Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

schreiben war er länger beschäftigt, als mit dem letztern selbst. Die Gedanken boten sich ihm in bunter, neckender Fülle dar; aber er wählte nur die, welchen sich ein schönes Kleid überwerfen ließ. In züchtiger Schönheit mußte bei ihm das Wort auftreten. Einen wild wuchernden Styl, einen Gedankengang über Stock und Stein, haßte er. So trug er das, was er niederschreiben wollte, lange mit sich herum und formte tagelang an einem Satze, wenn er ihm nicht gleich die gewünschte schöne Rundung abgewinnen konnte. Es war dies nicht Koketterie, sondern die ihm angeborne Achtung vor dem Werth der Sprache. Er wußte, daß, auch um Gedanken an den Mann zu bringen, man ihnen eine reiche stylistische Mitgift geben muß. Die schönsten Ideen bleiben, wenn sie äußerlich arm sind, sitzen. Börne brauchte oft zu einer kurzen Kritik vierzehn Tage. Um einen Druckbogen zu füllen, rechnete er gewöhnlich eine Woche.

Wenn es die Aufgabe unsrer Literatur sein sollte, sich in eine encyklopädische Thätigkeit zu zersplittern und nur noch die Thatsachen der Geschichte und des Völkerlebens widerzuspiegeln, dann würde Börne für diese Richtung werden, was Goethe für die schöne

schreiben war er länger beschäftigt, als mit dem letztern selbst. Die Gedanken boten sich ihm in bunter, neckender Fülle dar; aber er wählte nur die, welchen sich ein schönes Kleid überwerfen ließ. In züchtiger Schönheit mußte bei ihm das Wort auftreten. Einen wild wuchernden Styl, einen Gedankengang über Stock und Stein, haßte er. So trug er das, was er niederschreiben wollte, lange mit sich herum und formte tagelang an einem Satze, wenn er ihm nicht gleich die gewünschte schöne Rundung abgewinnen konnte. Es war dies nicht Koketterie, sondern die ihm angeborne Achtung vor dem Werth der Sprache. Er wußte, daß, auch um Gedanken an den Mann zu bringen, man ihnen eine reiche stylistische Mitgift geben muß. Die schönsten Ideen bleiben, wenn sie äußerlich arm sind, sitzen. Börne brauchte oft zu einer kurzen Kritik vierzehn Tage. Um einen Druckbogen zu füllen, rechnete er gewöhnlich eine Woche.

Wenn es die Aufgabe unsrer Literatur sein sollte, sich in eine encyklopädische Thätigkeit zu zersplittern und nur noch die Thatsachen der Geschichte und des Völkerlebens widerzuspiegeln, dann würde Börne für diese Richtung werden, was Goethe für die schöne

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0347" n="305"/>
schreiben war er länger beschäftigt, als mit dem letztern selbst. Die Gedanken boten sich ihm in bunter, neckender Fülle dar; aber er wählte nur die, welchen sich ein schönes Kleid überwerfen ließ. In züchtiger Schönheit mußte bei ihm das Wort auftreten. Einen wild wuchernden Styl, einen Gedankengang über Stock und Stein, haßte er. So trug er das, was er niederschreiben wollte, lange mit sich herum und formte tagelang an einem Satze, wenn er ihm nicht gleich die gewünschte schöne Rundung abgewinnen konnte. Es war dies nicht Koketterie, sondern die ihm angeborne Achtung vor dem Werth der Sprache. Er wußte, daß, auch um Gedanken an den Mann zu bringen, man ihnen eine reiche stylistische Mitgift geben muß. Die schönsten Ideen bleiben, wenn sie äußerlich arm sind, sitzen. Börne brauchte oft zu einer kurzen Kritik vierzehn Tage. Um einen Druckbogen zu füllen, rechnete er gewöhnlich eine Woche.</p>
        <p>Wenn es die Aufgabe unsrer Literatur sein sollte, sich in eine encyklopädische Thätigkeit zu zersplittern und nur noch die Thatsachen der Geschichte und des Völkerlebens widerzuspiegeln, dann würde Börne für diese Richtung werden, was Goethe für die schöne
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[305/0347] schreiben war er länger beschäftigt, als mit dem letztern selbst. Die Gedanken boten sich ihm in bunter, neckender Fülle dar; aber er wählte nur die, welchen sich ein schönes Kleid überwerfen ließ. In züchtiger Schönheit mußte bei ihm das Wort auftreten. Einen wild wuchernden Styl, einen Gedankengang über Stock und Stein, haßte er. So trug er das, was er niederschreiben wollte, lange mit sich herum und formte tagelang an einem Satze, wenn er ihm nicht gleich die gewünschte schöne Rundung abgewinnen konnte. Es war dies nicht Koketterie, sondern die ihm angeborne Achtung vor dem Werth der Sprache. Er wußte, daß, auch um Gedanken an den Mann zu bringen, man ihnen eine reiche stylistische Mitgift geben muß. Die schönsten Ideen bleiben, wenn sie äußerlich arm sind, sitzen. Börne brauchte oft zu einer kurzen Kritik vierzehn Tage. Um einen Druckbogen zu füllen, rechnete er gewöhnlich eine Woche. Wenn es die Aufgabe unsrer Literatur sein sollte, sich in eine encyklopädische Thätigkeit zu zersplittern und nur noch die Thatsachen der Geschichte und des Völkerlebens widerzuspiegeln, dann würde Börne für diese Richtung werden, was Goethe für die schöne

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-07-03T11:49:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-03T11:49:31Z)
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-07-03T11:49:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Gutzkow Editionsprojekt:Editionsprinzipien
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840/347
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840/347>, abgerufen am 10.06.2024.