Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.quae homines in omnibus statibus premunt. keine Liebe ist, da ist Haß, und wo Haß ist, da entstehen pericula. Al-so kan man nicht anders sagen, als daß der princeps schuld dran, biswei- len aber nicht. Wenn man die Auferziehung derer Printzen ansiehet, nil minus discunt, quam artem regnandi; au contraire sie fürchten sich vor aller Weißheit, und dencken, es sey ihnen nichts nütze, das bringen ihnen die Leute bey, welche einmahl selbst gerne regieren wollen. Ich will nichts sagen von der Griechischen und Lateinischen Weißheit, daß sie die sollten lernen, wiewohl es ihnen nichts schaden würde, wenn sie was davon wüsten. Denn sonst können sie die memoriale nicht verste- hen, aber sie lernen auch nichts. Jagen lernen sie, als wenn Regieren Jagen wäre. Auf den Krieg legen sie sich auch, daher, so bald sie in die Höhe kommen, suchen sie sich zu aggrandiren, und fangen einen Krieg an, indeß re- gieren sie nicht, sondern überlassen das Regiment denen Ministern. Und wenn es nicht gut in Kriege abläufft, so kan er nolens die Ministres nicht ent- behren. Dahero auch die Ministres nur suchen den Herrn in einen Krieg zu verwickeln, damit man sie nicht abschaffe. Mazarin hat bloß um deßwillen den Krieg wider Spanien continuiret, weil er gesehen, daß man ihn ab- gesetzet hätte, wenn Friede gewesen. Keine andere intention hatte vor kurtzen auch der Hertzog von Bourbon; denn er dachte: wenn gleich der König erwachsen, so müsse er ihn doch behalten. Zumahlen der jetzige König in Franckreich, so sich auch aufs Jagen leget, und dencket, wie er einen Auerhahn könne wegputzen. Bey einem solchen Herrn ist es noch ein Glück, wenn er einen guten Ministre bekommt; bekommt er a- ber einen Lerchen-Fänger, wie der Connetable Luynes bey dem Louis XIII. gewesen, so siehet es elend aus. Es ist kein Zweiffel, daß die Ministres nur auf ihr Interesse sehen; der Princeps nimmt sich seiner Unterthanen nicht an, daher entstehen factiones. Es finden sich böse Unterthanen, welche dem Principi nach dem Leben stehen, deswegen sie Guarde haben. Sie sind Sclaven von ihren Ministren. Bißweilen ist ein Herr gut, und hat doch böse Unterthanen: Denn kein Princeps kan es allen recht machen, und sind einige wider ihn, einige sind auf seiner Seite, meh- rentheils aber wird man sehen, daß der Princeps selbst an seinem Unglück schuld, das mortificiret sie: Denn es sind nicht alle Fürsten so beschaffen, wie Carolus IX: welcher mit einen sang froid können die Pasquille anse- hen, so auf ihn gemacht worden. Ludovicus XII. war auch ein Herr, der alles vertragen konnte. Es wär gut, wenn alle Fürsten so wären, Louis XIV. war schon nicht so. Der St. Evremont hat nicht wieder nach Franckreich dürffen kommen, weil er la paix ridicule geschrieben, der Ra- butin de Bussy hat müssen in die Bastille gehen, weil er den König passi- qui-
quæ homines in omnibus ſtatibus premunt. keine Liebe iſt, da iſt Haß, und wo Haß iſt, da entſtehen pericula. Al-ſo kan man nicht anders ſagen, als daß der princeps ſchuld dran, biswei- len aber nicht. Wenn man die Auferziehung derer Printzen anſiehet, nil minus diſcunt, quam artem regnandi; au contraire ſie fuͤrchten ſich vor aller Weißheit, und dencken, es ſey ihnen nichts nuͤtze, das bringen ihnen die Leute bey, welche einmahl ſelbſt gerne regieren wollen. Ich will nichts ſagen von der Griechiſchen und Lateiniſchen Weißheit, daß ſie die ſollten lernen, wiewohl es ihnen nichts ſchaden wuͤrde, wenn ſie was davon wuͤſten. Denn ſonſt koͤnnen ſie die memoriale nicht verſte- hen, aber ſie lernen auch nichts. Jagen lernen ſie, als wenn Regieren Jagen waͤre. Auf den Krieg legen ſie ſich auch, daher, ſo bald ſie in die Hoͤhe kommen, ſuchen ſie ſich zu aggrandiren, und fangen einen Krieg an, indeß re- gieren ſie nicht, ſondern uͤberlaſſen das Regiment denen Miniſtern. Und wenn es nicht gut in Kriege ablaͤufft, ſo kan er nolens die Miniſtres nicht ent- behren. Dahero auch die Miniſtres nur ſuchen den Herrn in einen Krieg zu verwickeln, damit man ſie nicht abſchaffe. Mazarin hat bloß um deßwillen den Krieg wider Spanien continuiret, weil er geſehen, daß man ihn ab- geſetzet haͤtte, wenn Friede geweſen. Keine andere intention hatte vor kurtzen auch der Hertzog von Bourbon; denn er dachte: wenn gleich der Koͤnig erwachſen, ſo muͤſſe er ihn doch behalten. Zumahlen der jetzige Koͤnig in Franckreich, ſo ſich auch aufs Jagen leget, und dencket, wie er einen Auerhahn koͤnne wegputzen. Bey einem ſolchen Herrn iſt es noch ein Gluͤck, wenn er einen guten Miniſtre bekommt; bekommt er a- ber einen Lerchen-Faͤnger, wie der Connêtable Luynes bey dem Louis XIII. geweſen, ſo ſiehet es elend aus. Es iſt kein Zweiffel, daß die Miniſtres nur auf ihr Intereſſe ſehen; der Princeps nimmt ſich ſeiner Unterthanen nicht an, daher entſtehen factiones. Es finden ſich boͤſe Unterthanen, welche dem Principi nach dem Leben ſtehen, deswegen ſie Guarde haben. Sie ſind Sclaven von ihren Miniſtren. Bißweilen iſt ein Herr gut, und hat doch boͤſe Unterthanen: Denn kein Princeps kan es allen recht machen, und ſind einige wider ihn, einige ſind auf ſeiner Seite, meh- rentheils aber wird man ſehen, daß der Princeps ſelbſt an ſeinem Ungluͤck ſchuld, das mortificiret ſie: Denn es ſind nicht alle Fuͤrſten ſo beſchaffen, wie Carolus IX: welcher mit einen ſang froid koͤnnen die Pasquille anſe- hen, ſo auf ihn gemacht worden. Ludovicus XII. war auch ein Herr, der alles vertragen konnte. Es waͤr gut, wenn alle Fuͤrſten ſo waͤren, Louis XIV. war ſchon nicht ſo. Der St. Evremont hat nicht wieder nach Franckreich duͤrffen kommen, weil er la paix ridicule geſchrieben, der Ra- butin de Buſſy hat muͤſſen in die Baſtille gehen, weil er den Koͤnig paſſi- qui-
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ſo kan man nicht anders ſagen, als daß der princeps ſchuld dran, biswei-
len aber nicht. Wenn man die Auferziehung derer Printzen anſiehet,
nil minus diſcunt, quam artem regnandi; au contraire ſie fuͤrchten ſich
vor aller Weißheit, und dencken, es ſey ihnen nichts nuͤtze, das bringen
ihnen die Leute bey, welche einmahl ſelbſt gerne regieren wollen. Ich
will nichts ſagen von der Griechiſchen und Lateiniſchen Weißheit, daß
ſie die ſollten lernen, wiewohl es ihnen nichts ſchaden wuͤrde, wenn ſie
was davon wuͤſten. Denn ſonſt koͤnnen ſie die memoriale nicht verſte-
hen, aber ſie lernen auch nichts. Jagen lernen ſie, als wenn Regieren
Jagen waͤre. Auf den Krieg legen ſie ſich auch, daher, ſo bald ſie in die Hoͤhe
kommen, ſuchen ſie ſich zu aggrandiren, und fangen einen Krieg an, indeß re-
gieren ſie nicht, ſondern uͤberlaſſen das Regiment denen Miniſtern. Und
wenn es nicht gut in Kriege ablaͤufft, ſo kan er nolens die Miniſtres nicht ent-
behren. Dahero auch die Miniſtres nur ſuchen den Herrn in einen Krieg zu
verwickeln, damit man ſie nicht abſchaffe. Mazarin hat bloß um deßwillen
den Krieg wider Spanien continuiret, weil er geſehen, daß man ihn ab-
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kurtzen auch der Hertzog von Bourbon; denn er dachte: wenn gleich der
Koͤnig erwachſen, ſo muͤſſe er ihn doch behalten. Zumahlen der jetzige
Koͤnig in Franckreich, ſo ſich auch aufs Jagen leget, und dencket, wie
er einen Auerhahn koͤnne wegputzen. Bey einem ſolchen Herrn iſt es
noch ein Gluͤck, wenn er einen guten Miniſtre bekommt; bekommt er a-
ber einen Lerchen-Faͤnger, wie der Connêtable Luynes bey dem Louis XIII.
geweſen, ſo ſiehet es elend aus. Es iſt kein Zweiffel, daß die Miniſtres
nur auf ihr Intereſſe ſehen; der Princeps nimmt ſich ſeiner Unterthanen
nicht an, daher entſtehen factiones. Es finden ſich boͤſe Unterthanen,
welche dem Principi nach dem Leben ſtehen, deswegen ſie Guarde haben.
Sie ſind Sclaven von ihren Miniſtren. Bißweilen iſt ein Herr gut,
und hat doch boͤſe Unterthanen: Denn kein Princeps kan es allen recht
machen, und ſind einige wider ihn, einige ſind auf ſeiner Seite, meh-
rentheils aber wird man ſehen, daß der Princeps ſelbſt an ſeinem Ungluͤck
ſchuld, das mortificiret ſie: Denn es ſind nicht alle Fuͤrſten ſo beſchaffen,
wie Carolus IX: welcher mit einen ſang froid koͤnnen die Pasquille anſe-
hen, ſo auf ihn gemacht worden. Ludovicus XII. war auch ein Herr,
der alles vertragen konnte. Es waͤr gut, wenn alle Fuͤrſten ſo waͤren,
Louis XIV. war ſchon nicht ſo. Der St. Evremont hat nicht wieder nach
Franckreich duͤrffen kommen, weil er la paix ridicule geſchrieben, der Ra-
butin de Buſſy hat muͤſſen in die Baſtille gehen, weil er den Koͤnig paſſi-
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