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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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Cap. V. De prudentia
se Herren wollen gerne egal seyn, und dencken also darauf die andern so
zu excediren, und in ihren Schrancken zu halten.

Wie man sich
gegen die Uber-
wundenen zu
verhalten ha-
be.

§. 33-34. Der character eines Weisen bestehet darinn, daß er
in adversis intrepidus sey; Ein grosser Herr muß nicht zittern, wie eine
Memme. Von Ludovico XIV. ist zu loben, daß, als er gehöret, die
Schlacht bey Höchstädt wäre verlohren, hat er gesagt: Mon Dieu, ist
denn mein Unglück noch nicht vorbey? Er hat gleich von neuen delibe-
ri
ret, was nunmehro zu thun sey. Philippus II. legte nicht einmahl die Feder
nieder, da er hörete, daß seine unüberwindliche Flotte verunglücket sey, son-
dern sagte nur: Ich habe sie nicht geschickt, daß sie sollen mit Wind und Wel-
len fechten. Ein König muß magnanimus seyn, und nicht vergessen, daß er
ein König. Joh. Friedrich spielete eben mit den Hertzog von Lüneburg im
Schach, da ihm des Todes Urtheil angekündiget worden; er war aber so
großmüthig daß er vor dem Hertzog von Lüneburg sagte: Er solte nur fort
spielen. Wenn es einem übel gehet, so hat er die meiste courage von-
nöthen. Viele Herren aber sind in adversis tristissimi. Von dem vori-
gen Churfürsten in Bayern hat man sonst sehr viel gehalten, aber seit
der Zeit hat sich sein aestime sehr verringert, da er aus Bayern gieng,
und war noch kein Feind darinnen. Wenn er drinnen geblieben, wür-
de er dem Kayser noch viel Hertzeleid verursachen können: Denn Bay-
ern ist ein Land, da man sich lange wehren kan, wegen der vielen Wäl-
der und Flüsse. In secundis, aber nicht in adversis. Wie Fridericus V.
der Winter-König, beym Weissen Berge die Schlacht verlohren, lieff
er nach Holstein, und endlich gar nach Engeland, welches alle reprehen-
di
ren und sagen: Er hätte sollen in Böhmen bleiben, aber er fürchtete
sich gleich, er möchte gefangen werden. Wer eine battaille verlohren
hat, muß nicht gleich Friedens-Vorschläge thun, denn sucht einer anxie
den Frieden, so kriegt er schlechte conditiones. Es kan aber auch einer
so Friedens-Vorschläge thun, daß er indessen Zeit gewinnet, sich in ei-
nen bessern Zustand zu setzen. So machte es der König in Franckreich,
wie derselbe am letzten Gesetze sang, so gab er praeliminaria ein, da man
fast nicht glauben konte, daß es sein Ernst war; damit hat er sie trai-
ni
ret, und indem die andern sich nicht mehr rüsteten, sondern verhofften
einen Frieden zu erhalten, so setzte er sich indeß wieder in gute positur,
und fieng von neuem Krieg an, wie man aus der negotiation zu Gertrü-
denberg sehen kan. Die Dänen musten Frieden machen, da Carl Gustav
vor Coppenhagen kam; aber sie haben auch einen miserablen Frieden be-
kommen. Die Türcken würden auch letztens einen miserablen Frieden be-
kommen haben, wenn die Holländer und Engeländer nicht gewesen wä-

ren,

Cap. V. De prudentia
ſe Herren wollen gerne egal ſeyn, und dencken alſo darauf die andern ſo
zu excediren, und in ihren Schrancken zu halten.

Wie man ſich
gegen die Uber-
wundenen zu
verhalten ha-
be.

§. 33-34. Der character eines Weiſen beſtehet darinn, daß er
in adverſis intrepidus ſey; Ein groſſer Herr muß nicht zittern, wie eine
Memme. Von Ludovico XIV. iſt zu loben, daß, als er gehoͤret, die
Schlacht bey Hoͤchſtaͤdt waͤre verlohren, hat er geſagt: Mon Dieu, iſt
denn mein Ungluͤck noch nicht vorbey? Er hat gleich von neuen delibe-
ri
ret, was nunmehro zu thun ſey. Philippus II. legte nicht einmahl die Feder
nieder, da er hoͤrete, daß ſeine unuͤberwindliche Flotte verungluͤcket ſey, ſon-
dern ſagte nur: Ich habe ſie nicht geſchickt, daß ſie ſollen mit Wind und Wel-
len fechten. Ein Koͤnig muß magnanimus ſeyn, und nicht vergeſſen, daß er
ein Koͤnig. Joh. Friedrich ſpielete eben mit den Hertzog von Luͤneburg im
Schach, da ihm des Todes Urtheil angekuͤndiget worden; er war aber ſo
großmuͤthig daß er vor dem Hertzog von Luͤneburg ſagte: Er ſolte nur fort
ſpielen. Wenn es einem uͤbel gehet, ſo hat er die meiſte courage von-
noͤthen. Viele Herren aber ſind in adverſis triſtiſſimi. Von dem vori-
gen Churfuͤrſten in Bayern hat man ſonſt ſehr viel gehalten, aber ſeit
der Zeit hat ſich ſein æſtime ſehr verringert, da er aus Bayern gieng,
und war noch kein Feind darinnen. Wenn er drinnen geblieben, wuͤr-
de er dem Kayſer noch viel Hertzeleid verurſachen koͤnnen: Denn Bay-
ern iſt ein Land, da man ſich lange wehren kan, wegen der vielen Waͤl-
der und Fluͤſſe. In ſecundis, aber nicht in adverſis. Wie Fridericus V.
der Winter-Koͤnig, beym Weiſſen Berge die Schlacht verlohren, lieff
er nach Holſtein, und endlich gar nach Engeland, welches alle reprehen-
di
ren und ſagen: Er haͤtte ſollen in Boͤhmen bleiben, aber er fuͤrchtete
ſich gleich, er moͤchte gefangen werden. Wer eine battaille verlohren
hat, muß nicht gleich Friedens-Vorſchlaͤge thun, denn ſucht einer anxie
den Frieden, ſo kriegt er ſchlechte conditiones. Es kan aber auch einer
ſo Friedens-Vorſchlaͤge thun, daß er indeſſen Zeit gewinnet, ſich in ei-
nen beſſern Zuſtand zu ſetzen. So machte es der Koͤnig in Franckreich,
wie derſelbe am letzten Geſetze ſang, ſo gab er præliminaria ein, da man
faſt nicht glauben konte, daß es ſein Ernſt war; damit hat er ſie trai-
ni
ret, und indem die andern ſich nicht mehr ruͤſteten, ſondern verhofften
einen Frieden zu erhalten, ſo ſetzte er ſich indeß wieder in gute poſitur,
und fieng von neuem Krieg an, wie man aus der negotiation zu Gertruͤ-
denberg ſehen kan. Die Daͤnen muſten Frieden machen, da Carl Guſtav
vor Coppenhagen kam; aber ſie haben auch einen miſerablen Frieden be-
kommen. Die Tuͤrcken wuͤrden auch letztens einen miſerablen Frieden be-
kommen haben, wenn die Hollaͤnder und Engelaͤnder nicht geweſen waͤ-

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[432/0452] Cap. V. De prudentia ſe Herren wollen gerne egal ſeyn, und dencken alſo darauf die andern ſo zu excediren, und in ihren Schrancken zu halten. §. 33-34. Der character eines Weiſen beſtehet darinn, daß er in adverſis intrepidus ſey; Ein groſſer Herr muß nicht zittern, wie eine Memme. Von Ludovico XIV. iſt zu loben, daß, als er gehoͤret, die Schlacht bey Hoͤchſtaͤdt waͤre verlohren, hat er geſagt: Mon Dieu, iſt denn mein Ungluͤck noch nicht vorbey? Er hat gleich von neuen delibe- riret, was nunmehro zu thun ſey. Philippus II. legte nicht einmahl die Feder nieder, da er hoͤrete, daß ſeine unuͤberwindliche Flotte verungluͤcket ſey, ſon- dern ſagte nur: Ich habe ſie nicht geſchickt, daß ſie ſollen mit Wind und Wel- len fechten. Ein Koͤnig muß magnanimus ſeyn, und nicht vergeſſen, daß er ein Koͤnig. Joh. Friedrich ſpielete eben mit den Hertzog von Luͤneburg im Schach, da ihm des Todes Urtheil angekuͤndiget worden; er war aber ſo großmuͤthig daß er vor dem Hertzog von Luͤneburg ſagte: Er ſolte nur fort ſpielen. Wenn es einem uͤbel gehet, ſo hat er die meiſte courage von- noͤthen. Viele Herren aber ſind in adverſis triſtiſſimi. Von dem vori- gen Churfuͤrſten in Bayern hat man ſonſt ſehr viel gehalten, aber ſeit der Zeit hat ſich ſein æſtime ſehr verringert, da er aus Bayern gieng, und war noch kein Feind darinnen. Wenn er drinnen geblieben, wuͤr- de er dem Kayſer noch viel Hertzeleid verurſachen koͤnnen: Denn Bay- ern iſt ein Land, da man ſich lange wehren kan, wegen der vielen Waͤl- der und Fluͤſſe. In ſecundis, aber nicht in adverſis. Wie Fridericus V. der Winter-Koͤnig, beym Weiſſen Berge die Schlacht verlohren, lieff er nach Holſtein, und endlich gar nach Engeland, welches alle reprehen- diren und ſagen: Er haͤtte ſollen in Boͤhmen bleiben, aber er fuͤrchtete ſich gleich, er moͤchte gefangen werden. Wer eine battaille verlohren hat, muß nicht gleich Friedens-Vorſchlaͤge thun, denn ſucht einer anxie den Frieden, ſo kriegt er ſchlechte conditiones. Es kan aber auch einer ſo Friedens-Vorſchlaͤge thun, daß er indeſſen Zeit gewinnet, ſich in ei- nen beſſern Zuſtand zu ſetzen. So machte es der Koͤnig in Franckreich, wie derſelbe am letzten Geſetze ſang, ſo gab er præliminaria ein, da man faſt nicht glauben konte, daß es ſein Ernſt war; damit hat er ſie trai- niret, und indem die andern ſich nicht mehr ruͤſteten, ſondern verhofften einen Frieden zu erhalten, ſo ſetzte er ſich indeß wieder in gute poſitur, und fieng von neuem Krieg an, wie man aus der negotiation zu Gertruͤ- denberg ſehen kan. Die Daͤnen muſten Frieden machen, da Carl Guſtav vor Coppenhagen kam; aber ſie haben auch einen miſerablen Frieden be- kommen. Die Tuͤrcken wuͤrden auch letztens einen miſerablen Frieden be- kommen haben, wenn die Hollaͤnder und Engelaͤnder nicht geweſen waͤ- ren,

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/452>, abgerufen am 24.11.2024.