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Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.

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schließlichen, indem sie Zeitungen, Almanache und literarische Genossenschaften begründeten, alle hatten sie von Goethe herab bis zum gewöhnlichsten Taschenbuchsnovellisten ein bestimmtes nur in den bisher der Literatur abgesteckten Grenzen liegendes ästhetisches Ziel. Seit den Befreiungskriegen traten freilich schon Männer auf, die, ohne speciell für die Literatur als solche zu schreiben, doch tiefe Furchen sogar in den Prinzipien derselben zogen und jedenfalls ihre Gränzen erweiterten; Arndt z. B. Görres, Steffens und Andre. Doch zogen sie sich meist auf die Geschichte oder Philosophie oder sonstige wissenschaftliche Einzelgebiete wieder zurück, oder besaßen in Styl und Vortrag nicht jene Saatkeime, die in eine neue Epoche für die Literatur aufschießen konnten. Börnen jedoch gelang es, ohne es zu wollen, ein deutscher Classiker zu werden. Dasjenige, woran er am wenigsten gedacht hatte, fiel ihm am ersten zu. Er beurtheilte die Dichter, die Schauspieler, die Philosophen, die Publizisten seiner Zeit: er machte aus dem Jean-Paulismus etwas Klares, Durchsichtiges, schrieb Satyren aus äußern Zwecken, trieb die schöne Literatur nur, um die Politik in ein erlaubtes Gewand zu hüllen, sprach von Schiller und Goethe und dachte dabei an

schließlichen, indem sie Zeitungen, Almanache und literarische Genossenschaften begründeten, alle hatten sie von Goethe herab bis zum gewöhnlichsten Taschenbuchsnovellisten ein bestimmtes nur in den bisher der Literatur abgesteckten Grenzen liegendes ästhetisches Ziel. Seit den Befreiungskriegen traten freilich schon Männer auf, die, ohne speciell für die Literatur als solche zu schreiben, doch tiefe Furchen sogar in den Prinzipien derselben zogen und jedenfalls ihre Gränzen erweiterten; Arndt z. B. Görres, Steffens und Andre. Doch zogen sie sich meist auf die Geschichte oder Philosophie oder sonstige wissenschaftliche Einzelgebiete wieder zurück, oder besaßen in Styl und Vortrag nicht jene Saatkeime, die in eine neue Epoche für die Literatur aufschießen konnten. Börnen jedoch gelang es, ohne es zu wollen, ein deutscher Classiker zu werden. Dasjenige, woran er am wenigsten gedacht hatte, fiel ihm am ersten zu. Er beurtheilte die Dichter, die Schauspieler, die Philosophen, die Publizisten seiner Zeit: er machte aus dem Jean-Paulismus etwas Klares, Durchsichtiges, schrieb Satyren aus äußern Zwecken, trieb die schöne Literatur nur, um die Politik in ein erlaubtes Gewand zu hüllen, sprach von Schiller und Goethe und dachte dabei an

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schließlichen, indem sie Zeitungen, Almanache und literarische Genossenschaften begründeten, alle hatten sie von Goethe herab bis zum gewöhnlichsten Taschenbuchsnovellisten ein bestimmtes nur in den bisher der Literatur abgesteckten Grenzen liegendes ästhetisches Ziel. Seit den Befreiungskriegen traten freilich schon Männer auf, die, ohne <hi rendition="#g">speciell</hi> für die Literatur als solche zu schreiben, doch tiefe Furchen sogar in den Prinzipien derselben zogen und jedenfalls ihre Gränzen erweiterten; Arndt z. B. Görres, Steffens und Andre. Doch zogen sie sich meist auf die Geschichte oder Philosophie oder sonstige wissenschaftliche Einzelgebiete wieder zurück, oder besaßen in Styl und Vortrag nicht jene Saatkeime, die in eine neue Epoche für die Literatur aufschießen konnten. Börnen jedoch gelang es, <hi rendition="#g">ohne es zu wollen</hi>, ein deutscher Classiker zu werden. Dasjenige, woran er am wenigsten gedacht hatte, fiel ihm am ersten zu. Er beurtheilte die Dichter, die Schauspieler, die Philosophen, die Publizisten seiner Zeit: er machte aus dem Jean-Paulismus etwas Klares, Durchsichtiges, schrieb Satyren aus äußern Zwecken, trieb die schöne Literatur nur, um die Politik in ein erlaubtes Gewand zu hüllen, sprach von Schiller und Goethe und dachte dabei an
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[14/0056] schließlichen, indem sie Zeitungen, Almanache und literarische Genossenschaften begründeten, alle hatten sie von Goethe herab bis zum gewöhnlichsten Taschenbuchsnovellisten ein bestimmtes nur in den bisher der Literatur abgesteckten Grenzen liegendes ästhetisches Ziel. Seit den Befreiungskriegen traten freilich schon Männer auf, die, ohne speciell für die Literatur als solche zu schreiben, doch tiefe Furchen sogar in den Prinzipien derselben zogen und jedenfalls ihre Gränzen erweiterten; Arndt z. B. Görres, Steffens und Andre. Doch zogen sie sich meist auf die Geschichte oder Philosophie oder sonstige wissenschaftliche Einzelgebiete wieder zurück, oder besaßen in Styl und Vortrag nicht jene Saatkeime, die in eine neue Epoche für die Literatur aufschießen konnten. Börnen jedoch gelang es, ohne es zu wollen, ein deutscher Classiker zu werden. Dasjenige, woran er am wenigsten gedacht hatte, fiel ihm am ersten zu. Er beurtheilte die Dichter, die Schauspieler, die Philosophen, die Publizisten seiner Zeit: er machte aus dem Jean-Paulismus etwas Klares, Durchsichtiges, schrieb Satyren aus äußern Zwecken, trieb die schöne Literatur nur, um die Politik in ein erlaubtes Gewand zu hüllen, sprach von Schiller und Goethe und dachte dabei an

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840/56>, abgerufen am 19.05.2024.