Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Guts Muths, Johann Christoph Friedrich: Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes. Schnepfenthal, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Verwunderung, weil er sich auf eine -- nach
seiner Idee -- so unwürdige Art an dem Thier-
chen belustigte; Naturgeschichte war damals
noch nicht Mode. Bist du denn wirklich der
Apostel, von dem alle Welt redet und dessen
Ruhm mich hier herzog, wie passt sich diese Be-
lustigung zu deinem Ruhme? Guter Freund,
antwortete der sanfte Johannes, ganz socratisch:
Was seh ich da in deiner Hand? -- Einen Bo-
gen, erwiderte der Fremdling. Und warum
hast du ihn nicht gespannt und immer bereit
zum Schuss? -- Ey das darf nicht seyn; wäre
er immer gespannt, so würde er seine Kraft ver-
lieren und bald untüchtig seyn. Nun so wun-
dre dich denn nicht über mich, fuhr Johannes
fort: doch meine Leser wissen schon die Anwen-
dung von einem Bogen.

Nascitur ex assiduitate laborum animorum
hebetudo quaedam et languor. -- danda
est remissio animis: meliores acrioresque
requieti resurgent *).

An den Bedürfnissen, oft schon an einem
einzigen erkennt man den Charakter des ein-
zelnen Mannes, so wie oft ganzer Nationen; aus

*) Seneca de tranquill. animi. cap. XV. d. i. anhaltende Arbeit
wird Schwächung und Abstumpfung des Geistes. Gieb ihm Er-
holung, sie wird Schärfung ihm seyn und Stärkung.

Verwunderung, weil er ſich auf eine — nach
ſeiner Idee — ſo unwürdige Art an dem Thier-
chen beluſtigte; Naturgeſchichte war damals
noch nicht Mode. Biſt du denn wirklich der
Apoſtel, von dem alle Welt redet und deſſen
Ruhm mich hier herzog, wie paſst ſich dieſe Be-
luſtigung zu deinem Ruhme? Guter Freund,
antwortete der ſanfte Johannes, ganz ſocratiſch:
Was ſeh ich da in deiner Hand? — Einen Bo-
gen, erwiderte der Fremdling. Und warum
haſt du ihn nicht geſpannt und immer bereit
zum Schuſs? — Ey das darf nicht ſeyn; wäre
er immer geſpannt, ſo würde er ſeine Kraft ver-
lieren und bald untüchtig ſeyn. Nun ſo wun-
dre dich denn nicht über mich, fuhr Johannes
fort: doch meine Leſer wiſſen ſchon die Anwen-
dung von einem Bogen.

Nascitur ex assiduitate laborum animorum
hebetudo quaedam et languor. — danda
eſt remiſſio animis: meliores acrioresque
requieti resurgent *).

An den Bedürfniſſen, oft ſchon an einem
einzigen erkennt man den Charakter des ein-
zelnen Mannes, ſo wie oft ganzer Nationen; aus

*) Seneca de tranquill. animi. cap. XV. d. i. anhaltende Arbeit
wird Schwächung und Abſtumpfung des Geiſtes. Gieb ihm Er-
holung, ſie wird Schärfung ihm ſeyn und Stärkung.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0040" n="8"/>
Verwunderung, weil er &#x017F;ich auf eine &#x2014; nach<lb/>
&#x017F;einer Idee &#x2014; &#x017F;o unwürdige Art an dem Thier-<lb/>
chen belu&#x017F;tigte; Naturge&#x017F;chichte war damals<lb/>
noch nicht Mode. Bi&#x017F;t du denn wirklich der<lb/>
Apo&#x017F;tel, von dem alle Welt redet und de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Ruhm mich hier herzog, wie pa&#x017F;st &#x017F;ich die&#x017F;e Be-<lb/>
lu&#x017F;tigung zu deinem Ruhme? Guter Freund,<lb/>
antwortete der &#x017F;anfte Johannes, ganz &#x017F;ocrati&#x017F;ch:<lb/>
Was &#x017F;eh ich da in deiner Hand? &#x2014; Einen Bo-<lb/>
gen, erwiderte der Fremdling. Und warum<lb/>
ha&#x017F;t du ihn nicht ge&#x017F;pannt und immer bereit<lb/>
zum Schu&#x017F;s? &#x2014; Ey das darf nicht &#x017F;eyn; wäre<lb/>
er immer ge&#x017F;pannt, &#x017F;o würde er &#x017F;eine Kraft ver-<lb/>
lieren und bald untüchtig &#x017F;eyn. Nun &#x017F;o wun-<lb/>
dre dich denn nicht über mich, fuhr Johannes<lb/>
fort: doch meine Le&#x017F;er wi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;chon die Anwen-<lb/>
dung von einem Bogen.</p><lb/>
        <p> <hi rendition="#et">Nascitur ex assiduitate laborum animorum<lb/>
hebetudo quaedam et languor. &#x2014; danda<lb/>
e&#x017F;t remi&#x017F;&#x017F;io animis: meliores acrioresque<lb/>
requieti resurgent <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#k">Seneca</hi> de tranquill. animi. cap. XV. d. i. anhaltende Arbeit<lb/>
wird Schwächung und Ab&#x017F;tumpfung des Gei&#x017F;tes. Gieb ihm Er-<lb/>
holung, &#x017F;ie wird Schärfung ihm &#x017F;eyn und Stärkung.</note>.</hi> </p><lb/>
        <p>An den Bedürfni&#x017F;&#x017F;en, oft &#x017F;chon an einem<lb/>
einzigen erkennt man den Charakter des ein-<lb/>
zelnen Mannes, &#x017F;o wie oft ganzer Nationen; aus<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0040] Verwunderung, weil er ſich auf eine — nach ſeiner Idee — ſo unwürdige Art an dem Thier- chen beluſtigte; Naturgeſchichte war damals noch nicht Mode. Biſt du denn wirklich der Apoſtel, von dem alle Welt redet und deſſen Ruhm mich hier herzog, wie paſst ſich dieſe Be- luſtigung zu deinem Ruhme? Guter Freund, antwortete der ſanfte Johannes, ganz ſocratiſch: Was ſeh ich da in deiner Hand? — Einen Bo- gen, erwiderte der Fremdling. Und warum haſt du ihn nicht geſpannt und immer bereit zum Schuſs? — Ey das darf nicht ſeyn; wäre er immer geſpannt, ſo würde er ſeine Kraft ver- lieren und bald untüchtig ſeyn. Nun ſo wun- dre dich denn nicht über mich, fuhr Johannes fort: doch meine Leſer wiſſen ſchon die Anwen- dung von einem Bogen. Nascitur ex assiduitate laborum animorum hebetudo quaedam et languor. — danda eſt remiſſio animis: meliores acrioresque requieti resurgent *). An den Bedürfniſſen, oft ſchon an einem einzigen erkennt man den Charakter des ein- zelnen Mannes, ſo wie oft ganzer Nationen; aus *) Seneca de tranquill. animi. cap. XV. d. i. anhaltende Arbeit wird Schwächung und Abſtumpfung des Geiſtes. Gieb ihm Er- holung, ſie wird Schärfung ihm ſeyn und Stärkung.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutsmuths_spiele_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutsmuths_spiele_1796/40
Zitationshilfe: Guts Muths, Johann Christoph Friedrich: Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes. Schnepfenthal, 1796, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutsmuths_spiele_1796/40>, abgerufen am 16.04.2024.