heimlich Verlegenheiten zu schaffen, aus welchen sie sich nur durch eine gute Anzahl Piasterbeutel loskau¬ fen konnten.
Inzwischen sorgte Mahmud für eine gute Polizei in seiner Hauptstadt, und übte dabei eine krampfhafte, despotische Gerechtigkeit aus, mit der er den Euro¬ päern imponiren wollte. Den kleinsten Wortwechsel eines Soldaten mit einem Gesandtschafts-Bedienten aus Pera, strafte er durch den Tod, und strich sich stolz den Bart, wenn der beschwerdeführende Gesandte über diese Genugthuung fast erschrak. Den Rest seiner Zeit brachte er mit kalligraphischen Uebungen hin; er schrieb selber seine Hattischerifs und entwarf sich ein Tagebuch, worin er niederschrieb, daß er schreibe.
Aber es wurde des Lobes und Preises seiner selbst so viel, daß er sich entschloß, in das Geheimniß seiner Kunst einen Menschen hineinzuziehen, der aber nichts davon verstehen mußte. Es fiel ihm ein, daß er Je¬ manden haben mußte, der seine Scripturen sammelte und aufbewahrte; da fragte er seinen Barbier, ob er lesen und schreiben könnte. Die Verneinung war ihm recht, und seither nahm er seinen Barbier zum gehei¬ men Archivar. Dieser in vertraulicher Stunde gestand
Der Sultan.
heimlich Verlegenheiten zu ſchaffen, aus welchen ſie ſich nur durch eine gute Anzahl Piaſterbeutel loskau¬ fen konnten.
Inzwiſchen ſorgte Mahmud fuͤr eine gute Polizei in ſeiner Hauptſtadt, und uͤbte dabei eine krampfhafte, despotiſche Gerechtigkeit aus, mit der er den Euro¬ paͤern imponiren wollte. Den kleinſten Wortwechſel eines Soldaten mit einem Geſandtſchafts-Bedienten aus Pera, ſtrafte er durch den Tod, und ſtrich ſich ſtolz den Bart, wenn der beſchwerdefuͤhrende Geſandte uͤber dieſe Genugthuung faſt erſchrak. Den Reſt ſeiner Zeit brachte er mit kalligraphiſchen Uebungen hin; er ſchrieb ſelber ſeine Hattiſcherifs und entwarf ſich ein Tagebuch, worin er niederſchrieb, daß er ſchreibe.
Aber es wurde des Lobes und Preiſes ſeiner ſelbſt ſo viel, daß er ſich entſchloß, in das Geheimniß ſeiner Kunſt einen Menſchen hineinzuziehen, der aber nichts davon verſtehen mußte. Es fiel ihm ein, daß er Je¬ manden haben mußte, der ſeine Scripturen ſammelte und aufbewahrte; da fragte er ſeinen Barbier, ob er leſen und ſchreiben koͤnnte. Die Verneinung war ihm recht, und ſeither nahm er ſeinen Barbier zum gehei¬ men Archivar. Dieſer in vertraulicher Stunde geſtand
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Der Sultan.
heimlich Verlegenheiten zu ſchaffen, aus welchen ſie
ſich nur durch eine gute Anzahl Piaſterbeutel loskau¬
fen konnten.
Inzwiſchen ſorgte Mahmud fuͤr eine gute Polizei
in ſeiner Hauptſtadt, und uͤbte dabei eine krampfhafte,
despotiſche Gerechtigkeit aus, mit der er den Euro¬
paͤern imponiren wollte. Den kleinſten Wortwechſel
eines Soldaten mit einem Geſandtſchafts-Bedienten
aus Pera, ſtrafte er durch den Tod, und ſtrich ſich
ſtolz den Bart, wenn der beſchwerdefuͤhrende Geſandte
uͤber dieſe Genugthuung faſt erſchrak. Den Reſt
ſeiner Zeit brachte er mit kalligraphiſchen Uebungen
hin; er ſchrieb ſelber ſeine Hattiſcherifs und entwarf
ſich ein Tagebuch, worin er niederſchrieb, daß er
ſchreibe.
Aber es wurde des Lobes und Preiſes ſeiner ſelbſt
ſo viel, daß er ſich entſchloß, in das Geheimniß ſeiner
Kunſt einen Menſchen hineinzuziehen, der aber nichts
davon verſtehen mußte. Es fiel ihm ein, daß er Je¬
manden haben mußte, der ſeine Scripturen ſammelte
und aufbewahrte; da fragte er ſeinen Barbier, ob er
leſen und ſchreiben koͤnnte. Die Verneinung war ihm
recht, und ſeither nahm er ſeinen Barbier zum gehei¬
men Archivar. Dieſer in vertraulicher Stunde geſtand
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie angelegten Reflexionen über "Öffentliche Charaktere" in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erscheinen. In Buchform erschien ein erster Band 1835 bei Hoffmann und Campe in Hamburg. Zur Publikation der weiteren geplanten Teile kam es nicht.
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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/338>, abgerufen am 29.07.2024.
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