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Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.

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mals die Orthodoxie unter den Juden noch die Regel, die Aufklärung eine Ausnahme war, daß unter den Juden, ihrer Vermögensverhältnisse wegen, viel Nachgiebigkeit gegen die Vorurtheile der Großeltern und andrer Verwandte zu herrschen pflegte und eine gewisse Verketzerungssucht denjenigen das Leben sauer machte, die ihre Kinder etwa freier erziehen ließen, als es Tanten und alte reiche Oheime wissen durften. Bei Börne's Vater kam sogar ordentlich eine philosophische Maxime den äußern Rücksichten, die er zu nehmen hatte, zu Hülfe. Die Kinder sollten orthodox erzogen werden.

Der neue Lehrer betrat das in der Judengasse belegene Haus des Herrn Baruch. Man weiß, daß alle Juden damals in jener schmutzigen Gasse wohnen mußten, die sich ursprünglich bis zu der Einmündung in die Fahrgasse erstreckte, wo jetzt Rothschild wohnt. Ein Brand war mitleidiger als der Senat Frankfurts. Er zerstörte einen Theil der finstern Gasse - die Juden mußten ein neues Quartier haben und kehrten nicht mehr in ihren Ghetto zurück. Vordem aber mußten selbst die reichsten Familien sich in den engen kleinen Häusern behelfen. Das Baruch'sche Haus, winklig, eng, mag jetzt keine tausend Gulden

mals die Orthodoxie unter den Juden noch die Regel, die Aufklärung eine Ausnahme war, daß unter den Juden, ihrer Vermögensverhältnisse wegen, viel Nachgiebigkeit gegen die Vorurtheile der Großeltern und andrer Verwandte zu herrschen pflegte und eine gewisse Verketzerungssucht denjenigen das Leben sauer machte, die ihre Kinder etwa freier erziehen ließen, als es Tanten und alte reiche Oheime wissen durften. Bei Börne’s Vater kam sogar ordentlich eine philosophische Maxime den äußern Rücksichten, die er zu nehmen hatte, zu Hülfe. Die Kinder sollten orthodox erzogen werden.

Der neue Lehrer betrat das in der Judengasse belegene Haus des Herrn Baruch. Man weiß, daß alle Juden damals in jener schmutzigen Gasse wohnen mußten, die sich ursprünglich bis zu der Einmündung in die Fahrgasse erstreckte, wo jetzt Rothschild wohnt. Ein Brand war mitleidiger als der Senat Frankfurts. Er zerstörte einen Theil der finstern Gasse – die Juden mußten ein neues Quartier haben und kehrten nicht mehr in ihren Ghetto zurück. Vordem aber mußten selbst die reichsten Familien sich in den engen kleinen Häusern behelfen. Das Baruch’sche Haus, winklig, eng, mag jetzt keine tausend Gulden

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[33/0075] mals die Orthodoxie unter den Juden noch die Regel, die Aufklärung eine Ausnahme war, daß unter den Juden, ihrer Vermögensverhältnisse wegen, viel Nachgiebigkeit gegen die Vorurtheile der Großeltern und andrer Verwandte zu herrschen pflegte und eine gewisse Verketzerungssucht denjenigen das Leben sauer machte, die ihre Kinder etwa freier erziehen ließen, als es Tanten und alte reiche Oheime wissen durften. Bei Börne’s Vater kam sogar ordentlich eine philosophische Maxime den äußern Rücksichten, die er zu nehmen hatte, zu Hülfe. Die Kinder sollten orthodox erzogen werden. Der neue Lehrer betrat das in der Judengasse belegene Haus des Herrn Baruch. Man weiß, daß alle Juden damals in jener schmutzigen Gasse wohnen mußten, die sich ursprünglich bis zu der Einmündung in die Fahrgasse erstreckte, wo jetzt Rothschild wohnt. Ein Brand war mitleidiger als der Senat Frankfurts. Er zerstörte einen Theil der finstern Gasse – die Juden mußten ein neues Quartier haben und kehrten nicht mehr in ihren Ghetto zurück. Vordem aber mußten selbst die reichsten Familien sich in den engen kleinen Häusern behelfen. Das Baruch’sche Haus, winklig, eng, mag jetzt keine tausend Gulden

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840/75>, abgerufen am 23.11.2024.