Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.Cap. V. De prudentia ja auch leben. So viel ein Herr nöthig hat, kan er wohl aus seinen do-mainen nehmen; der Hertzog Ernst von Gotha hat von seinem Wald- revenüen seinen gantzen Hof erhalten, auch seine Printzen lassen reisen, und wenn ja dem Herrn noch was sollte nöthig seyn, so wird der peuple allezeit suchen dem Herrn unter die Arme zu greiffen. Dieses wird in keinem Königreich desideriret werden. Nur die Pohlen geben nicht gerne viel darüber. Was aber ein König in Pohlen hat, davon kan er schon leben. Er braucht niemand zu besolden, als seine guarde, die übrigen Bedienten hat er alle umsonst. Indessen hat er doch or- dentlich etliche hundert tausend Thaler revenüen, und wo der König ist, bringen sie ihm alles in die Küche. Hergegen aber sind noch viele char- gen im Lande. Alles, was Bediente heissen, lebet ex publico. Es muß auch alles in baulichen Wesen erhalten werden, das erfordert Geld. Daher ist kein geringes municipium, welches nicht revenüen hat, wo- durch alles in gutem Stande erhalten wird. Ich bin auch in der per- suasion, daß man denen Rath-Häusern soll etwas lassen, aber Rech- nung von ihnen fordern. Denn was ist das vor eine schöne Stadt, wo man in Koth fällt bis über die Ohren? Die Leute wohnen nicht gerne an einem solchen Orte. Also siehet man wohl, wie daß ohne Geld nichts auszurichten. Das sind Chimaeren, wenn man meynet, man brauche kein Geld. Erst hat man freylich keines gehabt, und weiß man, woher es entstanden, welches ich in einer besondern Dissertation in Gundl. demonstriret, nunmehro aber ist es impossible, ohne Geld zu seyn; au contraire, wo kein Geld ist, da giebt es eine affreuse Gestalt. Copius, ein Engeländer, hat in Englischer Sprache eine Probe vom Christlichen Glauben geschrieben, worinnen er auch einen Discours von Gelde hat. Roy in seinem Tractat l' Existence & la Sagesse de Dieu handelt auch hie- von, und hat jenen excerpiret. Pecunia est nervus rerum gerendarum. Diejenigen, welche meynen, man brauche kein Geld, gehören nicht in die Politic: denn das sind abstracte discourse. Wer wird sagen, daß die Menschen obligirt wären, in Wald zu lauffen, Wurtzeln zu essen, und Wasser zu trincken, daher siehet man, omnes artes cessarent, si aurum, argentum cessaret. Man wird auch finden, daß diejenigen Völcker, welche kein Geld gehabt, in einem miserablen Zustande gewesen. Ob- gleich das Geld anfangs aus einem affect enstanden, welcher nicht viel taugt, so reden wir doch hier ex hypothesi. Wir wissen auch, wie die Sünde kommen, und doch sind wir nicht ohne Sünde. Man muß sich drein schicken, damit man nicht gar zu Grunde gehet. Noch vielweni- ger kan man sine pecunia seyn, in Ansehung unsers Standes, wenn wir
Cap. V. De prudentia ja auch leben. So viel ein Herr noͤthig hat, kan er wohl aus ſeinen do-mainen nehmen; der Hertzog Ernſt von Gotha hat von ſeinem Wald- revenüen ſeinen gantzen Hof erhalten, auch ſeine Printzen laſſen reiſen, und wenn ja dem Herrn noch was ſollte noͤthig ſeyn, ſo wird der peuple allezeit ſuchen dem Herrn unter die Arme zu greiffen. Dieſes wird in keinem Koͤnigreich deſideriret werden. Nur die Pohlen geben nicht gerne viel daruͤber. Was aber ein Koͤnig in Pohlen hat, davon kan er ſchon leben. Er braucht niemand zu beſolden, als ſeine guarde, die uͤbrigen Bedienten hat er alle umſonſt. Indeſſen hat er doch or- dentlich etliche hundert tauſend Thaler revenüen, und wo der Koͤnig iſt, bringen ſie ihm alles in die Kuͤche. Hergegen aber ſind noch viele char- gen im Lande. Alles, was Bediente heiſſen, lebet ex publico. Es muß auch alles in baulichen Weſen erhalten werden, das erfordert Geld. Daher iſt kein geringes municipium, welches nicht revenüen hat, wo- durch alles in gutem Stande erhalten wird. Ich bin auch in der per- ſuaſion, daß man denen Rath-Haͤuſern ſoll etwas laſſen, aber Rech- nung von ihnen fordern. Denn was iſt das vor eine ſchoͤne Stadt, wo man in Koth faͤllt bis uͤber die Ohren? Die Leute wohnen nicht gerne an einem ſolchen Orte. Alſo ſiehet man wohl, wie daß ohne Geld nichts auszurichten. Das ſind Chimæren, wenn man meynet, man brauche kein Geld. Erſt hat man freylich keines gehabt, und weiß man, woher es entſtanden, welches ich in einer beſondern Diſſertation in Gundl. demonſtriret, nunmehro aber iſt es impoſſible, ohne Geld zu ſeyn; au contraire, wo kein Geld iſt, da giebt es eine affreuſe Geſtalt. Copius, ein Engelaͤnder, hat in Engliſcher Sprache eine Probe vom Chriſtlichen Glauben geſchrieben, worinnen er auch einen Diſcours von Gelde hat. Roy in ſeinem Tractat l’ Exiſtence & la Sageſſe de Dieu handelt auch hie- von, und hat jenen excerpiret. Pecunia eſt nervus rerum gerendarum. Diejenigen, welche meynen, man brauche kein Geld, gehoͤren nicht in die Politic: denn das ſind abſtracte diſcourſe. Wer wird ſagen, daß die Menſchen obligirt waͤren, in Wald zu lauffen, Wurtzeln zu eſſen, und Waſſer zu trincken, daher ſiehet man, omnes artes ceſſarent, ſi aurum, argentum ceſſaret. Man wird auch finden, daß diejenigen Voͤlcker, welche kein Geld gehabt, in einem miſerablen Zuſtande geweſen. Ob- gleich das Geld anfangs aus einem affect enſtanden, welcher nicht viel taugt, ſo reden wir doch hier ex hypotheſi. Wir wiſſen auch, wie die Suͤnde kommen, und doch ſind wir nicht ohne Suͤnde. Man muß ſich drein ſchicken, damit man nicht gar zu Grunde gehet. Noch vielweni- ger kan man ſine pecunia ſeyn, in Anſehung unſers Standes, wenn wir
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Cap. V. De prudentia
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revenüen ſeinen gantzen Hof erhalten, auch ſeine Printzen laſſen reiſen,
und wenn ja dem Herrn noch was ſollte noͤthig ſeyn, ſo wird der
peuple allezeit ſuchen dem Herrn unter die Arme zu greiffen. Dieſes
wird in keinem Koͤnigreich deſideriret werden. Nur die Pohlen geben
nicht gerne viel daruͤber. Was aber ein Koͤnig in Pohlen hat, davon
kan er ſchon leben. Er braucht niemand zu beſolden, als ſeine guarde,
die uͤbrigen Bedienten hat er alle umſonſt. Indeſſen hat er doch or-
dentlich etliche hundert tauſend Thaler revenüen, und wo der Koͤnig iſt,
bringen ſie ihm alles in die Kuͤche. Hergegen aber ſind noch viele char-
gen im Lande. Alles, was Bediente heiſſen, lebet ex publico. Es muß
auch alles in baulichen Weſen erhalten werden, das erfordert Geld.
Daher iſt kein geringes municipium, welches nicht revenüen hat, wo-
durch alles in gutem Stande erhalten wird. Ich bin auch in der per-
ſuaſion, daß man denen Rath-Haͤuſern ſoll etwas laſſen, aber Rech-
nung von ihnen fordern. Denn was iſt das vor eine ſchoͤne Stadt, wo
man in Koth faͤllt bis uͤber die Ohren? Die Leute wohnen nicht gerne
an einem ſolchen Orte. Alſo ſiehet man wohl, wie daß ohne Geld
nichts auszurichten. Das ſind Chimæren, wenn man meynet, man
brauche kein Geld. Erſt hat man freylich keines gehabt, und weiß man,
woher es entſtanden, welches ich in einer beſondern Diſſertation in Gundl.
demonſtriret, nunmehro aber iſt es impoſſible, ohne Geld zu ſeyn; au
contraire, wo kein Geld iſt, da giebt es eine affreuſe Geſtalt. Copius,
ein Engelaͤnder, hat in Engliſcher Sprache eine Probe vom Chriſtlichen
Glauben geſchrieben, worinnen er auch einen Diſcours von Gelde hat.
Roy in ſeinem Tractat l’ Exiſtence & la Sageſſe de Dieu handelt auch hie-
von, und hat jenen excerpiret. Pecunia eſt nervus rerum gerendarum.
Diejenigen, welche meynen, man brauche kein Geld, gehoͤren nicht in die
Politic: denn das ſind abſtracte diſcourſe. Wer wird ſagen, daß die
Menſchen obligirt waͤren, in Wald zu lauffen, Wurtzeln zu eſſen, und
Waſſer zu trincken, daher ſiehet man, omnes artes ceſſarent, ſi aurum,
argentum ceſſaret. Man wird auch finden, daß diejenigen Voͤlcker,
welche kein Geld gehabt, in einem miſerablen Zuſtande geweſen. Ob-
gleich das Geld anfangs aus einem affect enſtanden, welcher nicht viel
taugt, ſo reden wir doch hier ex hypotheſi. Wir wiſſen auch, wie die
Suͤnde kommen, und doch ſind wir nicht ohne Suͤnde. Man muß ſich
drein ſchicken, damit man nicht gar zu Grunde gehet. Noch vielweni-
ger kan man ſine pecunia ſeyn, in Anſehung unſers Standes, wenn
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