAmphiktyonengericht">Amphiktyonengericht</ref> zu leisten vermag. Kommt es zum Kriege, so gehen die französischen Damen den Russen bis an den Rhein entgegen. Liebreiz und Anmuth, kriegerischer Adel und männlicher Stolz werden die schönsten Ingredienzien zu Romanen sein, die die deutsche Gränze entlang sich anlegen, entwickeln und mit allgemeiner Entsagung und Entwaffnung schließen werden. So <ref xml:id="TEXTdieSimonisten" target="BrN4E.htm#ERLdieSimonisten">die Simonisten</ref>. So auch Plato, nur weniger zärtlich, mehr preußisch. Die Frauen sollen bei ihm nicht nur ihren Landwehrmännern das Essen auf die Wache bringen, sondern während der Mahlzeit selbst das Gewehr ergreifen, und in Reihe und Glied treten.</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[93/0106] Sammet und Seide, als zum Ersatz nöthig ist. Das ist der Glaube der argen Zeit. An Plato’s Republik lobe ich mir nur zwei Dinge. Ein entdeckter guter Stoff zu einem humoristischen Romane, und die Annäherung an den St. Simonismus. Die Frauen wollen keine Engel mehr sein, sie wollen Menschen werden. Ihr Mund soll nicht zum Küssen, zu leisem Liebesgeflüster, sondern zur politischen Beredtsamkeit geformt sein. Da sie ihn nun aber nie öffnen können, ohne den Mann mit süßem Zauber zu bestricken, so steht davon mehr zu erwarten, als selbst die Londoner Conferenz als europäisches Amphiktyonengericht zu leisten vermag. Kommt es zum Kriege, so gehen die französischen Damen den Russen bis an den Rhein entgegen. Liebreiz und Anmuth, kriegerischer Adel und männlicher Stolz werden die schönsten Ingredienzien zu Romanen sein, die die deutsche Gränze entlang sich anlegen, entwickeln und mit allgemeiner Entsagung und Entwaffnung schließen werden. So die Simonisten. So auch Plato, nur weniger zärtlich, mehr preußisch. Die Frauen sollen bei ihm nicht nur ihren Landwehrmännern das Essen auf die Wache bringen, sondern während der Mahlzeit selbst das Gewehr ergreifen, und in Reihe und Glied treten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax des Gutzkow Editionsprojekts. (2013-07-01T14:33:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus dem Gutzkow Editionsprojekt entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-01T14:33:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung vom Markup des Gutzkow Editionsprojekts nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-07-01T14:33:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Gutzkow Editionsprojekt:Editionsprinzipien
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Zeilenumbrüche innerhalb eines Absatzes werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Anmerkungen und Erläuterungen der Herausgeber der Gutzkow-Edition sind im XML mit <ref target="[Ziel]">...</ref> wiedergegeben. [Ziel] benennt die HTM-Datei und den Abschnitt der jeweiligen Erläuterung auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.
  • Druckfehler und andere Fehler der Vorlage wurden in der Transkription behoben. Zu den hierbei vorgenommenen Textänderungen und zu problematischen Textstellen siehe Abschnitt 2.1.1: Textänderungen auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/106
Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/106>, abgerufen am 27.11.2024.