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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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Cap. V. De prudentia
etwas wird gedacht werden. Der Kayser hat auch in Oesterreich etwas
anfangen wollen, aber die Noblesse und Pfaffen sind ihm zuwider ge-
wesen. Bayern hat es auch angefangen, wie Jo. Joach. Becher in seiner
Verbesserung Land und Leute gewiesen. Der Vortrag ist sensible, denn
ich sage: Gesetzt, ihr habt drey, vier Millionen Landes-Capitalien,
rechnet man es aber auch aus, wird alles weggeben und bleibet nichts
übrig im Lande. Ihr habt Materialien, und könnet alles selbsten fa-
brici
ren, wenn ihr wollet. Man kan zeigen, daß, wenn ein Land in
decadance gekommen, so haben sich die manufacturen changiret. Ita-
lien ist herunter. Sie haben in Italien die schönsten manufacturen,
aber die Wohlfeile machet, daß die Holländer, Engeländer und Fran-
tzosen ihre Sachen eher loß werden, sie sind in Italien pressirt mit gros-
sen imposten, daß sie es nicht wohlfeil geben können. Florentz, Meyland
und andere Städte haben noch schöne manufacturen, aber sie sind theuer.
In der Türckey wird noch alles von denen Venetianern gekaufft, und,
obgleich die Frantzosen dem Sultan offt presente mit ihren Stoffen ge-
than, so bleibt er doch bey denen Venetianern. Die Venetianer con-
servi
ren sich auch hiedurch noch, daß sie noch keine fremde Waaren nach
Venedig lassen. In Neapolis findet man auch treffliche manufacturen,
sonderlich von seidenen Zeugen. Der Urheber von allen guten Sachen
in Franckreich ist Henricus IV. wie Perefix in seinem Leben angemercket.
Henricus IV. sahe, daß die Frantzosen gerne reinlich giengen, das konte
er ihnen nicht wehren, ließ also Frantzosen nach Italien gehen und ler-
nen seidene Zeuge würcken; diese kamen zurück, er ließ Seide kauffen,
und fabricirten die schönen Zeuge. Der Frantzose ist ingenieux, potest
facile aliquid addere,
bald macht er grosse bald kleine Blumen hinein.
Die stultitia aber ist eingerissen in der Welt, daß man sich gern nach
Franckreich richtet, drum macht der König in Franckreich auch einen
grossen Staat, damit Fremde hinkommen, die suchen die Moden nach-
zuthun, und gehen die Frantzösische Waaren desto besser ab. Daher
bleiben die Frantzosen doch, wenn gleich die Engeländer und Holländer
alles nachmachen: Denn wenn sie es nachmachen, so ist es schon in
Franckreich alte Mode. Wie Henricus sahe, daß die Leute brav fabri-
ci
rten, so sagte er: die Seide wär zu theuer, wenn sie auch gleich aus
Persien, Smirna und Italien geholet würde; daher hat er so raisoni-
ret: In Savoyen haben sie Seiden-Würmer, in Spanien auch, das
Clima in Murcia, Granada und Piemont trifft überein mit dem in Lan-
guedoc,
also muß es auch in Languedoc angehen. Er hat lassen Maul-
beer-Bäume in Languedoc pflantzen, und es auch zuwege gebracht.

Die

Cap. V. De prudentia
etwas wird gedacht werden. Der Kayſer hat auch in Oeſterreich etwas
anfangen wollen, aber die Nobleſſe und Pfaffen ſind ihm zuwider ge-
weſen. Bayern hat es auch angefangen, wie Jo. Joach. Becher in ſeiner
Verbeſſerung Land und Leute gewieſen. Der Vortrag iſt ſenſible, denn
ich ſage: Geſetzt, ihr habt drey, vier Millionen Landes-Capitalien,
rechnet man es aber auch aus, wird alles weggeben und bleibet nichts
uͤbrig im Lande. Ihr habt Materialien, und koͤnnet alles ſelbſten fa-
brici
ren, wenn ihr wollet. Man kan zeigen, daß, wenn ein Land in
decadance gekommen, ſo haben ſich die manufacturen changiret. Ita-
lien iſt herunter. Sie haben in Italien die ſchoͤnſten manufacturen,
aber die Wohlfeile machet, daß die Hollaͤnder, Engelaͤnder und Fran-
tzoſen ihre Sachen eher loß werden, ſie ſind in Italien preſſirt mit groſ-
ſen impoſten, daß ſie es nicht wohlfeil geben koͤnnen. Florentz, Meyland
und andere Staͤdte haben noch ſchoͤne manufacturen, aber ſie ſind theuer.
In der Tuͤrckey wird noch alles von denen Venetianern gekaufft, und,
obgleich die Frantzoſen dem Sultan offt preſente mit ihren Stoffen ge-
than, ſo bleibt er doch bey denen Venetianern. Die Venetianer con-
ſervi
ren ſich auch hiedurch noch, daß ſie noch keine fremde Waaren nach
Venedig laſſen. In Neapolis findet man auch treffliche manufacturen,
ſonderlich von ſeidenen Zeugen. Der Urheber von allen guten Sachen
in Franckreich iſt Henricus IV. wie Perefix in ſeinem Leben angemercket.
Henricus IV. ſahe, daß die Frantzoſen gerne reinlich giengen, das konte
er ihnen nicht wehren, ließ alſo Frantzoſen nach Italien gehen und ler-
nen ſeidene Zeuge wuͤrcken; dieſe kamen zuruͤck, er ließ Seide kauffen,
und fabricirten die ſchoͤnen Zeuge. Der Frantzoſe iſt ingenieux, poteſt
facile aliquid addere,
bald macht er groſſe bald kleine Blumen hinein.
Die ſtultitia aber iſt eingeriſſen in der Welt, daß man ſich gern nach
Franckreich richtet, drum macht der Koͤnig in Franckreich auch einen
groſſen Staat, damit Fremde hinkommen, die ſuchen die Moden nach-
zuthun, und gehen die Frantzoͤſiſche Waaren deſto beſſer ab. Daher
bleiben die Frantzoſen doch, wenn gleich die Engelaͤnder und Hollaͤnder
alles nachmachen: Denn wenn ſie es nachmachen, ſo iſt es ſchon in
Franckreich alte Mode. Wie Henricus ſahe, daß die Leute brav fabri-
ci
rten, ſo ſagte er: die Seide waͤr zu theuer, wenn ſie auch gleich aus
Perſien, Smirna und Italien geholet wuͤrde; daher hat er ſo raiſoni-
ret: In Savoyen haben ſie Seiden-Wuͤrmer, in Spanien auch, das
Clima in Murcia, Granada und Piemont trifft uͤberein mit dem in Lan-
guedoc,
alſo muß es auch in Languedoc angehen. Er hat laſſen Maul-
beer-Baͤume in Languedoc pflantzen, und es auch zuwege gebracht.

Die
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[334/0354] Cap. V. De prudentia etwas wird gedacht werden. Der Kayſer hat auch in Oeſterreich etwas anfangen wollen, aber die Nobleſſe und Pfaffen ſind ihm zuwider ge- weſen. Bayern hat es auch angefangen, wie Jo. Joach. Becher in ſeiner Verbeſſerung Land und Leute gewieſen. Der Vortrag iſt ſenſible, denn ich ſage: Geſetzt, ihr habt drey, vier Millionen Landes-Capitalien, rechnet man es aber auch aus, wird alles weggeben und bleibet nichts uͤbrig im Lande. Ihr habt Materialien, und koͤnnet alles ſelbſten fa- briciren, wenn ihr wollet. Man kan zeigen, daß, wenn ein Land in decadance gekommen, ſo haben ſich die manufacturen changiret. Ita- lien iſt herunter. Sie haben in Italien die ſchoͤnſten manufacturen, aber die Wohlfeile machet, daß die Hollaͤnder, Engelaͤnder und Fran- tzoſen ihre Sachen eher loß werden, ſie ſind in Italien preſſirt mit groſ- ſen impoſten, daß ſie es nicht wohlfeil geben koͤnnen. Florentz, Meyland und andere Staͤdte haben noch ſchoͤne manufacturen, aber ſie ſind theuer. In der Tuͤrckey wird noch alles von denen Venetianern gekaufft, und, obgleich die Frantzoſen dem Sultan offt preſente mit ihren Stoffen ge- than, ſo bleibt er doch bey denen Venetianern. Die Venetianer con- ſerviren ſich auch hiedurch noch, daß ſie noch keine fremde Waaren nach Venedig laſſen. In Neapolis findet man auch treffliche manufacturen, ſonderlich von ſeidenen Zeugen. Der Urheber von allen guten Sachen in Franckreich iſt Henricus IV. wie Perefix in ſeinem Leben angemercket. Henricus IV. ſahe, daß die Frantzoſen gerne reinlich giengen, das konte er ihnen nicht wehren, ließ alſo Frantzoſen nach Italien gehen und ler- nen ſeidene Zeuge wuͤrcken; dieſe kamen zuruͤck, er ließ Seide kauffen, und fabricirten die ſchoͤnen Zeuge. Der Frantzoſe iſt ingenieux, poteſt facile aliquid addere, bald macht er groſſe bald kleine Blumen hinein. Die ſtultitia aber iſt eingeriſſen in der Welt, daß man ſich gern nach Franckreich richtet, drum macht der Koͤnig in Franckreich auch einen groſſen Staat, damit Fremde hinkommen, die ſuchen die Moden nach- zuthun, und gehen die Frantzoͤſiſche Waaren deſto beſſer ab. Daher bleiben die Frantzoſen doch, wenn gleich die Engelaͤnder und Hollaͤnder alles nachmachen: Denn wenn ſie es nachmachen, ſo iſt es ſchon in Franckreich alte Mode. Wie Henricus ſahe, daß die Leute brav fabri- cirten, ſo ſagte er: die Seide waͤr zu theuer, wenn ſie auch gleich aus Perſien, Smirna und Italien geholet wuͤrde; daher hat er ſo raiſoni- ret: In Savoyen haben ſie Seiden-Wuͤrmer, in Spanien auch, das Clima in Murcia, Granada und Piemont trifft uͤberein mit dem in Lan- guedoc, alſo muß es auch in Languedoc angehen. Er hat laſſen Maul- beer-Baͤume in Languedoc pflantzen, und es auch zuwege gebracht. Die

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/354>, abgerufen am 27.11.2024.