Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.einer nur zu leicht in Abspannung verfallenden Nation zu schmeicheln. Alle diese Erörterungen sind mit den witzigsten Seitenblicken auf einzelne Erscheinungen der politischen und literärischen Gegenwart untermischt. Es war eine Gabe, die den Reichthum verrieth, über welchen Börne noch kurz vor seinem Tode gebieten konnte. Was aber noch mehr als der Gedankengang und die verdiente Geißelung des auf dem Titel genannten Schriftstellers, diesem Werke die Herzen aller Leser gewann, war der wehmüthige, elegische Ton, der das Ganze durchwehte. Selbst die Satyre verrieth, daß sie hier nicht aus dem Uebermuthe der richtigeren Einsicht, sondern aus dem Schmerze über die Verblendung und den Irrthum der Menschen geboren wurde. Kamen die Leser vielleicht dem Buche entgegen, daß es so versöhnend wirkte? War es die Enttäuschung über so viele Hoffnungen, welche die Geschichte der letzten Jahre in uns geweckt hatte, und die mit der schmerzlichen Resignation dieses Buches so befreundet zusammen stimmte? Den trüben Horizont, unter welchem es geschrieben schien, sahen wir Alle; die Hoffnung auf eine Zeit, wo die Wahrheit sonnenlicht durch die Wolken brechen würde, theilten wir Alle. Diese Schrift tödtete zwiefach Menzel's Schriftstellerehre; sie einer nur zu leicht in Abspannung verfallenden Nation zu schmeicheln. Alle diese Erörterungen sind mit den witzigsten Seitenblicken auf einzelne Erscheinungen der politischen und literärischen Gegenwart untermischt. Es war eine Gabe, die den Reichthum verrieth, über welchen Börne noch kurz vor seinem Tode gebieten konnte. Was aber noch mehr als der Gedankengang und die verdiente Geißelung des auf dem Titel genannten Schriftstellers, diesem Werke die Herzen aller Leser gewann, war der wehmüthige, elegische Ton, der das Ganze durchwehte. Selbst die Satyre verrieth, daß sie hier nicht aus dem Uebermuthe der richtigeren Einsicht, sondern aus dem Schmerze über die Verblendung und den Irrthum der Menschen geboren wurde. Kamen die Leser vielleicht dem Buche entgegen, daß es so versöhnend wirkte? War es die Enttäuschung über so viele Hoffnungen, welche die Geschichte der letzten Jahre in uns geweckt hatte, und die mit der schmerzlichen Resignation dieses Buches so befreundet zusammen stimmte? Den trüben Horizont, unter welchem es geschrieben schien, sahen wir Alle; die Hoffnung auf eine Zeit, wo die Wahrheit sonnenlicht durch die Wolken brechen würde, theilten wir Alle. Diese Schrift tödtete zwiefach Menzel’s Schriftstellerehre; sie <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0323" n="281"/> einer nur zu leicht in Abspannung verfallenden Nation zu schmeicheln. Alle diese Erörterungen sind mit den witzigsten Seitenblicken auf einzelne Erscheinungen der politischen und literärischen Gegenwart untermischt. Es war eine Gabe, die den Reichthum verrieth, über welchen Börne noch kurz vor seinem Tode gebieten konnte.</p> <p>Was aber noch mehr als der Gedankengang und die verdiente Geißelung des auf dem Titel genannten Schriftstellers, diesem Werke die Herzen aller Leser gewann, war der wehmüthige, elegische Ton, der das Ganze durchwehte. Selbst die Satyre verrieth, daß sie hier nicht aus dem Uebermuthe der richtigeren Einsicht, sondern aus dem Schmerze über die Verblendung und den Irrthum der Menschen geboren wurde. Kamen die Leser vielleicht dem Buche entgegen, daß es so versöhnend wirkte? War es die Enttäuschung über so viele Hoffnungen, welche die Geschichte der letzten Jahre in uns geweckt hatte, und die mit der schmerzlichen Resignation dieses Buches so befreundet zusammen stimmte? Den trüben Horizont, unter welchem es geschrieben schien, sahen wir Alle; die Hoffnung auf eine Zeit, wo die Wahrheit sonnenlicht durch die Wolken brechen würde, theilten wir Alle. Diese Schrift tödtete zwiefach Menzel’s Schriftstellerehre; sie </p> </div> </body> </text> </TEI> [281/0323]
einer nur zu leicht in Abspannung verfallenden Nation zu schmeicheln. Alle diese Erörterungen sind mit den witzigsten Seitenblicken auf einzelne Erscheinungen der politischen und literärischen Gegenwart untermischt. Es war eine Gabe, die den Reichthum verrieth, über welchen Börne noch kurz vor seinem Tode gebieten konnte.
Was aber noch mehr als der Gedankengang und die verdiente Geißelung des auf dem Titel genannten Schriftstellers, diesem Werke die Herzen aller Leser gewann, war der wehmüthige, elegische Ton, der das Ganze durchwehte. Selbst die Satyre verrieth, daß sie hier nicht aus dem Uebermuthe der richtigeren Einsicht, sondern aus dem Schmerze über die Verblendung und den Irrthum der Menschen geboren wurde. Kamen die Leser vielleicht dem Buche entgegen, daß es so versöhnend wirkte? War es die Enttäuschung über so viele Hoffnungen, welche die Geschichte der letzten Jahre in uns geweckt hatte, und die mit der schmerzlichen Resignation dieses Buches so befreundet zusammen stimmte? Den trüben Horizont, unter welchem es geschrieben schien, sahen wir Alle; die Hoffnung auf eine Zeit, wo die Wahrheit sonnenlicht durch die Wolken brechen würde, theilten wir Alle. Diese Schrift tödtete zwiefach Menzel’s Schriftstellerehre; sie
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