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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.

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Chateaubriand.
über Alles. Er warf den Ritter von sich, und wollte
nur theilnehmender Menschenfreund sein. Er machte
sich anheischig, nach Blaye zu kommen, und selber die
Wiege zu treten. Die Dinge waren so zu sagen auf
den Punkt gekommen, daß Kölnisches Wasser mehr
nützte als der Kölner Dom; das sah Chateaubriand
ein, und wurde von nun an der Commis Voyageur
der Gräfin Lucchesi Palli, der auf ihre Rechnung
reiste. Er war bald hier, bald dort: er betrieb die
Aussöhnung der unglücklichen Gefallenen mit ihrer Fa¬
milie. Er kam nach Prag, wo ihn Niemand mochte.
Er flehte, er betheuerte, er schwur: es half Alles nichts:
auf dem Hradschin wohnte nur die Tugend: Chateau¬
briand sank immer tiefer: er wurde von der Ungnade
beungnadigt.

Jetzt war das Stück aus, der Vorhang fiel und
Chateaubriand legte sich selbst ein rührendes Schweigen
auf. Er schreibt in diesem Augenblicke seine Memoi¬
ren, und läßt in dem öden Theater von Versailles,
vor einem Publikum, das aus Paris auf zwei Zeisel¬
wagen ankam, seine Tragödien aufführen. Möchten
ihm seine Freunde dis Wagniß abrathen! Er verdient
es wahrlich nicht, daß man zuletzt bei seinem Namen
wohl noch gähnt!

Gutzkow's öffentl. Char. 6

Chateaubriand.
uͤber Alles. Er warf den Ritter von ſich, und wollte
nur theilnehmender Menſchenfreund ſein. Er machte
ſich anheiſchig, nach Blaye zu kommen, und ſelber die
Wiege zu treten. Die Dinge waren ſo zu ſagen auf
den Punkt gekommen, daß Koͤlniſches Waſſer mehr
nuͤtzte als der Koͤlner Dom; das ſah Chateaubriand
ein, und wurde von nun an der Commis Voyageur
der Graͤfin Luccheſi Palli, der auf ihre Rechnung
reiſte. Er war bald hier, bald dort: er betrieb die
Ausſoͤhnung der ungluͤcklichen Gefallenen mit ihrer Fa¬
milie. Er kam nach Prag, wo ihn Niemand mochte.
Er flehte, er betheuerte, er ſchwur: es half Alles nichts:
auf dem Hradſchin wohnte nur die Tugend: Chateau¬
briand ſank immer tiefer: er wurde von der Ungnade
beungnadigt.

Jetzt war das Stuͤck aus, der Vorhang fiel und
Chateaubriand legte ſich ſelbſt ein ruͤhrendes Schweigen
auf. Er ſchreibt in dieſem Augenblicke ſeine Memoi¬
ren, und laͤßt in dem oͤden Theater von Verſailles,
vor einem Publikum, das aus Paris auf zwei Zeiſel¬
wagen ankam, ſeine Tragoͤdien auffuͤhren. Moͤchten
ihm ſeine Freunde dis Wagniß abrathen! Er verdient
es wahrlich nicht, daß man zuletzt bei ſeinem Namen
wohl noch gaͤhnt!

Gutzkow's öffentl. Char. 6
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[81/0099] Chateaubriand. uͤber Alles. Er warf den Ritter von ſich, und wollte nur theilnehmender Menſchenfreund ſein. Er machte ſich anheiſchig, nach Blaye zu kommen, und ſelber die Wiege zu treten. Die Dinge waren ſo zu ſagen auf den Punkt gekommen, daß Koͤlniſches Waſſer mehr nuͤtzte als der Koͤlner Dom; das ſah Chateaubriand ein, und wurde von nun an der Commis Voyageur der Graͤfin Luccheſi Palli, der auf ihre Rechnung reiſte. Er war bald hier, bald dort: er betrieb die Ausſoͤhnung der ungluͤcklichen Gefallenen mit ihrer Fa¬ milie. Er kam nach Prag, wo ihn Niemand mochte. Er flehte, er betheuerte, er ſchwur: es half Alles nichts: auf dem Hradſchin wohnte nur die Tugend: Chateau¬ briand ſank immer tiefer: er wurde von der Ungnade beungnadigt. Jetzt war das Stuͤck aus, der Vorhang fiel und Chateaubriand legte ſich ſelbſt ein ruͤhrendes Schweigen auf. Er ſchreibt in dieſem Augenblicke ſeine Memoi¬ ren, und laͤßt in dem oͤden Theater von Verſailles, vor einem Publikum, das aus Paris auf zwei Zeiſel¬ wagen ankam, ſeine Tragoͤdien auffuͤhren. Moͤchten ihm ſeine Freunde dis Wagniß abrathen! Er verdient es wahrlich nicht, daß man zuletzt bei ſeinem Namen wohl noch gaͤhnt! Gutzkow's öffentl. Char. 6

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/99>, abgerufen am 25.11.2024.