Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

Bild:
<< vorherige Seite

status circa religionem.
etwas. Sie haben in Engeland vor dem König nicht einmahl den Hut
abgezogen. Wie der König VVilliam nach Engeland kam, und sie tha-
ten auch den Hut nicht ab, hats ihm greulich verdrossen, weil ers von
denen Quackern in Holland nicht gewohnt gewesen, welche nicht so
schlimm sind, als in Engeland. Sie sagten, sie wären in der Vollkom-
menheit, und brauchten keine magistratus. Buddeus hat eine Disserta-
tion de religionis habitu ad vitam civilem
gehalten, welche er hernach
in octavo vermehrter edirt. Er hat die Schrifften etlicher Quacker ge-
lesen, welche ziemlich plausible geschrieben, davon man auch einiges fin-
den kan in des Theologi Beyeri Collegio Antifanatico, und meynt Bud-
deus,
es können dieselben wohl tolerirt werden. Gestünden wir doch
selbst, daß, wenn wir vollkommen wären, so brauchten wir keine impe-
rantes,
aber wir werden nur conditionate, und halten uns nicht vor
perfect. Ja, sagt Buddeus, sie würden nicht gleich Lermen machen;
Allein der Quacker wird furiosus, rabidus, furibundus, kanst du nicht
predigen. Wer das nicht glauben will, lese nur die Münsterische Histo-
rie, und kan er auch in des Arnolds Kirchen- und Ketzer-Historie da-
von Nachricht finden. Perizonius in Historia Seculi XVII. giebt rechte
Nachricht hievon. Sie haben extravagantien gemacht, dergleichen
man sich kaum einbilden kan, deßwegen aber will ich dem Herrn Buddeo
keiner heresis beschuldigen, wie die VVittembergenses gethan. Er hat
recht in abstracto, aber in concreto nicht, politisch hat er es nicht betrach-
tet. Dum quiescunt, so sind sie mente capti, kommen sie aber in furo-
rem,
so ist nichts zu helffen. In Engeland sind sonderlich viel Quacker,
wenn da ein Aeolus dazu kömmt, wie der Cromwell gewesen, so reissen
sie dem Könige den Kopf herunter. Clarendon in seiner Histoire de
Guerres civiles en Angleterre
hat auch gewiesen, was dieses vor Leute
sind. Nirgends ist der Fanaticismus mehr verhaßt, als in Franckreich.
Es war daselbst ein Fanaticus, Nahmens Demarais, von dem alle das
schimpfflichste geredet. Meistentheils sind sie homines Melancholico-
Sanguinei. Ratione Veneris
machen sie offt allerhand excesse, dum non
sunt tristes, sunt voluptuarii.
Ins Zucht-Hauß muß man solche En-
thusia
sten thun, und sie lassen raspeln, damit ihnen die Melancholie ver-
gehet, und sie keine Gesichter mehr sehen. In Engeland lassen auch die
Leute zu rechter Zeit Ader, ehe die Hundstage kommen, damit sie nicht
so einen raptum bekommen.

Sectio
Y y 3

ſtatus circa religionem.
etwas. Sie haben in Engeland vor dem Koͤnig nicht einmahl den Hut
abgezogen. Wie der Koͤnig VVilliam nach Engeland kam, und ſie tha-
ten auch den Hut nicht ab, hats ihm greulich verdroſſen, weil ers von
denen Quackern in Holland nicht gewohnt geweſen, welche nicht ſo
ſchlimm ſind, als in Engeland. Sie ſagten, ſie waͤren in der Vollkom-
menheit, und brauchten keine magiſtratus. Buddeus hat eine Diſſerta-
tion de religionis habitu ad vitam civilem
gehalten, welche er hernach
in octavo vermehrter edirt. Er hat die Schrifften etlicher Quacker ge-
leſen, welche ziemlich plauſible geſchrieben, davon man auch einiges fin-
den kan in des Theologi Beyeri Collegio Antifanatico, und meynt Bud-
deus,
es koͤnnen dieſelben wohl tolerirt werden. Geſtuͤnden wir doch
ſelbſt, daß, wenn wir vollkommen waͤren, ſo brauchten wir keine impe-
rantes,
aber wir werden nur conditionate, und halten uns nicht vor
perfect. Ja, ſagt Buddeus, ſie wuͤrden nicht gleich Lermen machen;
Allein der Quacker wird furioſus, rabidus, furibundus, kanſt du nicht
predigen. Wer das nicht glauben will, leſe nur die Muͤnſteriſche Hiſto-
rie, und kan er auch in des Arnolds Kirchen- und Ketzer-Hiſtorie da-
von Nachricht finden. Perizonius in Hiſtoria Seculi XVII. giebt rechte
Nachricht hievon. Sie haben extravagantien gemacht, dergleichen
man ſich kaum einbilden kan, deßwegen aber will ich dem Herrn Buddeo
keiner hereſis beſchuldigen, wie die VVittembergenſes gethan. Er hat
recht in abſtracto, aber in concreto nicht, politiſch hat er es nicht betrach-
tet. Dum quieſcunt, ſo ſind ſie mente capti, kommen ſie aber in furo-
rem,
ſo iſt nichts zu helffen. In Engeland ſind ſonderlich viel Quacker,
wenn da ein Aeolus dazu koͤmmt, wie der Cromwell geweſen, ſo reiſſen
ſie dem Koͤnige den Kopf herunter. Clarendon in ſeiner Hiſtoire de
Guerres civiles en Angleterre
hat auch gewieſen, was dieſes vor Leute
ſind. Nirgends iſt der Fanaticiſmus mehr verhaßt, als in Franckreich.
Es war daſelbſt ein Fanaticus, Nahmens Demarais, von dem alle das
ſchimpfflichſte geredet. Meiſtentheils ſind ſie homines Melancholico-
Sanguinei. Ratione Veneris
machen ſie offt allerhand exceſſe, dum non
ſunt triſtes, ſunt voluptuarii.
Ins Zucht-Hauß muß man ſolche En-
thuſia
ſten thun, und ſie laſſen raſpeln, damit ihnen die Melancholie ver-
gehet, und ſie keine Geſichter mehr ſehen. In Engeland laſſen auch die
Leute zu rechter Zeit Ader, ehe die Hundstage kommen, damit ſie nicht
ſo einen raptum bekommen.

Sectio
Y y 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0377" n="357"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">&#x017F;tatus circa religionem.</hi></fw><lb/>
etwas. Sie haben in Engeland vor dem Ko&#x0364;nig nicht einmahl den Hut<lb/>
abgezogen. Wie der Ko&#x0364;nig <hi rendition="#aq">VVilliam</hi> nach Engeland kam, und &#x017F;ie tha-<lb/>
ten auch den Hut nicht ab, hats ihm greulich verdro&#x017F;&#x017F;en, weil ers von<lb/>
denen Quackern in Holland nicht gewohnt gewe&#x017F;en, welche nicht &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chlimm &#x017F;ind, als in Engeland. Sie &#x017F;agten, &#x017F;ie wa&#x0364;ren in der Vollkom-<lb/>
menheit, und brauchten keine <hi rendition="#aq">magi&#x017F;tratus. Buddeus</hi> hat eine <hi rendition="#aq">Di&#x017F;&#x017F;erta-<lb/>
tion de religionis habitu ad vitam civilem</hi> gehalten, welche er hernach<lb/><hi rendition="#aq">in octavo</hi> vermehrter <hi rendition="#aq">edi</hi>rt. Er hat die Schrifften etlicher Quacker ge-<lb/>
le&#x017F;en, welche ziemlich <hi rendition="#aq">plau&#x017F;ible</hi> ge&#x017F;chrieben, davon man auch einiges fin-<lb/>
den kan in des <hi rendition="#aq">Theologi Beyeri Collegio Antifanatico,</hi> und meynt <hi rendition="#aq">Bud-<lb/>
deus,</hi> es ko&#x0364;nnen die&#x017F;elben wohl <hi rendition="#aq">toleri</hi>rt werden. Ge&#x017F;tu&#x0364;nden wir doch<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t, daß, wenn wir vollkommen wa&#x0364;ren, &#x017F;o brauchten wir keine <hi rendition="#aq">impe-<lb/>
rantes,</hi> aber wir werden nur <hi rendition="#aq">conditionate,</hi> und halten uns nicht vor<lb/><hi rendition="#aq">perfect.</hi> Ja, &#x017F;agt <hi rendition="#aq">Buddeus,</hi> &#x017F;ie wu&#x0364;rden nicht gleich Lermen machen;<lb/>
Allein der Quacker wird <hi rendition="#aq">furio&#x017F;us, rabidus, furibundus,</hi> kan&#x017F;t du nicht<lb/>
predigen. Wer das nicht glauben will, le&#x017F;e nur die Mu&#x0364;n&#x017F;teri&#x017F;che Hi&#x017F;to-<lb/>
rie, und kan er auch in des Arnolds Kirchen- und Ketzer-Hi&#x017F;torie da-<lb/>
von Nachricht finden. <hi rendition="#aq">Perizonius in Hi&#x017F;toria Seculi XVII.</hi> giebt rechte<lb/>
Nachricht hievon. Sie haben <hi rendition="#aq">extravaganti</hi>en gemacht, dergleichen<lb/>
man &#x017F;ich kaum einbilden kan, deßwegen aber will ich dem Herrn <hi rendition="#aq">Buddeo</hi><lb/>
keiner <hi rendition="#aq">here&#x017F;is</hi> be&#x017F;chuldigen, wie die <hi rendition="#aq">VVittembergen&#x017F;es</hi> gethan. Er hat<lb/>
recht <hi rendition="#aq">in ab&#x017F;tracto,</hi> aber <hi rendition="#aq">in concreto</hi> nicht, politi&#x017F;ch hat er es nicht betrach-<lb/>
tet. <hi rendition="#aq">Dum quie&#x017F;cunt,</hi> &#x017F;o &#x017F;ind &#x017F;ie <hi rendition="#aq">mente capti,</hi> kommen &#x017F;ie aber <hi rendition="#aq">in furo-<lb/>
rem,</hi> &#x017F;o i&#x017F;t nichts zu helffen. In Engeland &#x017F;ind &#x017F;onderlich viel Quacker,<lb/>
wenn da ein <hi rendition="#aq">Aeolus</hi> dazu ko&#x0364;mmt, wie der <hi rendition="#aq">Cromwell</hi> gewe&#x017F;en, &#x017F;o rei&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ie dem Ko&#x0364;nige den Kopf herunter. <hi rendition="#aq">Clarendon</hi> in &#x017F;einer <hi rendition="#aq">Hi&#x017F;toire de<lb/>
Guerres civiles en Angleterre</hi> hat auch gewie&#x017F;en, was die&#x017F;es vor Leute<lb/>
&#x017F;ind. Nirgends i&#x017F;t der <hi rendition="#aq">Fanatici&#x017F;mus</hi> mehr verhaßt, als in Franckreich.<lb/>
Es war da&#x017F;elb&#x017F;t ein <hi rendition="#aq">Fanaticus,</hi> Nahmens <hi rendition="#aq">Demarais,</hi> von dem alle das<lb/>
&#x017F;chimpfflich&#x017F;te geredet. Mei&#x017F;tentheils &#x017F;ind &#x017F;ie <hi rendition="#aq">homines Melancholico-<lb/>
Sanguinei. Ratione Veneris</hi> machen &#x017F;ie offt allerhand <hi rendition="#aq">exce&#x017F;&#x017F;e, dum non<lb/>
&#x017F;unt tri&#x017F;tes, &#x017F;unt voluptuarii.</hi> Ins Zucht-Hauß muß man &#x017F;olche <hi rendition="#aq">En-<lb/>
thu&#x017F;ia</hi>&#x017F;ten thun, und &#x017F;ie la&#x017F;&#x017F;en ra&#x017F;peln, damit ihnen die <hi rendition="#aq">Melancholie</hi> ver-<lb/>
gehet, und &#x017F;ie keine Ge&#x017F;ichter mehr &#x017F;ehen. In Engeland la&#x017F;&#x017F;en auch die<lb/>
Leute zu rechter Zeit Ader, ehe die Hundstage kommen, damit &#x017F;ie nicht<lb/>
&#x017F;o einen <hi rendition="#aq">raptum</hi> bekommen.</p>
          </div>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">Y y 3</fw>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#aq">Sectio</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[357/0377] ſtatus circa religionem. etwas. Sie haben in Engeland vor dem Koͤnig nicht einmahl den Hut abgezogen. Wie der Koͤnig VVilliam nach Engeland kam, und ſie tha- ten auch den Hut nicht ab, hats ihm greulich verdroſſen, weil ers von denen Quackern in Holland nicht gewohnt geweſen, welche nicht ſo ſchlimm ſind, als in Engeland. Sie ſagten, ſie waͤren in der Vollkom- menheit, und brauchten keine magiſtratus. Buddeus hat eine Diſſerta- tion de religionis habitu ad vitam civilem gehalten, welche er hernach in octavo vermehrter edirt. Er hat die Schrifften etlicher Quacker ge- leſen, welche ziemlich plauſible geſchrieben, davon man auch einiges fin- den kan in des Theologi Beyeri Collegio Antifanatico, und meynt Bud- deus, es koͤnnen dieſelben wohl tolerirt werden. Geſtuͤnden wir doch ſelbſt, daß, wenn wir vollkommen waͤren, ſo brauchten wir keine impe- rantes, aber wir werden nur conditionate, und halten uns nicht vor perfect. Ja, ſagt Buddeus, ſie wuͤrden nicht gleich Lermen machen; Allein der Quacker wird furioſus, rabidus, furibundus, kanſt du nicht predigen. Wer das nicht glauben will, leſe nur die Muͤnſteriſche Hiſto- rie, und kan er auch in des Arnolds Kirchen- und Ketzer-Hiſtorie da- von Nachricht finden. Perizonius in Hiſtoria Seculi XVII. giebt rechte Nachricht hievon. Sie haben extravagantien gemacht, dergleichen man ſich kaum einbilden kan, deßwegen aber will ich dem Herrn Buddeo keiner hereſis beſchuldigen, wie die VVittembergenſes gethan. Er hat recht in abſtracto, aber in concreto nicht, politiſch hat er es nicht betrach- tet. Dum quieſcunt, ſo ſind ſie mente capti, kommen ſie aber in furo- rem, ſo iſt nichts zu helffen. In Engeland ſind ſonderlich viel Quacker, wenn da ein Aeolus dazu koͤmmt, wie der Cromwell geweſen, ſo reiſſen ſie dem Koͤnige den Kopf herunter. Clarendon in ſeiner Hiſtoire de Guerres civiles en Angleterre hat auch gewieſen, was dieſes vor Leute ſind. Nirgends iſt der Fanaticiſmus mehr verhaßt, als in Franckreich. Es war daſelbſt ein Fanaticus, Nahmens Demarais, von dem alle das ſchimpfflichſte geredet. Meiſtentheils ſind ſie homines Melancholico- Sanguinei. Ratione Veneris machen ſie offt allerhand exceſſe, dum non ſunt triſtes, ſunt voluptuarii. Ins Zucht-Hauß muß man ſolche En- thuſiaſten thun, und ſie laſſen raſpeln, damit ihnen die Melancholie ver- gehet, und ſie keine Geſichter mehr ſehen. In Engeland laſſen auch die Leute zu rechter Zeit Ader, ehe die Hundstage kommen, damit ſie nicht ſo einen raptum bekommen. Sectio Y y 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/377
Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/377>, abgerufen am 21.11.2024.