sagt: Dionysius Halicarn: erzehle, daß Romulus denen Eltern ungemes- sene Gewalt über die Kinder gegeben. Denn Romulus wuste, daß wenn die Kinder ihren Eltern würden pariren, so würden sie ihm und seinen Nachfolgern des Reichs auch desto eher pariren. Der Paruta zeiget auch, wie das Römische Reich beschaffen gewesen und hernach aus der balance kommen.
§. 14. Diese servilis und certo respectu herilis societas scheinetStatus herilis & servilis. wunderlich zu seyn. Und wenn man solche in abstracto consideriret, so hätte man dieselbe freylich nicht gebrauchet. Denn die Leute hätten al- les selbst können verrichten, oder durch ihre Kinder solches thun können. Aber da die Kinder nicht geblieben sind, sondern sie gingen von denen Eltern weg, die Eltern sind alt worden, so hat man auf Leute gedacht, welche einem adsistiren könnten. Von Zeiten des Noä an bis auf den Nimrod lieset man nichts von Knechten. Aber wie die civitates entstun- den, und sie anfingen, einander zu attaquiren, so sind servi entstanden. Daher haben auch die Römer, und Griechen gemeynet, bellum sey die Ursache der Knechtschafft; aber sie ist nicht allein die Ursache, denn in civitatibus muß man darauf sehen, daß eine Ordnung ist, und jeder sich ernehren kan. Nun ist mancher stupid, er kan nichts lernen, er kan sich aber sonst nicht erhalten, daher muß er ein Knecht werden, und dem andern dienen. Zu Zeiten Abrahams finden wir schon Knechte, der hat sich Knechte gedungen: denn er hatte Gold und Silber, er ist auch reich gewesen an Heerden. Selbst sein Eleasar war ein Syrer; Abraham aber hat ihn gescheuet, und fromm gemacht. Das ist was surprenan- tes, wenn man lieset, daß Noa noch gelebet, und mit angesehen, wie seine posteri gottlos gewesen, und einander attaquiret. Sonderlich ist die posterite des Chams sehr gottlos gewesen: weil der Cham nichts ge- tauget. Was aber der Cham eigentlich vor ein crimen begangen, dar- über disputiret man. Hardt. Profess. Helmstad. welcher ein guter Philo- logus, hat in seinem Ephemiridibus vieles beygebracht, dadurch er zu zeigen sucht, er habe einen incestum mit seiner Stieff-Mutter begangen. Von dem Cham kommen auch die Egyptier, welche die gröste Abgötte- rey getrieben. Chemia soll auch vom Cham herkommen, wie Olaus Borrichius gemeynet. Man muß also nicht dencken, daß die Knechte ab- zuschaffen, sondern die Knechtschafft ist nun nothwendig: denn sonst mü- sten wir hinter den Pflug hergehen, und selbst unsere Schuhe putzen. Es sey nun, daß man die Knechte so tractiret, wie wir thun, oder sie als Leibeigene hanthieret, wie die Römer gethan, und auch noch in West- phalen geschiehet, beydes ist zu toleriren. Es haben auch die ersten Chri-
sten
G
De variis hominum Statibus.
ſagt: Dionyſius Halicarn: erzehle, daß Romulus denen Eltern ungemeſ- ſene Gewalt uͤber die Kinder gegeben. Denn Romulus wuſte, daß wenn die Kinder ihren Eltern wuͤrden pariren, ſo wuͤrden ſie ihm und ſeinen Nachfolgern des Reichs auch deſto eher pariren. Der Paruta zeiget auch, wie das Roͤmiſche Reich beſchaffen geweſen und hernach aus der balance kommen.
§. 14. Dieſe ſervilis und certo reſpectu herilis ſocietas ſcheinetStatus herilis & ſervilis. wunderlich zu ſeyn. Und wenn man ſolche in abſtracto conſideriret, ſo haͤtte man dieſelbe freylich nicht gebrauchet. Denn die Leute haͤtten al- les ſelbſt koͤnnen verrichten, oder durch ihre Kinder ſolches thun koͤnnen. Aber da die Kinder nicht geblieben ſind, ſondern ſie gingen von denen Eltern weg, die Eltern ſind alt worden, ſo hat man auf Leute gedacht, welche einem adſiſtiren koͤnnten. Von Zeiten des Noaͤ an bis auf den Nimrod lieſet man nichts von Knechten. Aber wie die civitates entſtun- den, und ſie anfingen, einander zu attaquiren, ſo ſind ſervi entſtanden. Daher haben auch die Roͤmer, und Griechen gemeynet, bellum ſey die Urſache der Knechtſchafft; aber ſie iſt nicht allein die Urſache, denn in civitatibus muß man darauf ſehen, daß eine Ordnung iſt, und jeder ſich ernehren kan. Nun iſt mancher ſtupid, er kan nichts lernen, er kan ſich aber ſonſt nicht erhalten, daher muß er ein Knecht werden, und dem andern dienen. Zu Zeiten Abrahams finden wir ſchon Knechte, der hat ſich Knechte gedungen: denn er hatte Gold und Silber, er iſt auch reich geweſen an Heerden. Selbſt ſein Eleaſar war ein Syrer; Abraham aber hat ihn geſcheuet, und fromm gemacht. Das iſt was ſurprenan- tes, wenn man lieſet, daß Noa noch gelebet, und mit angeſehen, wie ſeine poſteri gottlos geweſen, und einander attaquiret. Sonderlich iſt die poſteritè des Chams ſehr gottlos geweſen: weil der Cham nichts ge- tauget. Was aber der Cham eigentlich vor ein crimen begangen, dar- uͤber diſputiret man. Hardt. Profeſſ. Helmſtad. welcher ein guter Philo- logus, hat in ſeinem Ephemiridibus vieles beygebracht, dadurch er zu zeigen ſucht, er habe einen inceſtum mit ſeiner Stieff-Mutter begangen. Von dem Cham kommen auch die Egyptier, welche die groͤſte Abgoͤtte- rey getrieben. Chemia ſoll auch vom Cham herkommen, wie Olaus Borrichius gemeynet. Man muß alſo nicht dencken, daß die Knechte ab- zuſchaffen, ſondern die Knechtſchafft iſt nun nothwendig: denn ſonſt muͤ- ſten wir hinter den Pflug hergehen, und ſelbſt unſere Schuhe putzen. Es ſey nun, daß man die Knechte ſo tractiret, wie wir thun, oder ſie als Leibeigene hanthieret, wie die Roͤmer gethan, und auch noch in Weſt- phalen geſchiehet, beydes iſt zu toleriren. Es haben auch die erſten Chri-
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De variis hominum Statibus.
ſagt: Dionyſius Halicarn: erzehle, daß Romulus denen Eltern ungemeſ-
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wenn die Kinder ihren Eltern wuͤrden pariren, ſo wuͤrden ſie ihm und
ſeinen Nachfolgern des Reichs auch deſto eher pariren. Der Paruta
zeiget auch, wie das Roͤmiſche Reich beſchaffen geweſen und hernach
aus der balance kommen.
§. 14. Dieſe ſervilis und certo reſpectu herilis ſocietas ſcheinet
wunderlich zu ſeyn. Und wenn man ſolche in abſtracto conſideriret, ſo
haͤtte man dieſelbe freylich nicht gebrauchet. Denn die Leute haͤtten al-
les ſelbſt koͤnnen verrichten, oder durch ihre Kinder ſolches thun koͤnnen.
Aber da die Kinder nicht geblieben ſind, ſondern ſie gingen von denen
Eltern weg, die Eltern ſind alt worden, ſo hat man auf Leute gedacht,
welche einem adſiſtiren koͤnnten. Von Zeiten des Noaͤ an bis auf den
Nimrod lieſet man nichts von Knechten. Aber wie die civitates entſtun-
den, und ſie anfingen, einander zu attaquiren, ſo ſind ſervi entſtanden.
Daher haben auch die Roͤmer, und Griechen gemeynet, bellum ſey die
Urſache der Knechtſchafft; aber ſie iſt nicht allein die Urſache, denn in
civitatibus muß man darauf ſehen, daß eine Ordnung iſt, und jeder ſich
ernehren kan. Nun iſt mancher ſtupid, er kan nichts lernen, er kan
ſich aber ſonſt nicht erhalten, daher muß er ein Knecht werden, und dem
andern dienen. Zu Zeiten Abrahams finden wir ſchon Knechte, der hat
ſich Knechte gedungen: denn er hatte Gold und Silber, er iſt auch reich
geweſen an Heerden. Selbſt ſein Eleaſar war ein Syrer; Abraham
aber hat ihn geſcheuet, und fromm gemacht. Das iſt was ſurprenan-
tes, wenn man lieſet, daß Noa noch gelebet, und mit angeſehen, wie
ſeine poſteri gottlos geweſen, und einander attaquiret. Sonderlich iſt
die poſteritè des Chams ſehr gottlos geweſen: weil der Cham nichts ge-
tauget. Was aber der Cham eigentlich vor ein crimen begangen, dar-
uͤber diſputiret man. Hardt. Profeſſ. Helmſtad. welcher ein guter Philo-
logus, hat in ſeinem Ephemiridibus vieles beygebracht, dadurch er zu
zeigen ſucht, er habe einen inceſtum mit ſeiner Stieff-Mutter begangen.
Von dem Cham kommen auch die Egyptier, welche die groͤſte Abgoͤtte-
rey getrieben. Chemia ſoll auch vom Cham herkommen, wie Olaus
Borrichius gemeynet. Man muß alſo nicht dencken, daß die Knechte ab-
zuſchaffen, ſondern die Knechtſchafft iſt nun nothwendig: denn ſonſt muͤ-
ſten wir hinter den Pflug hergehen, und ſelbſt unſere Schuhe putzen.
Es ſey nun, daß man die Knechte ſo tractiret, wie wir thun, oder ſie als
Leibeigene hanthieret, wie die Roͤmer gethan, und auch noch in Weſt-
phalen geſchiehet, beydes iſt zu toleriren. Es haben auch die erſten Chri-
ſten
Status herilis
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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/69>, abgerufen am 16.02.2025.
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