Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.Talleyrand. Talleyrand kehrte zurück; Frau v. Stael und die Ko¬terie jubelten, daß die neue Meinung nun nicht mehr des Glanzes der alten guillotinirten oder emigrirten Herrschaft entbehren sollte. Carnot verachtete ihn, doch Talleyrand wußte, welche Rolle er zu spielen hatte. Er besuchte die Clubbs und die Salons. Sein Beneh¬ men war ein Wechselspiel republikanischer Urtheile und royalistischer Manieren. Man bewunderte ihn; denn das Bedürfniß nach Ruhe und Anstand überwog. Das Direktorium hatte sein Wohlgefallen an ihm. Nach¬ dem Talleyrand durch die schwache ungesicherte Gegen¬ wart zum Minister der auswärtigen Angelegenheiten erhoben war, begann er, an eine starke, vorhaltende Zukunft zu denken. Seine Augen fielen auf den jun¬ gen General Bonaparte, dessen Ehrgeiz eben so feurig war, als damals seine Liebe zu Josephine Beauhar¬ nois. Talleyrand machte für beide den Unterhändler; denn dem Ehrgeize traute er Frankreich an. Er ver¬ anlaßte die italienischen Siege und die große ägyptische Cavalcade; er wußte, daß sich Frankreich zwar noch von keinem Herrscher, aber von dem Ruhm würde regieren lassen, und gewann für seinen Günstling so viel Bun¬ desgenossen, daß die hochverrätherischen Bajonnette des 18. Brümaire für eine Wohlthat angesehen wurden. Talleyrand. Talleyrand kehrte zuruͤck; Frau v. Stael und die Ko¬terie jubelten, daß die neue Meinung nun nicht mehr des Glanzes der alten guillotinirten oder emigrirten Herrſchaft entbehren ſollte. Carnot verachtete ihn, doch Talleyrand wußte, welche Rolle er zu ſpielen hatte. Er beſuchte die Clubbs und die Salons. Sein Beneh¬ men war ein Wechſelſpiel republikaniſcher Urtheile und royaliſtiſcher Manieren. Man bewunderte ihn; denn das Beduͤrfniß nach Ruhe und Anſtand uͤberwog. Das Direktorium hatte ſein Wohlgefallen an ihm. Nach¬ dem Talleyrand durch die ſchwache ungeſicherte Gegen¬ wart zum Miniſter der auswaͤrtigen Angelegenheiten erhoben war, begann er, an eine ſtarke, vorhaltende Zukunft zu denken. Seine Augen fielen auf den jun¬ gen General Bonaparte, deſſen Ehrgeiz eben ſo feurig war, als damals ſeine Liebe zu Joſephine Beauhar¬ nois. Talleyrand machte fuͤr beide den Unterhaͤndler; denn dem Ehrgeize traute er Frankreich an. Er ver¬ anlaßte die italieniſchen Siege und die große aͤgyptiſche Cavalcade; er wußte, daß ſich Frankreich zwar noch von keinem Herrſcher, aber von dem Ruhm wuͤrde regieren laſſen, und gewann fuͤr ſeinen Guͤnſtling ſo viel Bun¬ desgenoſſen, daß die hochverraͤtheriſchen Bajonnette des 18. Bruͤmaire fuͤr eine Wohlthat angeſehen wurden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0029" n="11"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Talleyrand</hi>.<lb/></fw> Talleyrand kehrte zuruͤck; Frau v. Stael und die Ko¬<lb/> terie jubelten, daß die neue Meinung nun nicht mehr<lb/> des Glanzes der alten guillotinirten oder emigrirten<lb/> Herrſchaft entbehren ſollte. Carnot verachtete ihn, doch<lb/> Talleyrand wußte, welche Rolle er zu ſpielen hatte. Er<lb/> beſuchte die Clubbs und die Salons. Sein Beneh¬<lb/> men war ein Wechſelſpiel republikaniſcher Urtheile und<lb/> royaliſtiſcher Manieren. Man bewunderte ihn; denn<lb/> das Beduͤrfniß nach Ruhe und Anſtand uͤberwog. Das<lb/> Direktorium hatte ſein Wohlgefallen an ihm. Nach¬<lb/> dem Talleyrand durch die ſchwache ungeſicherte Gegen¬<lb/> wart zum Miniſter der auswaͤrtigen Angelegenheiten<lb/> erhoben war, begann er, an eine ſtarke, vorhaltende<lb/> Zukunft zu denken. Seine Augen fielen auf den jun¬<lb/> gen General Bonaparte, deſſen Ehrgeiz eben ſo feurig<lb/> war, als damals ſeine Liebe zu Joſephine Beauhar¬<lb/> nois. Talleyrand machte fuͤr beide den Unterhaͤndler;<lb/> denn dem Ehrgeize traute er Frankreich an. Er ver¬<lb/> anlaßte die italieniſchen Siege und die große aͤgyptiſche<lb/><hi rendition="#aq">Cavalcade</hi>; er wußte, daß ſich Frankreich zwar noch von<lb/> keinem Herrſcher, aber von dem Ruhm wuͤrde regieren<lb/> laſſen, und gewann fuͤr ſeinen Guͤnſtling ſo viel Bun¬<lb/> desgenoſſen, daß die hochverraͤtheriſchen Bajonnette des<lb/> 18. Bruͤmaire fuͤr eine Wohlthat angeſehen wurden.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [11/0029]
Talleyrand.
Talleyrand kehrte zuruͤck; Frau v. Stael und die Ko¬
terie jubelten, daß die neue Meinung nun nicht mehr
des Glanzes der alten guillotinirten oder emigrirten
Herrſchaft entbehren ſollte. Carnot verachtete ihn, doch
Talleyrand wußte, welche Rolle er zu ſpielen hatte. Er
beſuchte die Clubbs und die Salons. Sein Beneh¬
men war ein Wechſelſpiel republikaniſcher Urtheile und
royaliſtiſcher Manieren. Man bewunderte ihn; denn
das Beduͤrfniß nach Ruhe und Anſtand uͤberwog. Das
Direktorium hatte ſein Wohlgefallen an ihm. Nach¬
dem Talleyrand durch die ſchwache ungeſicherte Gegen¬
wart zum Miniſter der auswaͤrtigen Angelegenheiten
erhoben war, begann er, an eine ſtarke, vorhaltende
Zukunft zu denken. Seine Augen fielen auf den jun¬
gen General Bonaparte, deſſen Ehrgeiz eben ſo feurig
war, als damals ſeine Liebe zu Joſephine Beauhar¬
nois. Talleyrand machte fuͤr beide den Unterhaͤndler;
denn dem Ehrgeize traute er Frankreich an. Er ver¬
anlaßte die italieniſchen Siege und die große aͤgyptiſche
Cavalcade; er wußte, daß ſich Frankreich zwar noch von
keinem Herrſcher, aber von dem Ruhm wuͤrde regieren
laſſen, und gewann fuͤr ſeinen Guͤnſtling ſo viel Bun¬
desgenoſſen, daß die hochverraͤtheriſchen Bajonnette des
18. Bruͤmaire fuͤr eine Wohlthat angeſehen wurden.
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/29>, abgerufen am 29.07.2024. |