herrschte, wo man sich nur um eine Sängerin oder einen kleinen Almanach enthusiasmirte. Wir, die wir Männer der Geschichte sind, geben die Versicherung, daß nichts in der Wagschaale der Jahrhundertsfrage leichter wiegt, als die beiden Jahre, welche wir nun erlebt haben, und etwa noch zweimal soviel, welche ihnen folgen werden. Es ist schon dafür gesorgt worden, die Zeit recht unannehmlich, nüchtern und unpoetisch zu machen.
In einer solchen Zeit zieht sich der Bieder¬ mann vom öffentlichen Leben ein wenig seitwärts, und beobachtet lächelnd die Menschen, welche jetzt wieder die Begebenheiten machen, beobachtet die Pompzüge, Vermählungsfeierlichkeiten, Sterbefälle und die schweren Geburten der Ministerien, und findet daran ein Wohlgefallen, die Individualitä¬ ten zu klassifiziren in Meineidige, Servile, Dum¬ köpfe, Glückspilze, Staatsphilosophen, Kammer¬ herrn und solches Gelichter. Ein Jeder dieser öffentlichen Herren zieht einen langen Schweif von
Vorrede.
herrſchte, wo man ſich nur um eine Saͤngerin oder einen kleinen Almanach enthuſiasmirte. Wir, die wir Maͤnner der Geſchichte ſind, geben die Verſicherung, daß nichts in der Wagſchaale der Jahrhundertsfrage leichter wiegt, als die beiden Jahre, welche wir nun erlebt haben, und etwa noch zweimal ſoviel, welche ihnen folgen werden. Es iſt ſchon dafuͤr geſorgt worden, die Zeit recht unannehmlich, nuͤchtern und unpoetiſch zu machen.
In einer ſolchen Zeit zieht ſich der Bieder¬ mann vom oͤffentlichen Leben ein wenig ſeitwaͤrts, und beobachtet laͤchelnd die Menſchen, welche jetzt wieder die Begebenheiten machen, beobachtet die Pompzuͤge, Vermaͤhlungsfeierlichkeiten, Sterbefaͤlle und die ſchweren Geburten der Miniſterien, und findet daran ein Wohlgefallen, die Individualitaͤ¬ ten zu klaſſifiziren in Meineidige, Servile, Dum¬ koͤpfe, Gluͤckspilze, Staatsphiloſophen, Kammer¬ herrn und ſolches Gelichter. Ein Jeder dieſer oͤffentlichen Herren zieht einen langen Schweif von
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[VI/0012]
Vorrede.
herrſchte, wo man ſich nur um eine Saͤngerin
oder einen kleinen Almanach enthuſiasmirte. Wir,
die wir Maͤnner der Geſchichte ſind, geben die
Verſicherung, daß nichts in der Wagſchaale der
Jahrhundertsfrage leichter wiegt, als die beiden
Jahre, welche wir nun erlebt haben, und etwa
noch zweimal ſoviel, welche ihnen folgen werden.
Es iſt ſchon dafuͤr geſorgt worden, die Zeit
recht unannehmlich, nuͤchtern und unpoetiſch zu
machen.
In einer ſolchen Zeit zieht ſich der Bieder¬
mann vom oͤffentlichen Leben ein wenig ſeitwaͤrts,
und beobachtet laͤchelnd die Menſchen, welche jetzt
wieder die Begebenheiten machen, beobachtet die
Pompzuͤge, Vermaͤhlungsfeierlichkeiten, Sterbefaͤlle
und die ſchweren Geburten der Miniſterien, und
findet daran ein Wohlgefallen, die Individualitaͤ¬
ten zu klaſſifiziren in Meineidige, Servile, Dum¬
koͤpfe, Gluͤckspilze, Staatsphiloſophen, Kammer¬
herrn und ſolches Gelichter. Ein Jeder dieſer
oͤffentlichen Herren zieht einen langen Schweif von
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie angelegten Reflexionen über "Öffentliche Charaktere" in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erscheinen. In Buchform erschien ein erster Band 1835 bei Hoffmann und Campe in Hamburg. Zur Publikation der weiteren geplanten Teile kam es nicht.
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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. VI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/12>, abgerufen am 22.07.2024.
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