Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Napoleoniden.
des hechingischen Thrones, während jener glückliche
Bruder, ausgerüstet mit dem Schwerte Don Pedro's,
vielleicht bald auf dem Wege ist, die Braut des Ozeans
heimzuführen, und ein langes Gedicht durch einen Akt
des Gesetzes zu schließen. Die Eifersucht Louis Phi¬
lipps im Namen eines seiner Söhne, noch weiß er
selbst nicht, welches? verfolgt ihn; doch Liebe hilft aus
Todesnetzen. Hier ist mehr als Politik; hier ist ein
Roman.

Was haben die Napoleoniden von der Zukunft zu
hoffen? Nichts.

Ihre Protestation gegen die Geschichte überhört so¬
wohl die Freiheit als die Legitimität. Die Privile¬
gien ihres Blutes sind zerrissen; ja selbst die Privile¬
gien ihres Verdienstes können nie den Umfang errei¬
chen, wie in jener illusorischen Vergangenheit, wo sie
auf Alles hoffen durften. Was sie den Einen näh¬
men, würde unwillkommen den Andern sein, welchen
sie es geben wollten. Hier gibt es keine Initiative
mehr. Der breite Despotismus des Kaisers war er¬
träglich; aber die, welche die Despotie zerstückeln, sind
den Völkern verhaßt.

Eine Universaldespotie ist eine glückliche Chance der
Freiheit; denn an einem Ende sinkend, reißt sie das

Die Napoleoniden.
des hechingiſchen Thrones, waͤhrend jener gluͤckliche
Bruder, ausgeruͤſtet mit dem Schwerte Don Pedro's,
vielleicht bald auf dem Wege iſt, die Braut des Ozeans
heimzufuͤhren, und ein langes Gedicht durch einen Akt
des Geſetzes zu ſchließen. Die Eiferſucht Louis Phi¬
lipps im Namen eines ſeiner Soͤhne, noch weiß er
ſelbſt nicht, welches? verfolgt ihn; doch Liebe hilft aus
Todesnetzen. Hier iſt mehr als Politik; hier iſt ein
Roman.

Was haben die Napoleoniden von der Zukunft zu
hoffen? Nichts.

Ihre Proteſtation gegen die Geſchichte uͤberhoͤrt ſo¬
wohl die Freiheit als die Legitimitaͤt. Die Privile¬
gien ihres Blutes ſind zerriſſen; ja ſelbſt die Privile¬
gien ihres Verdienſtes koͤnnen nie den Umfang errei¬
chen, wie in jener illuſoriſchen Vergangenheit, wo ſie
auf Alles hoffen durften. Was ſie den Einen naͤh¬
men, wuͤrde unwillkommen den Andern ſein, welchen
ſie es geben wollten. Hier gibt es keine Initiative
mehr. Der breite Deſpotismus des Kaiſers war er¬
traͤglich; aber die, welche die Deſpotie zerſtuͤckeln, ſind
den Voͤlkern verhaßt.

Eine Univerſaldeſpotie iſt eine gluͤckliche Chance der
Freiheit; denn an einem Ende ſinkend, reißt ſie das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0157" n="139"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die Napoleoniden</hi>.<lb/></fw>des hechingi&#x017F;chen Thrones, wa&#x0364;hrend jener glu&#x0364;ckliche<lb/>
Bruder, ausgeru&#x0364;&#x017F;tet mit dem Schwerte Don Pedro's,<lb/>
vielleicht bald auf dem Wege i&#x017F;t, die Braut des Ozeans<lb/>
heimzufu&#x0364;hren, und ein langes Gedicht durch einen Akt<lb/>
des Ge&#x017F;etzes zu &#x017F;chließen. Die Eifer&#x017F;ucht Louis Phi¬<lb/>
lipps im Namen eines &#x017F;einer So&#x0364;hne, noch weiß er<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t nicht, welches? verfolgt ihn; doch Liebe hilft aus<lb/>
Todesnetzen. Hier i&#x017F;t mehr als Politik; hier i&#x017F;t ein<lb/>
Roman.</p><lb/>
        <p>Was haben die Napoleoniden von der Zukunft zu<lb/>
hoffen? Nichts.</p><lb/>
        <p>Ihre Prote&#x017F;tation gegen die Ge&#x017F;chichte u&#x0364;berho&#x0364;rt &#x017F;<lb/>
wohl die Freiheit als die Legitimita&#x0364;t. Die Privile¬<lb/>
gien ihres Blutes &#x017F;ind zerri&#x017F;&#x017F;en; ja &#x017F;elb&#x017F;t die Privile¬<lb/>
gien ihres Verdien&#x017F;tes ko&#x0364;nnen nie den Umfang errei¬<lb/>
chen, wie in jener illu&#x017F;ori&#x017F;chen Vergangenheit, wo &#x017F;ie<lb/>
auf Alles hoffen durften. Was &#x017F;ie den Einen na&#x0364;<lb/>
men, wu&#x0364;rde unwillkommen den Andern &#x017F;ein, welchen<lb/>
&#x017F;ie es geben wollten. Hier gibt es keine Initiative<lb/>
mehr. Der breite De&#x017F;potismus des Kai&#x017F;ers war er¬<lb/>
tra&#x0364;glich; aber die, welche die De&#x017F;potie zer&#x017F;tu&#x0364;ckeln, &#x017F;ind<lb/>
den Vo&#x0364;lkern verhaßt.</p><lb/>
        <p>Eine Univer&#x017F;alde&#x017F;potie i&#x017F;t eine glu&#x0364;ckliche Chance der<lb/>
Freiheit; denn an <hi rendition="#g">einem</hi> Ende &#x017F;inkend, reißt &#x017F;ie das<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[139/0157] Die Napoleoniden. des hechingiſchen Thrones, waͤhrend jener gluͤckliche Bruder, ausgeruͤſtet mit dem Schwerte Don Pedro's, vielleicht bald auf dem Wege iſt, die Braut des Ozeans heimzufuͤhren, und ein langes Gedicht durch einen Akt des Geſetzes zu ſchließen. Die Eiferſucht Louis Phi¬ lipps im Namen eines ſeiner Soͤhne, noch weiß er ſelbſt nicht, welches? verfolgt ihn; doch Liebe hilft aus Todesnetzen. Hier iſt mehr als Politik; hier iſt ein Roman. Was haben die Napoleoniden von der Zukunft zu hoffen? Nichts. Ihre Proteſtation gegen die Geſchichte uͤberhoͤrt ſo¬ wohl die Freiheit als die Legitimitaͤt. Die Privile¬ gien ihres Blutes ſind zerriſſen; ja ſelbſt die Privile¬ gien ihres Verdienſtes koͤnnen nie den Umfang errei¬ chen, wie in jener illuſoriſchen Vergangenheit, wo ſie auf Alles hoffen durften. Was ſie den Einen naͤh¬ men, wuͤrde unwillkommen den Andern ſein, welchen ſie es geben wollten. Hier gibt es keine Initiative mehr. Der breite Deſpotismus des Kaiſers war er¬ traͤglich; aber die, welche die Deſpotie zerſtuͤckeln, ſind den Voͤlkern verhaßt. Eine Univerſaldeſpotie iſt eine gluͤckliche Chance der Freiheit; denn an einem Ende ſinkend, reißt ſie das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/157
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/157>, abgerufen am 22.11.2024.