zum Schachbrette; die Figuren, waren von El- fenbein und Ebenholze in Lebensgrösse; ihre Waffen von gediegenem Golde, ihre Kleidung überdeckt mit Perlen und Edelgesteinen. Die Pracht der Könige und Königinnen blendete die Augen, die Läufer, welche man damals Banner- träger nannte, waren herrlich gewaffnet und tru- gen in der Hand prächtige Fahnen von zwey ver- schiedenen Farben, in diesen sahe man zweyer- ley Denksprüche mit Gold und Perlen gestickt, Die Springer glichen Rittern auf goldenen Pfer- den, geschmückt mit überaus prachtvollen Rüstun- gen, Waffen und Pferdedecken. Die Thürme wurden von goldenen Elephanten getragen; die Bauern waren Soldaten zu Fuss mit Streitäxten bewaffnet. Doch war diess alles nichts gegen die Feerey wodurch diese Steine in Bewegung gesezt wurden. Hätte man die Steine mit eige- nen Händen auf den Feldern fortsetzen sollen, so wäre diess eine Arbeit gewesen, wodurch das Schachspiel zu einem Bewegungsspiele geworden wäre, aber leider soll das nie der Fall seyn; denn man kommandirte ohne alle Anstrengung mit ei- nem Zauberstäbchen die bezauberten Steine durch Berührung von Stelle zu Stelle. Der Ritter er- staunte beym Anblicke dieser Herrlichkeit, aber er erschrak, als Floribelle ihm jezt eine Parthie anbot, auf deren Gewinn sie den ganzen Schach-
zum Schachbrette; die Figuren, waren von El- fenbein und Ebenholze in Lebensgröſse; ihre Waffen von gediegenem Golde, ihre Kleidung überdeckt mit Perlen und Edelgeſteinen. Die Pracht der Könige und Königinnen blendete die Augen, die Läufer, welche man damals Banner- träger nannte, waren herrlich gewaffnet und tru- gen in der Hand prächtige Fahnen von zwey ver- ſchiedenen Farben, in dieſen ſahe man zweyer- ley Denkſprüche mit Gold und Perlen geſtickt, Die Springer glichen Rittern auf goldenen Pfer- den, geſchmückt mit überaus prachtvollen Rüſtun- gen, Waffen und Pferdedecken. Die Thürme wurden von goldenen Elephanten getragen; die Bauern waren Soldaten zu Fuſs mit Streitäxten bewaffnet. Doch war dieſs alles nichts gegen die Feerey wodurch dieſe Steine in Bewegung geſezt wurden. Hätte man die Steine mit eige- nen Händen auf den Feldern fortſetzen ſollen, ſo wäre dieſs eine Arbeit geweſen, wodurch das Schachſpiel zu einem Bewegungsſpiele geworden wäre, aber leider ſoll das nie der Fall ſeyn; denn man kommandirte ohne alle Anſtrengung mit ei- nem Zauberſtäbchen die bezauberten Steine durch Berührung von Stelle zu Stelle. Der Ritter er- ſtaunte beym Anblicke dieſer Herrlichkeit, aber er erſchrak, als Floribelle ihm jezt eine Parthie anbot, auf deren Gewinn ſie den ganzen Schach-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0484"n="452"/>
zum Schachbrette; die Figuren, waren von El-<lb/>
fenbein und Ebenholze in Lebensgröſse; ihre<lb/>
Waffen von gediegenem Golde, ihre Kleidung<lb/>
überdeckt mit Perlen und Edelgeſteinen. Die<lb/>
Pracht der Könige und Königinnen blendete die<lb/>
Augen, die Läufer, welche man damals <hirendition="#i">Banner-<lb/>
träger</hi> nannte, waren herrlich gewaffnet und tru-<lb/>
gen in der Hand prächtige Fahnen von zwey ver-<lb/>ſchiedenen Farben, in dieſen ſahe man zweyer-<lb/>
ley Denkſprüche mit Gold und Perlen geſtickt,<lb/>
Die Springer glichen Rittern auf goldenen Pfer-<lb/>
den, geſchmückt mit überaus prachtvollen Rüſtun-<lb/>
gen, Waffen und Pferdedecken. Die Thürme<lb/>
wurden von goldenen Elephanten getragen; die<lb/>
Bauern waren Soldaten zu Fuſs mit Streitäxten<lb/>
bewaffnet. Doch war dieſs alles nichts gegen<lb/>
die Feerey wodurch dieſe Steine in Bewegung<lb/>
geſezt wurden. Hätte man die Steine mit eige-<lb/>
nen Händen auf den Feldern fortſetzen ſollen,<lb/>ſo wäre dieſs eine Arbeit geweſen, wodurch das<lb/>
Schachſpiel zu einem Bewegungsſpiele geworden<lb/>
wäre, aber leider ſoll das nie der Fall ſeyn; denn<lb/>
man kommandirte ohne alle Anſtrengung mit ei-<lb/>
nem Zauberſtäbchen die bezauberten Steine durch<lb/>
Berührung von Stelle zu Stelle. Der Ritter er-<lb/>ſtaunte beym Anblicke dieſer Herrlichkeit, aber<lb/>
er erſchrak, als Floribelle ihm jezt eine Parthie<lb/>
anbot, auf deren Gewinn ſie den ganzen Schach-<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[452/0484]
zum Schachbrette; die Figuren, waren von El-
fenbein und Ebenholze in Lebensgröſse; ihre
Waffen von gediegenem Golde, ihre Kleidung
überdeckt mit Perlen und Edelgeſteinen. Die
Pracht der Könige und Königinnen blendete die
Augen, die Läufer, welche man damals Banner-
träger nannte, waren herrlich gewaffnet und tru-
gen in der Hand prächtige Fahnen von zwey ver-
ſchiedenen Farben, in dieſen ſahe man zweyer-
ley Denkſprüche mit Gold und Perlen geſtickt,
Die Springer glichen Rittern auf goldenen Pfer-
den, geſchmückt mit überaus prachtvollen Rüſtun-
gen, Waffen und Pferdedecken. Die Thürme
wurden von goldenen Elephanten getragen; die
Bauern waren Soldaten zu Fuſs mit Streitäxten
bewaffnet. Doch war dieſs alles nichts gegen
die Feerey wodurch dieſe Steine in Bewegung
geſezt wurden. Hätte man die Steine mit eige-
nen Händen auf den Feldern fortſetzen ſollen,
ſo wäre dieſs eine Arbeit geweſen, wodurch das
Schachſpiel zu einem Bewegungsſpiele geworden
wäre, aber leider ſoll das nie der Fall ſeyn; denn
man kommandirte ohne alle Anſtrengung mit ei-
nem Zauberſtäbchen die bezauberten Steine durch
Berührung von Stelle zu Stelle. Der Ritter er-
ſtaunte beym Anblicke dieſer Herrlichkeit, aber
er erſchrak, als Floribelle ihm jezt eine Parthie
anbot, auf deren Gewinn ſie den ganzen Schach-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Guts Muths, Johann Christoph Friedrich: Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes. Schnepfenthal, 1796, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutsmuths_spiele_1796/484>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.