ren gelassen hatte; und in Berlin erhob sich die He¬ gelsche Lehre mit so vielem Glücke, daß Alles über Seyn und Nichts philosophirte. Es war die Herrschaft des Hegelschen Sammtbaretts.
Jung und Alt that es der Mode nach; man fing an, sich als sich selbst zu setzen; sich zu negiren, dann sich wieder zu vermitteln, und dis logische Kopfüber et¬ was lange fortzusetzen, ehe man wieder zu sich selbst zurückkehrte.
Ancillon nahm seine Modifikationen der Jakobischen Philosophie wieder auf. Ancillons Resultate haben keinen systematischen, wohl aber einen polemisch-nega¬ tiven Werth. Er nahm die Existenzen unter das Prisma der Vernunft, und begnügte sich damit, die mannichfache Strahlenbrechung desselben wiederzugeben und die Farbenschattirungen zu verfolgen. Ancillon's Prinzip ist das der Wechselseitigkeit in der Methode; er wägt die verschiedenen Erscheinungen der Existenzen ab, und findet die Wahrheit gleichsam in einem ju¬ ristischen Prozeß, in der wechselseitigen Gerechtigkeit des Einen gegen das Andere. Was bei Jakobi unmittel¬ barer Glaube ist, das fixirt Ancillon als einen intellek¬ tuellen Instinkt, welcher durch mannichfache Bewußt¬
Ancillon.
ren gelaſſen hatte; und in Berlin erhob ſich die He¬ gelſche Lehre mit ſo vielem Gluͤcke, daß Alles uͤber Seyn und Nichts philoſophirte. Es war die Herrſchaft des Hegelſchen Sammtbaretts.
Jung und Alt that es der Mode nach; man fing an, ſich als ſich ſelbſt zu ſetzen; ſich zu negiren, dann ſich wieder zu vermitteln, und dis logiſche Kopfuͤber et¬ was lange fortzuſetzen, ehe man wieder zu ſich ſelbſt zuruͤckkehrte.
Ancillon nahm ſeine Modifikationen der Jakobiſchen Philoſophie wieder auf. Ancillons Reſultate haben keinen ſyſtematiſchen, wohl aber einen polemiſch-nega¬ tiven Werth. Er nahm die Exiſtenzen unter das Prisma der Vernunft, und begnuͤgte ſich damit, die mannichfache Strahlenbrechung deſſelben wiederzugeben und die Farbenſchattirungen zu verfolgen. Ancillon's Prinzip iſt das der Wechſelſeitigkeit in der Methode; er waͤgt die verſchiedenen Erſcheinungen der Exiſtenzen ab, und findet die Wahrheit gleichſam in einem ju¬ riſtiſchen Prozeß, in der wechſelſeitigen Gerechtigkeit des Einen gegen das Andere. Was bei Jakobi unmittel¬ barer Glaube iſt, das fixirt Ancillon als einen intellek¬ tuellen Inſtinkt, welcher durch mannichfache Bewußt¬
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Ancillon.
ren gelaſſen hatte; und in Berlin erhob ſich die He¬
gelſche Lehre mit ſo vielem Gluͤcke, daß Alles uͤber
Seyn und Nichts philoſophirte. Es war die Herrſchaft
des Hegelſchen Sammtbaretts.
Jung und Alt that es der Mode nach; man fing
an, ſich als ſich ſelbſt zu ſetzen; ſich zu negiren, dann
ſich wieder zu vermitteln, und dis logiſche Kopfuͤber et¬
was lange fortzuſetzen, ehe man wieder zu ſich ſelbſt
zuruͤckkehrte.
Ancillon nahm ſeine Modifikationen der Jakobiſchen
Philoſophie wieder auf. Ancillons Reſultate haben
keinen ſyſtematiſchen, wohl aber einen polemiſch-nega¬
tiven Werth. Er nahm die Exiſtenzen unter das
Prisma der Vernunft, und begnuͤgte ſich damit, die
mannichfache Strahlenbrechung deſſelben wiederzugeben
und die Farbenſchattirungen zu verfolgen. Ancillon's
Prinzip iſt das der Wechſelſeitigkeit in der Methode;
er waͤgt die verſchiedenen Erſcheinungen der Exiſtenzen
ab, und findet die Wahrheit gleichſam in einem ju¬
riſtiſchen Prozeß, in der wechſelſeitigen Gerechtigkeit des
Einen gegen das Andere. Was bei Jakobi unmittel¬
barer Glaube iſt, das fixirt Ancillon als einen intellek¬
tuellen Inſtinkt, welcher durch mannichfache Bewußt¬
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie angelegten Reflexionen über "Öffentliche Charaktere" in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erscheinen. In Buchform erschien ein erster Band 1835 bei Hoffmann und Campe in Hamburg. Zur Publikation der weiteren geplanten Teile kam es nicht.
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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/284>, abgerufen am 23.07.2024.
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