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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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De prudentia aulica.

§. 32-33. Da nun gesagt worden, wer wolle nach Hofe gehen, müsse vielWie einer sich
bey Hofe her-
vor thun könne?

perfectiones haben; Er müsse suchen dem Fürsten bekannt zu werden; So entstehet die
Frage: Quomodo innotescat? Respond. Bekannt werden kan man nicht auf eine re-
gulam demonstrativam
bringen, sondern es kömmt bisweilen auf einen hazard an; In-
dessen aber hat man doch einige observationes, welche fast die Regul ausmachen. Man
kan sagen: Durch diese Art sind viele bekannt worden. Ich weiß selbst eine affaire,
da einer dem Principi bekannt worden, als man ihm ein Gleichniß von ihm gegeben,
da er gleich die Person sehen wollen, dieses ist ein casus, den man nicht unter die
Regul referiren kan. Manchmahl rencontriret der Herr einen, der ihn anstehet, wie
Sixtus V. alle schwartze Kerl, die ihm begegnel, in Dienste genommen. Was Leute von
condition sind, facilius innotescunt, quam reliqui. Ein Roturier kan sich nicht pro-
duci
ren, weil er keinen eclat machen kan, wegen seiner pauvrete und geringen Her-
kunfft. Hernach ist freylich wahr, daß einer sich durch eine eclatante That muß be-
kannt machen, es sey, wo es will, doch muß einer sein factum nicht bloß denen Be-
dienten bekannt machen: Denn so erfähret es der Herr nicht. Ja, wenn der Herr da
ist, so können einem die merita helffen, sonst aber kömmt das meiste auf recommenda-
tiones
an, und wenn gleich der Herr sagt: Ich will sie selbst sprechen, so ist doch der
Ministre darbey, welcher sagt, es sey ein wackerer Mensch. Viele meynen, meriten
und bravoure könnten allein zu wege bringen, daß einer avancirte. Diese sind nun
zwar gut, aber es darff einer nicht dencken, wenn er meriten und bravoure hat, daß er
gleich steigen werde, sondern, wenn einer selbige hat, so muß er sehen, daß er recom-
mendi
ret wird, und wenn du gleich könntest Mäuse machen, der Herr aber siehet dich
nicht, der Ministre läst dich nicht vor ihn, so wird dirs doch nicht helffen. Wenn du
gleich viele Tugenden hast, so hast du auch viele Fehler, da sagt der Ministre dem
Principi die Fehler, und verschweigt die Tugenden. Ist der Cammer-Diener bey dem Herrn
in credit, so must du dich an denselben addressiren. Was Republiquains sind, denen kommt
dieses Spanisch vor, weil in einer Republic alles ordentlich zugehet; Aber in einer
Monarchie, muß man offt von miserablen Leuten dependiren. Wir müssen uns selbst
verläugnen, wenn wir unsere fortune bey Hofe machen wollen. Quaer. Warum aber
wollen die Leute gern bey Hof avanciren? Respond. Sie suchen daselbst opes, divi-
tias,
Ehre zu erhalten.

§. 34-35. Die Leute sollten sich nicht accommodiren nach des Herrn sei-Wie man sich
in der Gnade
seines Fürsten
erhalten kön-
ne?

nen adfecten, sie thun es aber mehrentheils. Ist der Herr wollüstig, so suchen sie ihm ge-
meiniglich maitressen zuzuführen; Allerhand plaisir zu machen. Ist der Herr geitzig,
so accommodiren sie sich darnach, geben ihn allerhand modos an, dadurch er etwas kan
lucriren. Es darff einer nur die Höfe ansehen, wie sie jetzt beschaffen, so wird er die
bösen Künste überall antreffen. Ist der Herr ambitieux, so bringen sie ihm vor, wie er
neue conqueten machen könne, ein neues Ceremoniel einführen etc. Sie suchen also den
Herrn nicht auf den rechten Weg zu bringen. Diejenigen können den Herrn am besten
ausstudiren, welche beständig um ihn sind, und reden ihm nach seinen passionen,
deßwegen stehen die Cammer-Diener mehrentheils so in guten credit. Wer aber ein
gut Gewissen haben will, kan sich wohl in indifferenten Dingen accommodiren, aber
nicht in bösen Sachen.

§. 36-37. Vornehmlich muß einer sich bemühen die Grossen am Hofe alsWas in Anse-
hung derer
Ministres zu
thun sey?

Patronos und intermedias personas zu acquiriren. Es sind wenige, die directe durch
den Herrn in die Höhe kommen: Denn die Ministres sehen nicht gerne, daß einer soll
ohne sie avanciren. Ein gewisser Cavallier sollte sich einst bey einem Könige eine Gna-
de ausbitten, der antwortete dem Könige: Ihro Majestät recommendiren mich an den
Graf N. Der König lachete darüber, und that es; Der Graf sagte darnach apert:

Reutet
De prudentia aulica.

§. 32-33. Da nun geſagt worden, wer wolle nach Hofe gehen, muͤſſe vielWie einer ſich
bey Hofe her-
vor thun koͤñe?

perfectiones haben; Er muͤſſe ſuchen dem Fuͤrſten bekannt zu werden; So entſtehet die
Frage: Quomodo innoteſcat? Reſpond. Bekannt werden kan man nicht auf eine re-
gulam demonſtrativam
bringen, ſondern es koͤmmt bisweilen auf einen hazard an; In-
deſſen aber hat man doch einige obſervationes, welche faſt die Regul ausmachen. Man
kan ſagen: Durch dieſe Art ſind viele bekannt worden. Ich weiß ſelbſt eine affaire,
da einer dem Principi bekannt worden, als man ihm ein Gleichniß von ihm gegeben,
da er gleich die Perſon ſehen wollen, dieſes iſt ein caſus, den man nicht unter die
Regul referiren kan. Manchmahl rencontriret der Herr einen, der ihn anſtehet, wie
Sixtus V. alle ſchwartze Kerl, die ihm begegnel, in Dienſte genommen. Was Leute von
condition ſind, facilius innoteſcunt, quam reliqui. Ein Roturier kan ſich nicht pro-
duci
ren, weil er keinen eclat machen kan, wegen ſeiner pauvreté und geringen Her-
kunfft. Hernach iſt freylich wahr, daß einer ſich durch eine eclatante That muß be-
kannt machen, es ſey, wo es will, doch muß einer ſein factum nicht bloß denen Be-
dienten bekannt machen: Denn ſo erfaͤhret es der Herr nicht. Ja, wenn der Herr da
iſt, ſo koͤnnen einem die merita helffen, ſonſt aber koͤmmt das meiſte auf recommenda-
tiones
an, und wenn gleich der Herr ſagt: Ich will ſie ſelbſt ſprechen, ſo iſt doch der
Miniſtre darbey, welcher ſagt, es ſey ein wackerer Menſch. Viele meynen, meriten
und bravoure koͤnnten allein zu wege bringen, daß einer avancirte. Dieſe ſind nun
zwar gut, aber es darff einer nicht dencken, wenn er meriten und bravoure hat, daß er
gleich ſteigen werde, ſondern, wenn einer ſelbige hat, ſo muß er ſehen, daß er recom-
mendi
ret wird, und wenn du gleich koͤnnteſt Maͤuſe machen, der Herr aber ſiehet dich
nicht, der Miniſtre laͤſt dich nicht vor ihn, ſo wird dirs doch nicht helffen. Wenn du
gleich viele Tugenden haſt, ſo haſt du auch viele Fehler, da ſagt der Miniſtre dem
Principi die Fehler, und verſchweigt die Tugenden. Iſt der Cammer-Diener bey dem Herrn
in credit, ſo muſt du dich an denſelben addreſſiren. Was Republiquains ſind, denen kommt
dieſes Spaniſch vor, weil in einer Republic alles ordentlich zugehet; Aber in einer
Monarchie, muß man offt von miſerablen Leuten dependiren. Wir muͤſſen uns ſelbſt
verlaͤugnen, wenn wir unſere fortune bey Hofe machen wollen. Quær. Warum aber
wollen die Leute gern bey Hof avanciren? Reſpond. Sie ſuchen daſelbſt opes, divi-
tias,
Ehre zu erhalten.

§. 34-35. Die Leute ſollten ſich nicht accommodiren nach des Herrn ſei-Wie man ſich
in der Gnade
ſeines Fuͤrſten
erhalten koͤn-
ne?

nen adfecten, ſie thun es aber mehrentheils. Iſt der Herr wolluͤſtig, ſo ſuchen ſie ihm ge-
meiniglich maitreſſen zuzufuͤhren; Allerhand plaiſir zu machen. Iſt der Herr geitzig,
ſo accommodiren ſie ſich darnach, geben ihn allerhand modos an, dadurch er etwas kan
lucriren. Es darff einer nur die Hoͤfe anſehen, wie ſie jetzt beſchaffen, ſo wird er die
boͤſen Kuͤnſte uͤberall antreffen. Iſt der Herr ambitieux, ſo bringen ſie ihm vor, wie er
neue conqueten machen koͤnne, ein neues Ceremoniel einfuͤhren ꝛc. Sie ſuchen alſo den
Herrn nicht auf den rechten Weg zu bringen. Diejenigen koͤnnen den Herrn am beſten
ausſtudiren, welche beſtaͤndig um ihn ſind, und reden ihm nach ſeinen paſſionen,
deßwegen ſtehen die Cammer-Diener mehrentheils ſo in guten credit. Wer aber ein
gut Gewiſſen haben will, kan ſich wohl in indifferenten Dingen accommodiren, aber
nicht in boͤſen Sachen.

§. 36-37. Vornehmlich muß einer ſich bemuͤhen die Groſſen am Hofe alsWas in Anſe-
hung derer
Miniſtres zu
thun ſey?

Patronos und intermedias perſonas zu acquiriren. Es ſind wenige, die directe durch
den Herrn in die Hoͤhe kommen: Denn die Miniſtres ſehen nicht gerne, daß einer ſoll
ohne ſie avanciren. Ein gewiſſer Cavallier ſollte ſich einſt bey einem Koͤnige eine Gna-
de ausbitten, der antwortete dem Koͤnige: Ihro Majeſtaͤt recommendiren mich an den
Graf N. Der Koͤnig lachete daruͤber, und that es; Der Graf ſagte darnach apert:

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[495/0515] De prudentia aulica. §. 32-33. Da nun geſagt worden, wer wolle nach Hofe gehen, muͤſſe viel perfectiones haben; Er muͤſſe ſuchen dem Fuͤrſten bekannt zu werden; So entſtehet die Frage: Quomodo innoteſcat? Reſpond. Bekannt werden kan man nicht auf eine re- gulam demonſtrativam bringen, ſondern es koͤmmt bisweilen auf einen hazard an; In- deſſen aber hat man doch einige obſervationes, welche faſt die Regul ausmachen. Man kan ſagen: Durch dieſe Art ſind viele bekannt worden. Ich weiß ſelbſt eine affaire, da einer dem Principi bekannt worden, als man ihm ein Gleichniß von ihm gegeben, da er gleich die Perſon ſehen wollen, dieſes iſt ein caſus, den man nicht unter die Regul referiren kan. Manchmahl rencontriret der Herr einen, der ihn anſtehet, wie Sixtus V. alle ſchwartze Kerl, die ihm begegnel, in Dienſte genommen. Was Leute von condition ſind, facilius innoteſcunt, quam reliqui. Ein Roturier kan ſich nicht pro- duciren, weil er keinen eclat machen kan, wegen ſeiner pauvreté und geringen Her- kunfft. Hernach iſt freylich wahr, daß einer ſich durch eine eclatante That muß be- kannt machen, es ſey, wo es will, doch muß einer ſein factum nicht bloß denen Be- dienten bekannt machen: Denn ſo erfaͤhret es der Herr nicht. Ja, wenn der Herr da iſt, ſo koͤnnen einem die merita helffen, ſonſt aber koͤmmt das meiſte auf recommenda- tiones an, und wenn gleich der Herr ſagt: Ich will ſie ſelbſt ſprechen, ſo iſt doch der Miniſtre darbey, welcher ſagt, es ſey ein wackerer Menſch. Viele meynen, meriten und bravoure koͤnnten allein zu wege bringen, daß einer avancirte. Dieſe ſind nun zwar gut, aber es darff einer nicht dencken, wenn er meriten und bravoure hat, daß er gleich ſteigen werde, ſondern, wenn einer ſelbige hat, ſo muß er ſehen, daß er recom- mendiret wird, und wenn du gleich koͤnnteſt Maͤuſe machen, der Herr aber ſiehet dich nicht, der Miniſtre laͤſt dich nicht vor ihn, ſo wird dirs doch nicht helffen. Wenn du gleich viele Tugenden haſt, ſo haſt du auch viele Fehler, da ſagt der Miniſtre dem Principi die Fehler, und verſchweigt die Tugenden. Iſt der Cammer-Diener bey dem Herrn in credit, ſo muſt du dich an denſelben addreſſiren. Was Republiquains ſind, denen kommt dieſes Spaniſch vor, weil in einer Republic alles ordentlich zugehet; Aber in einer Monarchie, muß man offt von miſerablen Leuten dependiren. Wir muͤſſen uns ſelbſt verlaͤugnen, wenn wir unſere fortune bey Hofe machen wollen. Quær. Warum aber wollen die Leute gern bey Hof avanciren? Reſpond. Sie ſuchen daſelbſt opes, divi- tias, Ehre zu erhalten. Wie einer ſich bey Hofe her- vor thun koͤñe? §. 34-35. Die Leute ſollten ſich nicht accommodiren nach des Herrn ſei- nen adfecten, ſie thun es aber mehrentheils. Iſt der Herr wolluͤſtig, ſo ſuchen ſie ihm ge- meiniglich maitreſſen zuzufuͤhren; Allerhand plaiſir zu machen. Iſt der Herr geitzig, ſo accommodiren ſie ſich darnach, geben ihn allerhand modos an, dadurch er etwas kan lucriren. Es darff einer nur die Hoͤfe anſehen, wie ſie jetzt beſchaffen, ſo wird er die boͤſen Kuͤnſte uͤberall antreffen. Iſt der Herr ambitieux, ſo bringen ſie ihm vor, wie er neue conqueten machen koͤnne, ein neues Ceremoniel einfuͤhren ꝛc. Sie ſuchen alſo den Herrn nicht auf den rechten Weg zu bringen. Diejenigen koͤnnen den Herrn am beſten ausſtudiren, welche beſtaͤndig um ihn ſind, und reden ihm nach ſeinen paſſionen, deßwegen ſtehen die Cammer-Diener mehrentheils ſo in guten credit. Wer aber ein gut Gewiſſen haben will, kan ſich wohl in indifferenten Dingen accommodiren, aber nicht in boͤſen Sachen. Wie man ſich in der Gnade ſeines Fuͤrſten erhalten koͤn- ne? §. 36-37. Vornehmlich muß einer ſich bemuͤhen die Groſſen am Hofe als Patronos und intermedias perſonas zu acquiriren. Es ſind wenige, die directe durch den Herrn in die Hoͤhe kommen: Denn die Miniſtres ſehen nicht gerne, daß einer ſoll ohne ſie avanciren. Ein gewiſſer Cavallier ſollte ſich einſt bey einem Koͤnige eine Gna- de ausbitten, der antwortete dem Koͤnige: Ihro Majeſtaͤt recommendiren mich an den Graf N. Der Koͤnig lachete daruͤber, und that es; Der Graf ſagte darnach apert: Reutet Was in Anſe- hung derer Miniſtres zu thun ſey?

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 495. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/515>, abgerufen am 24.11.2024.