Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.Cap. II. Wie kan er es thun? Mir gefällt wohl, was die Chineser vor dem gehabt,und noch haben, daß sie nur suchen ihren Kindern Weisheit, Klugheit und Tugend beyzubringen. Hat er nun dieses, so sagen sie hernach: Er solle eine Profession erwehlen. Ein Fürst muß freylich seinen Untertha- nen Freyheit lassen, eine profession zu erwehlen, was sie vor eine wollen; aber wenn er sähe, daß alle Leute sich wollten auf eine profession legen, e.g. alle wollten studiren, da sagt Richelieu in seinem Testament Politique, welches ein trefflich Buch, und allhier wohl zu gebrauchen, * gar wohl: Alsdenn könnte ein Herr setzen, es sollten nur solche studiren, die Mittel darzu oder einen extraordinairen Kopff hätten. Denn wenn alle Leute studiren wollen, so wird nur das Publicum incommodiret, indem das Publicum alle die Gelehrten erhalten muß; daher kommt es, daß, wenn sie sich nichts können acquiriren, so legen sie sich auf intriguen, und kommt alle Rabulisterey von denen Ignoranten her. Pour le Reste aber muß ein Fürst einem die Freyheit lassen: Denn es kommt auf eines sein genie an, wozu einer incliniret; wo aber keine inclination ist, da reussiret man auch nicht. Hierdurch bekommen auch die Eltern eine lection, daß sie ihre Kinder nicht sollen hindern, wozu sie eine inclination haben; aber da können sie dieselben abhalten, wenn sie auf eine profession fallen, welche nichts tauget. Suchte man erst die Kinder weise zu machen, so würden sie alsdenn auch auf keine wunderliche profession fallen. Wenn sich aber gleich ein Edelmann auf Krieges-Sachen leget, so muß er doch da- bey studiren: denn je klüger er ist, je mehr kan er avanciren. Sie kön- nen darneben auch die Mathematic tractiren, und nur darauf sehen, ut nunquam otiosi sint. Dem reinen ist alles rein, es mögen abusus bey einer Sache seyn oder nicht. Hier wird gewiesen, wie ein Pseudo-Po- liticus sich aufführet, das kan man nicht verschweigen, damit man ihn von einem vero Politico unterscheidet. Deßwegen ist die Politic nicht zu verwerffen, weil sich Leute finden können, die die principia pseudo-po- litica suchen zu appliciren. Es ist eben nicht nöthig, daß sich ein nobi- lis so sehr vertieffe in die Sachen, wie ein Doctor; daher als der König in Schweden Carl Gustav zu dem Grotio sagte: Er möchte gerne auch so was rechtes thun, so antwortete ihm Grotius: Ein Printz müsse freylich was wissen, sonst sey er wie eine Marionette, die sich nur von denen Leu- ten müsse regieren lassen; aber nur das Hauptwerck müsse er lernen, die übri- * Richelieu hat es nicht selbst gemacht, aber es ist nach seiner intention eingerich-
tet. Es sollte einer Noten darüber schreiben, und zeigen wo er abgewichen, denn der Richelieu, war nachmahls gar zu weltlich. Cap. II. Wie kan er es thun? Mir gefaͤllt wohl, was die Chineſer vor dem gehabt,und noch haben, daß ſie nur ſuchen ihren Kindern Weisheit, Klugheit und Tugend beyzubringen. Hat er nun dieſes, ſo ſagen ſie hernach: Er ſolle eine Profeſſion erwehlen. Ein Fuͤrſt muß freylich ſeinen Untertha- nen Freyheit laſſen, eine profeſſion zu erwehlen, was ſie vor eine wollen; aber wenn er ſaͤhe, daß alle Leute ſich wollten auf eine profeſſion legen, e.g. alle wollten ſtudiren, da ſagt Richelieu in ſeinem Teſtament Politique, welches ein trefflich Buch, und allhier wohl zu gebrauchen, * gar wohl: Alsdenn koͤnnte ein Herr ſetzen, es ſollten nur ſolche ſtudiren, die Mittel darzu oder einen extraordinairen Kopff haͤtten. Denn wenn alle Leute ſtudiren wollen, ſo wird nur das Publicum incommodiret, indem das Publicum alle die Gelehrten erhalten muß; daher kommt es, daß, wenn ſie ſich nichts koͤnnen acquiriren, ſo legen ſie ſich auf intriguen, und kommt alle Rabuliſterey von denen Ignoranten her. Pour le Reſte aber muß ein Fuͤrſt einem die Freyheit laſſen: Denn es kommt auf eines ſein genie an, wozu einer incliniret; wo aber keine inclination iſt, da reuſſiret man auch nicht. Hierdurch bekommen auch die Eltern eine lection, daß ſie ihre Kinder nicht ſollen hindern, wozu ſie eine inclination haben; aber da koͤnnen ſie dieſelben abhalten, wenn ſie auf eine profesſion fallen, welche nichts tauget. Suchte man erſt die Kinder weiſe zu machen, ſo wuͤrden ſie alsdenn auch auf keine wunderliche profesſion fallen. Wenn ſich aber gleich ein Edelmann auf Krieges-Sachen leget, ſo muß er doch da- bey ſtudiren: denn je kluͤger er iſt, je mehr kan er avanciren. Sie koͤn- nen darneben auch die Mathematic tractiren, und nur darauf ſehen, ut nunquam otioſi ſint. Dem reinen iſt alles rein, es moͤgen abuſus bey einer Sache ſeyn oder nicht. Hier wird gewieſen, wie ein Pſeudo-Po- liticus ſich auffuͤhret, das kan man nicht verſchweigen, damit man ihn von einem vero Politico unterſcheidet. Deßwegen iſt die Politic nicht zu verwerffen, weil ſich Leute finden koͤnnen, die die principia pſeudo-po- litica ſuchen zu appliciren. Es iſt eben nicht noͤthig, daß ſich ein nobi- lis ſo ſehr vertieffe in die Sachen, wie ein Doctor; daher als der Koͤnig in Schweden Carl Guſtav zu dem Grotio ſagte: Er moͤchte gerne auch ſo was rechtes thun, ſo antwortete ihm Grotius: Ein Printz muͤſſe freylich was wiſſen, ſonſt ſey er wie eine Marionette, die ſich nur von denen Leu- ten muͤſſe regieren laſſen; aber nur das Hauptwerck muͤſſe er lernen, die uͤbri- * Richelieu hat es nicht ſelbſt gemacht, aber es iſt nach ſeiner intention eingerich-
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Cap. II.
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und noch haben, daß ſie nur ſuchen ihren Kindern Weisheit, Klugheit und
Tugend beyzubringen. Hat er nun dieſes, ſo ſagen ſie hernach: Er
ſolle eine Profeſſion erwehlen. Ein Fuͤrſt muß freylich ſeinen Untertha-
nen Freyheit laſſen, eine profeſſion zu erwehlen, was ſie vor eine wollen;
aber wenn er ſaͤhe, daß alle Leute ſich wollten auf eine profeſſion legen,
e.g. alle wollten ſtudiren, da ſagt Richelieu in ſeinem Teſtament Politique,
welches ein trefflich Buch, und allhier wohl zu gebrauchen, * gar wohl:
Alsdenn koͤnnte ein Herr ſetzen, es ſollten nur ſolche ſtudiren, die Mittel
darzu oder einen extraordinairen Kopff haͤtten. Denn wenn alle Leute
ſtudiren wollen, ſo wird nur das Publicum incommodiret, indem das
Publicum alle die Gelehrten erhalten muß; daher kommt es, daß, wenn
ſie ſich nichts koͤnnen acquiriren, ſo legen ſie ſich auf intriguen, und kommt
alle Rabuliſterey von denen Ignoranten her. Pour le Reſte aber muß ein
Fuͤrſt einem die Freyheit laſſen: Denn es kommt auf eines ſein genie an,
wozu einer incliniret; wo aber keine inclination iſt, da reuſſiret man auch
nicht. Hierdurch bekommen auch die Eltern eine lection, daß ſie ihre
Kinder nicht ſollen hindern, wozu ſie eine inclination haben; aber da
koͤnnen ſie dieſelben abhalten, wenn ſie auf eine profesſion fallen, welche
nichts tauget. Suchte man erſt die Kinder weiſe zu machen, ſo wuͤrden
ſie alsdenn auch auf keine wunderliche profesſion fallen. Wenn ſich
aber gleich ein Edelmann auf Krieges-Sachen leget, ſo muß er doch da-
bey ſtudiren: denn je kluͤger er iſt, je mehr kan er avanciren. Sie koͤn-
nen darneben auch die Mathematic tractiren, und nur darauf ſehen, ut
nunquam otioſi ſint. Dem reinen iſt alles rein, es moͤgen abuſus bey
einer Sache ſeyn oder nicht. Hier wird gewieſen, wie ein Pſeudo-Po-
liticus ſich auffuͤhret, das kan man nicht verſchweigen, damit man ihn
von einem vero Politico unterſcheidet. Deßwegen iſt die Politic nicht zu
verwerffen, weil ſich Leute finden koͤnnen, die die principia pſeudo-po-
litica ſuchen zu appliciren. Es iſt eben nicht noͤthig, daß ſich ein nobi-
lis ſo ſehr vertieffe in die Sachen, wie ein Doctor; daher als der Koͤnig
in Schweden Carl Guſtav zu dem Grotio ſagte: Er moͤchte gerne auch ſo
was rechtes thun, ſo antwortete ihm Grotius: Ein Printz muͤſſe freylich
was wiſſen, ſonſt ſey er wie eine Marionette, die ſich nur von denen Leu-
ten muͤſſe regieren laſſen; aber nur das Hauptwerck muͤſſe er lernen, die
uͤbri-
* Richelieu hat es nicht ſelbſt gemacht, aber es iſt nach ſeiner intention eingerich-
tet. Es ſollte einer Noten daruͤber ſchreiben, und zeigen wo er abgewichen,
denn der Richelieu, war nachmahls gar zu weltlich.
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