Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.Cap. V. De prudentia überlegen: Ob er aus dem Kriege ein Interesse habe. Leute, so keinenVerstand haben, dencken nicht, daß man hier aus denen historischen Schrifften etwas lernen könne, da sie doch höchst nützlich, sonderlich in denen neuern Zeiten, da sie weitläufftig sind und alle Umstände berüh- ret. Ein politischer Mensch hat nichts nöthigers, als die neue Historie. Es ist hier zu recommendiren des Rapin Thoyras seine Historie von En- geland, worinnen er unter Henrico VIII. die deliberationes mit beyge- bracht, so man damahls gepflogen, wie Ludovico XII. sollte Krieg an- gekündiget werden, bey welcher Gelegenheit Rapin Thoyras eine reflexion gemacht, ob Henricus VIII. klug gethan, daß er sich in die alliance wi- der Ludovicum XII. begeben, in welcher die Schweitzer, der Pabst, der Kayser, die Spanier stunden. Er zeiget, daß Henricus nichts absurders vornehmen können. Es ist wahr, der König Henrich hatte alles, was zum Kriege gehörete, Geld, Schiffe, wackere Soldaten, Muth, cou- rage, aber er hat kein interesse gehabt, und nichts darbey profitiret. Wer will aber wohl pro gloria inepta & vana einen Krieg anfangen? Schaden hat er vielmehr darbey gehabt, indem er sein Geld depensiret, seine Leute auf die Schlacht-Banck geliefert. Wenn der Herr pro gloria nur Krieg anfängt, so liefert er nicht nur seine Leute auf die Schlacht-Banck, sondern ruiniret noch viele andere Menschen ohne Ur- sache. Zuletzt wurde aus dem Kriege nichts, als daß Ludovicus XII. Henrici Schwester geheyrathet. Dergleichen Dinge kan also niemand approbiren, welcher Vernunfft und eine misericordiam bey sich hat; hergegen, wenn es die Noth erfordert, oder es ist eine aperta utilitas vorhanden, welche so beschaffen, daß, wenn ich es nicht thue, so wäch- set dem andern etwas zu, und zuletzt gehe ich zu Grunde, da muß ich mich herum schlagen. Declariren, keinen Krieg anfangen, ist absurd, dergleichen sortise König Jacobus I. in Engeland begangen, und wenn sie ihm auf der Nase herum getantzet hätten, würde er doch keinen Krieg angefangen haben. Es ist auch deßwegen eine species ignominiae vor- handen, auf Seiten Jacobi I. Das Haus Stuart ist eben durch Jaco- bum so verhaßt, daß sich hernach solche fatalitäten zugetragen. Philip- pus Mornaeus, welcher Memoires d'Etat geschrieben in vier Bänden in 8. hat Carolo IX. das consilium gegeben, mit denen Spaniern Krieg anzu- fangen, und die Neformirten ruhen lassen, welches ihm nützlicher sey. Philippus Mornaeus war ein Gentil homme einer von den Häuptern der Reformirten, von welchem auch der König in Franckreich selbst, und die Catharina de Medices geglaubt, esse hominem sapientem, rerum pe- ritum simulque callidum. Callidus wird hier so genommen, daß artes bo- nae
Cap. V. De prudentia uͤberlegen: Ob er aus dem Kriege ein Intereſſe habe. Leute, ſo keinenVerſtand haben, dencken nicht, daß man hier aus denen hiſtoriſchen Schrifften etwas lernen koͤnne, da ſie doch hoͤchſt nuͤtzlich, ſonderlich in denen neuern Zeiten, da ſie weitlaͤufftig ſind und alle Umſtaͤnde beruͤh- ret. Ein politiſcher Menſch hat nichts noͤthigers, als die neue Hiſtorie. Es iſt hier zu recommendiren des Rapin Thoyras ſeine Hiſtorie von En- geland, worinnen er unter Henrico VIII. die deliberationes mit beyge- bracht, ſo man damahls gepflogen, wie Ludovico XII. ſollte Krieg an- gekuͤndiget werden, bey welcher Gelegenheit Rapin Thoyras eine reflexion gemacht, ob Henricus VIII. klug gethan, daß er ſich in die alliance wi- der Ludovicum XII. begeben, in welcher die Schweitzer, der Pabſt, der Kayſer, die Spanier ſtunden. Er zeiget, daß Henricus nichts abſurders vornehmen koͤnnen. Es iſt wahr, der Koͤnig Henrich hatte alles, was zum Kriege gehoͤrete, Geld, Schiffe, wackere Soldaten, Muth, cou- rage, aber er hat kein intereſſe gehabt, und nichts darbey profitiret. Wer will aber wohl pro gloria inepta & vana einen Krieg anfangen? Schaden hat er vielmehr darbey gehabt, indem er ſein Geld depenſiret, ſeine Leute auf die Schlacht-Banck geliefert. Wenn der Herr pro gloria nur Krieg anfaͤngt, ſo liefert er nicht nur ſeine Leute auf die Schlacht-Banck, ſondern ruiniret noch viele andere Menſchen ohne Ur- ſache. Zuletzt wurde aus dem Kriege nichts, als daß Ludovicus XII. Henrici Schweſter geheyrathet. Dergleichen Dinge kan alſo niemand approbiren, welcher Vernunfft und eine miſericordiam bey ſich hat; hergegen, wenn es die Noth erfordert, oder es iſt eine aperta utilitas vorhanden, welche ſo beſchaffen, daß, wenn ich es nicht thue, ſo waͤch- ſet dem andern etwas zu, und zuletzt gehe ich zu Grunde, da muß ich mich herum ſchlagen. Declariren, keinen Krieg anfangen, iſt abſurd, dergleichen ſortiſe Koͤnig Jacobus I. in Engeland begangen, und wenn ſie ihm auf der Naſe herum getantzet haͤtten, wuͤrde er doch keinen Krieg angefangen haben. Es iſt auch deßwegen eine ſpecies ignominiæ vor- handen, auf Seiten Jacobi I. Das Haus Stuart iſt eben durch Jaco- bum ſo verhaßt, daß ſich hernach ſolche fatalitaͤten zugetragen. Philip- pus Mornæus, welcher Memoires d’Etat geſchrieben in vier Baͤnden in 8. hat Carolo IX. das conſilium gegeben, mit denen Spaniern Krieg anzu- fangen, und die Neformirten ruhen laſſen, welches ihm nuͤtzlicher ſey. Philippus Mornæus war ein Gentil homme einer von den Haͤuptern der Reformirten, von welchem auch der Koͤnig in Franckreich ſelbſt, und die Catharina de Medices geglaubt, eſſe hominem ſapientem, rerum pe- ritum ſimulque callidum. Callidus wird hier ſo genommen, daß artes bo- næ
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Verſtand haben, dencken nicht, daß man hier aus denen hiſtoriſchen
Schrifften etwas lernen koͤnne, da ſie doch hoͤchſt nuͤtzlich, ſonderlich in
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Es iſt hier zu recommendiren des Rapin Thoyras ſeine Hiſtorie von En-
geland, worinnen er unter Henrico VIII. die deliberationes mit beyge-
bracht, ſo man damahls gepflogen, wie Ludovico XII. ſollte Krieg an-
gekuͤndiget werden, bey welcher Gelegenheit Rapin Thoyras eine reflexion
gemacht, ob Henricus VIII. klug gethan, daß er ſich in die alliance wi-
der Ludovicum XII. begeben, in welcher die Schweitzer, der Pabſt, der
Kayſer, die Spanier ſtunden. Er zeiget, daß Henricus nichts abſurders
vornehmen koͤnnen. Es iſt wahr, der Koͤnig Henrich hatte alles, was
zum Kriege gehoͤrete, Geld, Schiffe, wackere Soldaten, Muth, cou-
rage, aber er hat kein intereſſe gehabt, und nichts darbey profitiret.
Wer will aber wohl pro gloria inepta & vana einen Krieg anfangen?
Schaden hat er vielmehr darbey gehabt, indem er ſein Geld depenſiret,
ſeine Leute auf die Schlacht-Banck geliefert. Wenn der Herr
pro gloria nur Krieg anfaͤngt, ſo liefert er nicht nur ſeine Leute auf die
Schlacht-Banck, ſondern ruiniret noch viele andere Menſchen ohne Ur-
ſache. Zuletzt wurde aus dem Kriege nichts, als daß Ludovicus XII.
Henrici Schweſter geheyrathet. Dergleichen Dinge kan alſo niemand
approbiren, welcher Vernunfft und eine miſericordiam bey ſich hat;
hergegen, wenn es die Noth erfordert, oder es iſt eine aperta utilitas
vorhanden, welche ſo beſchaffen, daß, wenn ich es nicht thue, ſo waͤch-
ſet dem andern etwas zu, und zuletzt gehe ich zu Grunde, da muß ich
mich herum ſchlagen. Declariren, keinen Krieg anfangen, iſt abſurd,
dergleichen ſortiſe Koͤnig Jacobus I. in Engeland begangen, und wenn ſie
ihm auf der Naſe herum getantzet haͤtten, wuͤrde er doch keinen Krieg
angefangen haben. Es iſt auch deßwegen eine ſpecies ignominiæ vor-
handen, auf Seiten Jacobi I. Das Haus Stuart iſt eben durch Jaco-
bum ſo verhaßt, daß ſich hernach ſolche fatalitaͤten zugetragen. Philip-
pus Mornæus, welcher Memoires d’Etat geſchrieben in vier Baͤnden in 8.
hat Carolo IX. das conſilium gegeben, mit denen Spaniern Krieg anzu-
fangen, und die Neformirten ruhen laſſen, welches ihm nuͤtzlicher ſey.
Philippus Mornæus war ein Gentil homme einer von den Haͤuptern der
Reformirten, von welchem auch der Koͤnig in Franckreich ſelbſt, und
die Catharina de Medices geglaubt, eſſe hominem ſapientem, rerum pe-
ritum ſimulque callidum. Callidus wird hier ſo genommen, daß artes bo-
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