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Guts Muths, Johann Christoph Friedrich: Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes. Schnepfenthal, 1796.

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der Musen sind Spiele und ohne die keuschen
Grazien stellen auch die Götter, wie Pindar singt,
weder Feste noch Tänze an. Nehmt vom Le-
ben hinweg, was erzwungner Dienst der eiser-
nen Nothwendigkeit ist; was ist in allem übri-
gen nicht Spiel? Die Künstler spielen mit der
Natur, die Dichter mit ihrer Einbildungskraft,
die Philosophen mit Ideen, die Schönen mit
unsern Herzen und die Könige, leider! -- mit
unsern Köpfen?"

Die Tradition trug sie von jeher in alle Win-
kel der Welt und es mag schwerer seyn, eine
nützliche Erfindung, die Verbesserung eines
landwirthschaftlichen Instruments, aus einem
Lande in das andere zu verpflanzen, als ein
Spiel Polynesiens in Deutschland einzuführen.
Unsere kleinen Mägdchen wissen es nicht, dass
ihr Spiel mit fünf Steinchen griechischen, *) oder
wer weiss was für Ursprungs ist, und unsere Kna-
ben nennen das Pflöcken, was die Griechischen
Kindalismos hiessen. Die Bauern in Ströbke
spielen mit denen am Ganges, am Seinde-rud,
am Tigris und an den Jökeln von Island ein
Spiel, ich meine das Schach; und der Lappe
mahlt sich Kartenblätter mit Rennthierblut auf

*) pentalitha. Pollux lib. IX. cap. 7. auch Meursius de ludis
Graecor.

der Muſen ſind Spiele und ohne die keuſchen
Grazien ſtellen auch die Götter, wie Pindar ſingt,
weder Feſte noch Tänze an. Nehmt vom Le-
ben hinweg, was erzwungner Dienſt der eiſer-
nen Nothwendigkeit iſt; was iſt in allem übri-
gen nicht Spiel? Die Künſtler ſpielen mit der
Natur, die Dichter mit ihrer Einbildungskraft,
die Philoſophen mit Ideen, die Schönen mit
unſern Herzen und die Könige, leider! — mit
unſern Köpfen?“

Die Tradition trug ſie von jeher in alle Win-
kel der Welt und es mag ſchwerer ſeyn, eine
nützliche Erfindung, die Verbeſſerung eines
landwirthſchaftlichen Inſtruments, aus einem
Lande in das andere zu verpflanzen, als ein
Spiel Polyneſiens in Deutſchland einzuführen.
Unſere kleinen Mägdchen wiſſen es nicht, daſs
ihr Spiel mit fünf Steinchen griechiſchen, *) oder
wer weiſs was für Urſprungs iſt, und unſere Kna-
ben nennen das Pflöcken, was die Griechiſchen
Kindalismos hieſsen. Die Bauern in Ströbke
ſpielen mit denen am Ganges, am Seïnde-rud,
am Tigris und an den Jökeln von Island ein
Spiel, ich meine das Schach; und der Lappe
mahlt ſich Kartenblätter mit Rennthierblut auf

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[6/0038] der Muſen ſind Spiele und ohne die keuſchen Grazien ſtellen auch die Götter, wie Pindar ſingt, weder Feſte noch Tänze an. Nehmt vom Le- ben hinweg, was erzwungner Dienſt der eiſer- nen Nothwendigkeit iſt; was iſt in allem übri- gen nicht Spiel? Die Künſtler ſpielen mit der Natur, die Dichter mit ihrer Einbildungskraft, die Philoſophen mit Ideen, die Schönen mit unſern Herzen und die Könige, leider! — mit unſern Köpfen?“ Die Tradition trug ſie von jeher in alle Win- kel der Welt und es mag ſchwerer ſeyn, eine nützliche Erfindung, die Verbeſſerung eines landwirthſchaftlichen Inſtruments, aus einem Lande in das andere zu verpflanzen, als ein Spiel Polyneſiens in Deutſchland einzuführen. Unſere kleinen Mägdchen wiſſen es nicht, daſs ihr Spiel mit fünf Steinchen griechiſchen, *) oder wer weiſs was für Urſprungs iſt, und unſere Kna- ben nennen das Pflöcken, was die Griechiſchen Kindalismos hieſsen. Die Bauern in Ströbke ſpielen mit denen am Ganges, am Seïnde-rud, am Tigris und an den Jökeln von Island ein Spiel, ich meine das Schach; und der Lappe mahlt ſich Kartenblätter mit Rennthierblut auf *) πενταλιϑα. Pollux lib. IX. cap. 7. auch Meursius de ludis Graecor.

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Zitationshilfe: Guts Muths, Johann Christoph Friedrich: Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes. Schnepfenthal, 1796, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutsmuths_spiele_1796/38>, abgerufen am 24.04.2024.