Ein prozessualischer Fehler rettete Carrel, seine Sache wurde revidirt und mit der Erfahrung, freiwil¬ lig schon einmal mit dem Leben abgeschlossen zu haben, ging er nach Paris.
Wer sich nicht daran gewöhnt hat, in der nächsten Viertelstunde guillotinirt zu werden, wird in unserer ge¬ fahrvollen Zeit, nie eine große Rolle spielen.
Jene in Deutschland so verbreitete Meinung, daß ein Kampf mit der Autorität auf freundschaftlichem Wege denkbar ist, kennt ein resignirter Charakter nicht.
Gibt es doch unter uns Menschen, welche sich über die Strafe verwundern, die die Macht über das poli¬ tische Verbrechen verhängt, so wie wir Leute gesehen haben, welche vom Staate Pensionen ziehen, und es nicht begreifen konnten, daß man sie auf die Festung setzt, nachdem sie mit der Revolution unter einer Decke steckten.
Der erste Abschied, welchen man nehmen soll, für die Feldzüge der Opposition, ist der Abschied vom Leben.
Nur diejenigen, deren Wandel eine ewige Verzicht¬ leistung ist, sollten das Kreuz des heiligen Kampfs nehmen.
Die Censur und die imponirende Stellung des Ministeriums Villele hatten die Revolution eine Zeit¬
Armand Carrel.
Ein prozeſſualiſcher Fehler rettete Carrel, ſeine Sache wurde revidirt und mit der Erfahrung, freiwil¬ lig ſchon einmal mit dem Leben abgeſchloſſen zu haben, ging er nach Paris.
Wer ſich nicht daran gewoͤhnt hat, in der naͤchſten Viertelſtunde guillotinirt zu werden, wird in unſerer ge¬ fahrvollen Zeit, nie eine große Rolle ſpielen.
Jene in Deutſchland ſo verbreitete Meinung, daß ein Kampf mit der Autoritaͤt auf freundſchaftlichem Wege denkbar iſt, kennt ein reſignirter Charakter nicht.
Gibt es doch unter uns Menſchen, welche ſich uͤber die Strafe verwundern, die die Macht uͤber das poli¬ tiſche Verbrechen verhaͤngt, ſo wie wir Leute geſehen haben, welche vom Staate Penſionen ziehen, und es nicht begreifen konnten, daß man ſie auf die Feſtung ſetzt, nachdem ſie mit der Revolution unter einer Decke ſteckten.
Der erſte Abſchied, welchen man nehmen ſoll, fuͤr die Feldzuͤge der Oppoſition, iſt der Abſchied vom Leben.
Nur diejenigen, deren Wandel eine ewige Verzicht¬ leiſtung iſt, ſollten das Kreuz des heiligen Kampfs nehmen.
Die Cenſur und die imponirende Stellung des Miniſteriums Villèle hatten die Revolution eine Zeit¬
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Armand Carrel.
Ein prozeſſualiſcher Fehler rettete Carrel, ſeine
Sache wurde revidirt und mit der Erfahrung, freiwil¬
lig ſchon einmal mit dem Leben abgeſchloſſen zu haben,
ging er nach Paris.
Wer ſich nicht daran gewoͤhnt hat, in der naͤchſten
Viertelſtunde guillotinirt zu werden, wird in unſerer ge¬
fahrvollen Zeit, nie eine große Rolle ſpielen.
Jene in Deutſchland ſo verbreitete Meinung, daß
ein Kampf mit der Autoritaͤt auf freundſchaftlichem
Wege denkbar iſt, kennt ein reſignirter Charakter nicht.
Gibt es doch unter uns Menſchen, welche ſich uͤber
die Strafe verwundern, die die Macht uͤber das poli¬
tiſche Verbrechen verhaͤngt, ſo wie wir Leute geſehen
haben, welche vom Staate Penſionen ziehen, und es
nicht begreifen konnten, daß man ſie auf die Feſtung
ſetzt, nachdem ſie mit der Revolution unter einer Decke
ſteckten.
Der erſte Abſchied, welchen man nehmen ſoll, fuͤr
die Feldzuͤge der Oppoſition, iſt der Abſchied vom Leben.
Nur diejenigen, deren Wandel eine ewige Verzicht¬
leiſtung iſt, ſollten das Kreuz des heiligen Kampfs
nehmen.
Die Cenſur und die imponirende Stellung des
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie angelegten Reflexionen über "Öffentliche Charaktere" in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erscheinen. In Buchform erschien ein erster Band 1835 bei Hoffmann und Campe in Hamburg. Zur Publikation der weiteren geplanten Teile kam es nicht.
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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/246>, abgerufen am 16.02.2025.
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