Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

Bild:
<< vorherige Seite

quae homines in omnibus statibus premunt.
kan: denn darum hat man eben die Lehrer in civitate. Der Herr ist
am meisten daran schuld, daß das Gesinde nichts taugt. Man sparet
bey dem Gesinde, und giebt ihnen nicht viel, daher müssen sie sich auf
eine andere Art suchen zu helffen, und stehlen. e.g. Hier giebt man
einer Magd 8. bis 12. Rthlr. das gantze Jahr über, und läßt sie noch
dabey hungern, deßwegen hat man kein tüchtig Gesinde, sie sehen bey
dem Herrn einen Ehrgeitz, daher suchen sie sich zu revangiren, und wenn
sie könnten einen Schaden wehren, so lassen sie es gehen, lachen heim-
lich drüber, wenn dem Herrn was zu Grunde gehet. In Holland sind
sie weit klüger, da geben sie denen Mägden vielmehr, und kan eine
Magd sich so viel erwerben, daß hernach ein Handwercks-Mann kommt,
und sie heyrathet.

§. 8. Wir supponiren, daß die Hauß-Väter in civitate sub im-Daß die in-
commoda
des
privat-Stan-
des durch den
statum civilem
noch vermeh-
ret werden.

perio sind, und sollte man meynen, wer einem Haußhalt angeleget, der
stünde in complemento felicitatis; allein sie haben eben vieles auszuste-
hen. Man promovirt nicht so wohl die Handthierungen, welche die
Hauß-Väter anfangen, sondern man verhindert sie vielmehr. Ihre
intention ist, daß sie wollten etwas erwerben; sie wollten ihre Kinder
ernehren, da werden sie aber greulich geschoren, und wenn sie auch was
profitiren, so geniessen sie nicht fructus ihrer Arbeit. Man findet keine
justiz, consequenter wird man nicht defendiret. Einer aber der soll Hand-
thierungen treiben, muß defendiret werden, wenn es soll von statten ge-
hen. Es giebt wohl Gerichte, aber wenn einer 6. Rthlr. erhalten will,
so kostet es ihm 30. Rthlr. Daher ist es so viel, als wenn gar keine
justiz da wäre. Weil nun eine inaequalitas in civitate, so supprimiret
auch der potentior den schwächern. In Franckreich, Holland und En-
geland floriren die Commercia, aber man findet auch daselbst, daß die
Leute geehret werden. Wenn man aber mancher Orten in Teutschland
einen Kauffmann ansiehet, so findet man, daß er vor verächtlich gehalten
wird; Daher wäre einer absurd, der sich an einem solchen Orte setzte,
wo er verachtet wird. Man sollte freylich die Leute ein wenig tondere,
daß sie nicht so viele Wolle hätten, so aber legt man ihnen so viel vecti-
galia
auf, daß sie kaum können Athen hohlen. Das disponiret denn
die Leute zu einem mecontentement. Denn alles Unglück kommt von
der inaequalitate. Wenn wir auch die ersten Unruhen ansehen, welche
in ipsis familiis entstanden, so finden wir, daß die inaequalitas daran Ur-
sach, daher haben sie sich separiret. Multo magis cum jam imperium
adest, querimoniis replentur omnes domus.

§. 9.
J 3

quæ homines in omnibus ſtatibus premunt.
kan: denn darum hat man eben die Lehrer in civitate. Der Herr iſt
am meiſten daran ſchuld, daß das Geſinde nichts taugt. Man ſparet
bey dem Geſinde, und giebt ihnen nicht viel, daher muͤſſen ſie ſich auf
eine andere Art ſuchen zu helffen, und ſtehlen. e.g. Hier giebt man
einer Magd 8. bis 12. Rthlr. das gantze Jahr uͤber, und laͤßt ſie noch
dabey hungern, deßwegen hat man kein tuͤchtig Geſinde, ſie ſehen bey
dem Herrn einen Ehrgeitz, daher ſuchen ſie ſich zu revangiren, und wenn
ſie koͤnnten einen Schaden wehren, ſo laſſen ſie es gehen, lachen heim-
lich druͤber, wenn dem Herrn was zu Grunde gehet. In Holland ſind
ſie weit kluͤger, da geben ſie denen Maͤgden vielmehr, und kan eine
Magd ſich ſo viel erwerben, daß hernach ein Handwercks-Mann kommt,
und ſie heyrathet.

§. 8. Wir ſupponiren, daß die Hauß-Vaͤter in civitate ſub im-Daß die in-
commoda
des
privat-Stan-
des durch den
ſtatum civilem
noch vermeh-
ret werden.

perio ſind, und ſollte man meynen, wer einem Haußhalt angeleget, der
ſtuͤnde in complemento felicitatis; allein ſie haben eben vieles auszuſte-
hen. Man promovirt nicht ſo wohl die Handthierungen, welche die
Hauß-Vaͤter anfangen, ſondern man verhindert ſie vielmehr. Ihre
intention iſt, daß ſie wollten etwas erwerben; ſie wollten ihre Kinder
ernehren, da werden ſie aber greulich geſchoren, und wenn ſie auch was
profitiren, ſo genieſſen ſie nicht fructus ihrer Arbeit. Man findet keine
juſtiz, conſequenter wird man nicht defendiret. Einer aber der ſoll Hand-
thierungen treiben, muß defendiret werden, wenn es ſoll von ſtatten ge-
hen. Es giebt wohl Gerichte, aber wenn einer 6. Rthlr. erhalten will,
ſo koſtet es ihm 30. Rthlr. Daher iſt es ſo viel, als wenn gar keine
juſtiz da waͤre. Weil nun eine inæqualitas in civitate, ſo ſupprimiret
auch der potentior den ſchwaͤchern. In Franckreich, Holland und En-
geland floriren die Commercia, aber man findet auch daſelbſt, daß die
Leute geehret werden. Wenn man aber mancher Orten in Teutſchland
einen Kauffmann anſiehet, ſo findet man, daß er vor veraͤchtlich gehalten
wird; Daher waͤre einer abſurd, der ſich an einem ſolchen Orte ſetzte,
wo er verachtet wird. Man ſollte freylich die Leute ein wenig tondere,
daß ſie nicht ſo viele Wolle haͤtten, ſo aber legt man ihnen ſo viel vecti-
galia
auf, daß ſie kaum koͤnnen Athen hohlen. Das diſponiret denn
die Leute zu einem mecontentement. Denn alles Ungluͤck kommt von
der inæqualitate. Wenn wir auch die erſten Unruhen anſehen, welche
in ipſis familiis entſtanden, ſo finden wir, daß die inæqualitas daran Ur-
ſach, daher haben ſie ſich ſepariret. Multo magis cum jam imperium
adeſt, querimoniis replentur omnes domus.

§. 9.
J 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0089" n="69"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">quæ homines in omnibus &#x017F;tatibus premunt.</hi></fw><lb/>
kan: denn darum hat man eben die Lehrer <hi rendition="#aq">in civitate.</hi> Der Herr i&#x017F;t<lb/>
am mei&#x017F;ten daran &#x017F;chuld, daß das Ge&#x017F;inde nichts taugt. Man &#x017F;paret<lb/>
bey dem Ge&#x017F;inde, und giebt ihnen nicht viel, daher mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie &#x017F;ich auf<lb/>
eine andere Art &#x017F;uchen zu helffen, und &#x017F;tehlen. <hi rendition="#aq">e.g.</hi> Hier giebt man<lb/>
einer Magd 8. bis 12. Rthlr. das gantze Jahr u&#x0364;ber, und la&#x0364;ßt &#x017F;ie noch<lb/>
dabey hungern, deßwegen hat man kein tu&#x0364;chtig Ge&#x017F;inde, &#x017F;ie &#x017F;ehen bey<lb/>
dem Herrn einen Ehrgeitz, daher &#x017F;uchen &#x017F;ie &#x017F;ich zu revangiren, und wenn<lb/>
&#x017F;ie ko&#x0364;nnten einen Schaden wehren, &#x017F;o la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie es gehen, lachen heim-<lb/>
lich dru&#x0364;ber, wenn dem Herrn was zu Grunde gehet. In Holland &#x017F;ind<lb/>
&#x017F;ie weit klu&#x0364;ger, da geben &#x017F;ie denen Ma&#x0364;gden vielmehr, und kan eine<lb/>
Magd &#x017F;ich &#x017F;o viel erwerben, daß hernach ein Handwercks-Mann kommt,<lb/>
und &#x017F;ie heyrathet.</p><lb/>
        <p>§. 8. Wir <hi rendition="#aq">&#x017F;upponi</hi>ren, daß die Hauß-Va&#x0364;ter <hi rendition="#aq">in civitate &#x017F;ub im-</hi><note place="right">Daß die <hi rendition="#aq">in-<lb/>
commoda</hi> des<lb/><hi rendition="#aq">privat-</hi>Stan-<lb/>
des durch den<lb/><hi rendition="#aq">&#x017F;tatum civilem</hi><lb/>
noch vermeh-<lb/>
ret werden.</note><lb/><hi rendition="#aq">perio</hi> &#x017F;ind, und &#x017F;ollte man meynen, wer einem Haußhalt angeleget, der<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;nde <hi rendition="#aq">in complemento felicitatis;</hi> allein &#x017F;ie haben eben vieles auszu&#x017F;te-<lb/>
hen. Man <hi rendition="#aq">promovi</hi>rt nicht &#x017F;o wohl die Handthierungen, welche die<lb/>
Hauß-Va&#x0364;ter anfangen, &#x017F;ondern man verhindert &#x017F;ie vielmehr. Ihre<lb/><hi rendition="#aq">intention</hi> i&#x017F;t, daß &#x017F;ie wollten etwas erwerben; &#x017F;ie wollten ihre Kinder<lb/>
ernehren, da werden &#x017F;ie aber greulich ge&#x017F;choren, und wenn &#x017F;ie auch was<lb/><hi rendition="#aq">profiti</hi>ren, &#x017F;o genie&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie nicht <hi rendition="#aq">fructus</hi> ihrer Arbeit. Man findet keine<lb/><hi rendition="#aq">ju&#x017F;tiz, con&#x017F;equenter</hi> wird man nicht <hi rendition="#aq">defendi</hi>ret. Einer aber der &#x017F;oll Hand-<lb/>
thierungen treiben, muß <hi rendition="#aq">defendi</hi>ret werden, wenn es &#x017F;oll von &#x017F;tatten ge-<lb/>
hen. Es giebt wohl Gerichte, aber wenn einer 6. Rthlr. erhalten will,<lb/>
&#x017F;o ko&#x017F;tet es ihm 30. Rthlr. Daher i&#x017F;t es &#x017F;o viel, als wenn gar keine<lb/><hi rendition="#aq">ju&#x017F;tiz</hi> da wa&#x0364;re. Weil nun eine <hi rendition="#aq">inæqualitas in civitate,</hi> &#x017F;o <hi rendition="#aq">&#x017F;upprimi</hi>ret<lb/>
auch der <hi rendition="#aq">potentior</hi> den &#x017F;chwa&#x0364;chern. In Franckreich, Holland und En-<lb/>
geland <hi rendition="#aq">flori</hi>ren die <hi rendition="#aq">Commercia,</hi> aber man findet auch da&#x017F;elb&#x017F;t, daß die<lb/>
Leute geehret werden. Wenn man aber mancher Orten in Teut&#x017F;chland<lb/>
einen Kauffmann an&#x017F;iehet, &#x017F;o findet man, daß er vor vera&#x0364;chtlich gehalten<lb/>
wird; Daher wa&#x0364;re einer <hi rendition="#aq">ab&#x017F;urd,</hi> der &#x017F;ich an einem &#x017F;olchen Orte &#x017F;etzte,<lb/>
wo er verachtet wird. Man &#x017F;ollte freylich die Leute ein wenig <hi rendition="#aq">tondere,</hi><lb/>
daß &#x017F;ie nicht &#x017F;o viele Wolle ha&#x0364;tten, &#x017F;o aber legt man ihnen &#x017F;o viel <hi rendition="#aq">vecti-<lb/>
galia</hi> auf, daß &#x017F;ie kaum ko&#x0364;nnen Athen hohlen. Das <hi rendition="#aq">di&#x017F;poni</hi>ret denn<lb/>
die Leute zu einem <hi rendition="#aq">mecontentement.</hi> Denn alles Unglu&#x0364;ck kommt von<lb/>
der <hi rendition="#aq">inæqualitate.</hi> Wenn wir auch die er&#x017F;ten Unruhen an&#x017F;ehen, welche<lb/><hi rendition="#aq">in ip&#x017F;is familiis</hi> ent&#x017F;tanden, &#x017F;o finden wir, daß die <hi rendition="#aq">inæqualitas</hi> daran Ur-<lb/>
&#x017F;ach, daher haben &#x017F;ie &#x017F;ich <hi rendition="#aq">&#x017F;epari</hi>ret. <hi rendition="#aq">Multo magis cum jam imperium<lb/>
ade&#x017F;t, querimoniis replentur omnes domus.</hi></p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">J 3</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">§. 9.</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0089] quæ homines in omnibus ſtatibus premunt. kan: denn darum hat man eben die Lehrer in civitate. Der Herr iſt am meiſten daran ſchuld, daß das Geſinde nichts taugt. Man ſparet bey dem Geſinde, und giebt ihnen nicht viel, daher muͤſſen ſie ſich auf eine andere Art ſuchen zu helffen, und ſtehlen. e.g. Hier giebt man einer Magd 8. bis 12. Rthlr. das gantze Jahr uͤber, und laͤßt ſie noch dabey hungern, deßwegen hat man kein tuͤchtig Geſinde, ſie ſehen bey dem Herrn einen Ehrgeitz, daher ſuchen ſie ſich zu revangiren, und wenn ſie koͤnnten einen Schaden wehren, ſo laſſen ſie es gehen, lachen heim- lich druͤber, wenn dem Herrn was zu Grunde gehet. In Holland ſind ſie weit kluͤger, da geben ſie denen Maͤgden vielmehr, und kan eine Magd ſich ſo viel erwerben, daß hernach ein Handwercks-Mann kommt, und ſie heyrathet. §. 8. Wir ſupponiren, daß die Hauß-Vaͤter in civitate ſub im- perio ſind, und ſollte man meynen, wer einem Haußhalt angeleget, der ſtuͤnde in complemento felicitatis; allein ſie haben eben vieles auszuſte- hen. Man promovirt nicht ſo wohl die Handthierungen, welche die Hauß-Vaͤter anfangen, ſondern man verhindert ſie vielmehr. Ihre intention iſt, daß ſie wollten etwas erwerben; ſie wollten ihre Kinder ernehren, da werden ſie aber greulich geſchoren, und wenn ſie auch was profitiren, ſo genieſſen ſie nicht fructus ihrer Arbeit. Man findet keine juſtiz, conſequenter wird man nicht defendiret. Einer aber der ſoll Hand- thierungen treiben, muß defendiret werden, wenn es ſoll von ſtatten ge- hen. Es giebt wohl Gerichte, aber wenn einer 6. Rthlr. erhalten will, ſo koſtet es ihm 30. Rthlr. Daher iſt es ſo viel, als wenn gar keine juſtiz da waͤre. Weil nun eine inæqualitas in civitate, ſo ſupprimiret auch der potentior den ſchwaͤchern. In Franckreich, Holland und En- geland floriren die Commercia, aber man findet auch daſelbſt, daß die Leute geehret werden. Wenn man aber mancher Orten in Teutſchland einen Kauffmann anſiehet, ſo findet man, daß er vor veraͤchtlich gehalten wird; Daher waͤre einer abſurd, der ſich an einem ſolchen Orte ſetzte, wo er verachtet wird. Man ſollte freylich die Leute ein wenig tondere, daß ſie nicht ſo viele Wolle haͤtten, ſo aber legt man ihnen ſo viel vecti- galia auf, daß ſie kaum koͤnnen Athen hohlen. Das diſponiret denn die Leute zu einem mecontentement. Denn alles Ungluͤck kommt von der inæqualitate. Wenn wir auch die erſten Unruhen anſehen, welche in ipſis familiis entſtanden, ſo finden wir, daß die inæqualitas daran Ur- ſach, daher haben ſie ſich ſepariret. Multo magis cum jam imperium adeſt, querimoniis replentur omnes domus. Daß die in- commoda des privat-Stan- des durch den ſtatum civilem noch vermeh- ret werden. §. 9. J 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/89
Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/89>, abgerufen am 21.11.2024.