O'Connell soll aus seinem katholischen Glauben sich keinen deistischen Hausbedarf herausgenommen ha¬ ben; wie denn seine ganze Opposition keine Prinzipien¬ tendenz, sondern eine historische Nothwendigkeit ist, zu deren Organ ihn der Zufall oder das Geschick machte. Wenn sich O'Connell ganz an die natürliche Empfin¬ dung seines Volkes hingibt, so ist weder von einem Jakobiner noch von einem Jesuiten ein Schein vor¬ handen; er reduzirt sich dann selbst auf eine hinreißende Einfachheit, welche ihm im Parlament, im Gewühle von tausend gemachten, gelogenen und künstlichen Dingen schon die glänzendsten Triumphe verschafft hat, und wovon man erst jüngst wieder eine Probe hatte, als er über die Füsilirten von Rathcormac so wahre und wehmüthige Worte sprach.
Dis ist der Rest, der O'Connell vom Priester ge¬ blieben ist; ein Schlüssel, der ihm die Herzen seines Volkes öffnet: nicht pfäffischer Trug, sondern ächte Salbung und geistliche Versöhnung.
Bei der Emanzipation Irlands lag das Historische weniger in dem Resultat.
Denn den Völkern ist es beim Stande der gegen¬ wärtigen Aufklärung keine Ueberraschung mehr, wenn
Daniel O'Connell.
O'Connell ſoll aus ſeinem katholiſchen Glauben ſich keinen deiſtiſchen Hausbedarf herausgenommen ha¬ ben; wie denn ſeine ganze Oppoſition keine Prinzipien¬ tendenz, ſondern eine hiſtoriſche Nothwendigkeit iſt, zu deren Organ ihn der Zufall oder das Geſchick machte. Wenn ſich O'Connell ganz an die natuͤrliche Empfin¬ dung ſeines Volkes hingibt, ſo iſt weder von einem Jakobiner noch von einem Jeſuiten ein Schein vor¬ handen; er reduzirt ſich dann ſelbſt auf eine hinreißende Einfachheit, welche ihm im Parlament, im Gewuͤhle von tauſend gemachten, gelogenen und kuͤnſtlichen Dingen ſchon die glaͤnzendſten Triumphe verſchafft hat, und wovon man erſt juͤngſt wieder eine Probe hatte, als er uͤber die Fuͤſilirten von Rathcormac ſo wahre und wehmuͤthige Worte ſprach.
Dis iſt der Reſt, der O'Connell vom Prieſter ge¬ blieben iſt; ein Schluͤſſel, der ihm die Herzen ſeines Volkes oͤffnet: nicht pfaͤffiſcher Trug, ſondern aͤchte Salbung und geiſtliche Verſoͤhnung.
Bei der Emanzipation Irlands lag das Hiſtoriſche weniger in dem Reſultat.
Denn den Voͤlkern iſt es beim Stande der gegen¬ waͤrtigen Aufklaͤrung keine Ueberraſchung mehr, wenn
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Daniel O'Connell.
O'Connell ſoll aus ſeinem katholiſchen Glauben
ſich keinen deiſtiſchen Hausbedarf herausgenommen ha¬
ben; wie denn ſeine ganze Oppoſition keine Prinzipien¬
tendenz, ſondern eine hiſtoriſche Nothwendigkeit iſt, zu
deren Organ ihn der Zufall oder das Geſchick machte.
Wenn ſich O'Connell ganz an die natuͤrliche Empfin¬
dung ſeines Volkes hingibt, ſo iſt weder von einem
Jakobiner noch von einem Jeſuiten ein Schein vor¬
handen; er reduzirt ſich dann ſelbſt auf eine hinreißende
Einfachheit, welche ihm im Parlament, im Gewuͤhle
von tauſend gemachten, gelogenen und kuͤnſtlichen
Dingen ſchon die glaͤnzendſten Triumphe verſchafft hat,
und wovon man erſt juͤngſt wieder eine Probe hatte,
als er uͤber die Fuͤſilirten von Rathcormac ſo wahre
und wehmuͤthige Worte ſprach.
Dis iſt der Reſt, der O'Connell vom Prieſter ge¬
blieben iſt; ein Schluͤſſel, der ihm die Herzen ſeines
Volkes oͤffnet: nicht pfaͤffiſcher Trug, ſondern aͤchte
Salbung und geiſtliche Verſoͤhnung.
Bei der Emanzipation Irlands lag das Hiſtoriſche
weniger in dem Reſultat.
Denn den Voͤlkern iſt es beim Stande der gegen¬
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie angelegten Reflexionen über "Öffentliche Charaktere" in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erscheinen. In Buchform erschien ein erster Band 1835 bei Hoffmann und Campe in Hamburg. Zur Publikation der weiteren geplanten Teile kam es nicht.
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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/196>, abgerufen am 28.07.2024.
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