Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.Cap. V. reden will in conversation, der muß de rebus reden, raro de personis. Catohat nicht leiden wollen, daß über seiner Tafel von einem andern gespro- chen worden, welches eine grosse generosite von ihm gewesen ist. Wer diesem Catonem recht kennen will, der muß den Plutarchum lesen. Er sagt: Man würde von andern Leuten selten was Gutes sprechen, daher sagt Hobbesius, man thäte am klügsten, wenn man am spätesten aus ei- ner compagnie heraus gienge: Denn es wäre die närrische facon unter den Menschen, daß wenn einer fortgienge, so redeten die andern von ihm. Wenn einer von andern Leuten übel schwatzet, und ein ander höret es, so mißfällt es entweder ihm, oder wenn es ihm auch gefällt, so trauet er dir doch nicht mehr, odio de prosequitur, fugit, te, sonderlich wenn man wahrnimmt, daß er ohne viele raison, von andern Leuten schwatzet. Die Schwatzereyen von andern Leuten sind auch mehrentheils so beschaffen, daß man was dazu saget, denn in compagnie will man nicht vulgaria sagen, das hören die andern nicht gerne, sondern es sollen singularia, pa- radoxa seyn; Da setzt denn einer was dazu, ut calumniatur audaciter. Hieraus siehet man, daß noch viel absurder ist, wenn einer von sich selbst redet, und machet sich eine eloge, als wie man von Salmasio sa- get, daß wenn er von sich geredet, habe er allezeit den Huth abgenom- men, dieses erzehlet Menage in seinen Menagianis. Homines jactabundi habentur pro hominibus vanis. Man siehet, daß solche Leute sind ange- schwängert mit einer Liebe gegen sich selbst. Das begegnet offt Leuten, von denen man sonst in alio capite einen guten concept hat. Und ob- gleich Salmasius zu seiner Zeit ein hochgelahrter Mann gewesen, der eine lecture und jugement gehabt, so hatte er doch in diesem Stücke einen grossen Fehler. Salustius sagt von einem solchen Menschen: Sanior an stultior. Und wenn einer auch sonst meriten hat, weßwegen er kan ge- liebet werden, so muß er es doch nicht selbst sagen, gleichwie auch keiner den andern ins Gesicht loben muß: Denn den hält man für einen Schmeich- ler, Lügner. Da ein honette homme nicht gerne von sich was redet, so läst er sich auch nicht gerne loben; und wer ein bißgen gescheuet ist, der bittet vor, ihm zu verschonen, wenn ein anderer kommt, und ihn lo- ben will. Was ein rechtschaffener Mann ist, der hat einen herrorem davor. Eben so ist es auch beschaffen, wenn einer ein Carmen ma- chet, und einen gar zu sehr lobet. Dem Friderico Wilhelmo machten einsmahls die Studenten in Francksurth an der Oder ein Carmen, und überreichten es ihm auf den Fecht-Boden, worinnen stunde: Du mehr als halber GOtt; darüber war Fridericus VVilhelmus so böse, daß er auf die Erde stampffte, und sagte: Du mehr als gantzer Narr. Man sichet
Cap. V. reden will in converſation, der muß de rebus reden, raro de perſonis. Catohat nicht leiden wollen, daß uͤber ſeiner Tafel von einem andern geſpro- chen worden, welches eine groſſe generoſité von ihm geweſen iſt. Wer dieſem Catonem recht kennen will, der muß den Plutarchum leſen. Er ſagt: Man wuͤrde von andern Leuten ſelten was Gutes ſprechen, daher ſagt Hobbeſius, man thaͤte am kluͤgſten, wenn man am ſpaͤteſten aus ei- ner compagnie heraus gienge: Denn es waͤre die naͤrriſche façon unter den Menſchen, daß wenn einer fortgienge, ſo redeten die andern von ihm. Wenn einer von andern Leuten uͤbel ſchwatzet, und ein ander hoͤret es, ſo mißfaͤllt es entweder ihm, oder wenn es ihm auch gefaͤllt, ſo trauet er dir doch nicht mehr, odio de proſequitur, fugit, te, ſonderlich wenn man wahrnimmt, daß er ohne viele raiſon, von andern Leuten ſchwatzet. Die Schwatzereyen von andern Leuten ſind auch mehrentheils ſo beſchaffen, daß man was dazu ſaget, denn in compagnie will man nicht vulgaria ſagen, das hoͤren die andern nicht gerne, ſondern es ſollen ſingularia, pa- radoxa ſeyn; Da ſetzt denn einer was dazu, ut calumniatur audaciter. Hieraus ſiehet man, daß noch viel abſurder iſt, wenn einer von ſich ſelbſt redet, und machet ſich eine eloge, als wie man von Salmaſio ſa- get, daß wenn er von ſich geredet, habe er allezeit den Huth abgenom- men, dieſes erzehlet Menage in ſeinen Menagianis. Homines jactabundi habentur pro hominibus vanis. Man ſiehet, daß ſolche Leute ſind ange- ſchwaͤngert mit einer Liebe gegen ſich ſelbſt. Das begegnet offt Leuten, von denen man ſonſt in alio capite einen guten concept hat. Und ob- gleich Salmaſius zu ſeiner Zeit ein hochgelahrter Mann geweſen, der eine lecture und jugement gehabt, ſo hatte er doch in dieſem Stuͤcke einen groſſen Fehler. Saluſtius ſagt von einem ſolchen Menſchen: Sanior an ſtultior. Und wenn einer auch ſonſt meriten hat, weßwegen er kan ge- liebet werden, ſo muß er es doch nicht ſelbſt ſagen, gleichwie auch keiner den andern ins Geſicht loben muß: Denn den haͤlt man fuͤr einen Schmeich- ler, Luͤgner. Da ein honette homme nicht gerne von ſich was redet, ſo laͤſt er ſich auch nicht gerne loben; und wer ein bißgen geſcheuet iſt, der bittet vor, ihm zu verſchonen, wenn ein anderer kommt, und ihn lo- ben will. Was ein rechtſchaffener Mann iſt, der hat einen herrorem davor. Eben ſo iſt es auch beſchaffen, wenn einer ein Carmen ma- chet, und einen gar zu ſehr lobet. Dem Friderico Wilhelmo machten einsmahls die Studenten in Franckſurth an der Oder ein Carmen, und uͤberreichten es ihm auf den Fecht-Boden, worinnen ſtunde: Du mehr als halber GOtt; daruͤber war Fridericus VVilhelmus ſo boͤſe, daß er auf die Erde ſtampffte, und ſagte: Du mehr als gantzer Narr. Man ſichet
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0148" n="128"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">Cap.</hi></hi> V.</hi></fw><lb/> reden will in <hi rendition="#aq">converſation,</hi> der muß <hi rendition="#aq">de rebus</hi> reden, <hi rendition="#aq">raro de perſonis. Cato</hi><lb/> hat nicht leiden wollen, daß uͤber ſeiner Tafel von einem andern geſpro-<lb/> chen worden, welches eine groſſe <hi rendition="#aq">generoſité</hi> von ihm geweſen iſt. Wer<lb/> dieſem <hi rendition="#aq">Catonem</hi> recht kennen will, der muß den <hi rendition="#aq">Plutarchum</hi> leſen. Er<lb/> ſagt: Man wuͤrde von andern Leuten ſelten was Gutes ſprechen, daher<lb/> ſagt <hi rendition="#aq">Hobbeſius,</hi> man thaͤte am kluͤgſten, wenn man am ſpaͤteſten aus ei-<lb/> ner <hi rendition="#aq">compagnie</hi> heraus gienge: Denn es waͤre die naͤrriſche <hi rendition="#aq">façon</hi> unter<lb/> den Menſchen, daß wenn einer fortgienge, ſo redeten die andern von ihm.<lb/> Wenn einer von andern Leuten uͤbel ſchwatzet, und ein ander hoͤret es,<lb/> ſo mißfaͤllt es entweder ihm, oder wenn es ihm auch gefaͤllt, ſo trauet er<lb/> dir doch nicht mehr, <hi rendition="#aq">odio de proſequitur, fugit, te,</hi> ſonderlich wenn man<lb/> wahrnimmt, daß er ohne viele <hi rendition="#aq">raiſon,</hi> von andern Leuten ſchwatzet. Die<lb/> Schwatzereyen von andern Leuten ſind auch mehrentheils ſo beſchaffen,<lb/> daß man was dazu ſaget, denn in <hi rendition="#aq">compagnie</hi> will man nicht <hi rendition="#aq">vulgaria</hi><lb/> ſagen, das hoͤren die andern nicht gerne, ſondern es ſollen <hi rendition="#aq">ſingularia, pa-<lb/> radoxa</hi> ſeyn; Da ſetzt denn einer was dazu, <hi rendition="#aq">ut calumniatur audaciter.</hi><lb/> Hieraus ſiehet man, daß noch viel <hi rendition="#aq">abſurder</hi> iſt, wenn einer von ſich<lb/> ſelbſt redet, und machet ſich eine <hi rendition="#aq">eloge,</hi> als wie man von <hi rendition="#aq">Salmaſio</hi> ſa-<lb/> get, daß wenn er von ſich geredet, habe er allezeit den Huth abgenom-<lb/> men, dieſes erzehlet <hi rendition="#aq">Menage</hi> in ſeinen <hi rendition="#aq">Menagianis. Homines jactabundi<lb/> habentur pro hominibus vanis.</hi> Man ſiehet, daß ſolche Leute ſind ange-<lb/> ſchwaͤngert mit einer Liebe gegen ſich ſelbſt. Das begegnet offt Leuten,<lb/> von denen man ſonſt <hi rendition="#aq">in alio capite</hi> einen guten <hi rendition="#aq">concept</hi> hat. Und ob-<lb/> gleich <hi rendition="#aq">Salmaſius</hi> zu ſeiner Zeit ein hochgelahrter Mann geweſen, der eine<lb/><hi rendition="#aq">lecture</hi> und <hi rendition="#aq">jugement</hi> gehabt, ſo hatte er doch in dieſem Stuͤcke einen<lb/> groſſen Fehler. <hi rendition="#aq">Saluſtius</hi> ſagt von einem ſolchen Menſchen: <hi rendition="#aq">Sanior an<lb/> ſtultior.</hi> Und wenn einer auch ſonſt <hi rendition="#aq">merit</hi>en hat, weßwegen er kan ge-<lb/> liebet werden, ſo muß er es doch nicht ſelbſt ſagen, gleichwie auch keiner den<lb/> andern ins Geſicht loben muß: Denn den haͤlt man fuͤr einen Schmeich-<lb/> ler, Luͤgner. Da ein <hi rendition="#aq">honette homme</hi> nicht gerne von ſich was redet,<lb/> ſo laͤſt er ſich auch nicht gerne loben; und wer ein bißgen geſcheuet iſt,<lb/> der bittet vor, ihm zu verſchonen, wenn ein anderer kommt, und ihn lo-<lb/> ben will. Was ein rechtſchaffener Mann iſt, der hat einen <hi rendition="#aq">herrorem</hi><lb/> davor. Eben ſo iſt es auch beſchaffen, wenn einer ein Carmen ma-<lb/> chet, und einen gar zu ſehr lobet. Dem <hi rendition="#aq">Friderico Wilhelmo</hi> machten<lb/> einsmahls die Studenten in Franckſurth an der Oder ein <hi rendition="#aq">Carmen,</hi> und<lb/> uͤberreichten es ihm auf den Fecht-Boden, worinnen ſtunde: Du mehr<lb/> als halber GOtt; daruͤber war <hi rendition="#aq">Fridericus VVilhelmus</hi> ſo boͤſe, daß er<lb/> auf die Erde ſtampffte, und ſagte: Du mehr als gantzer Narr. Man<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſichet</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [128/0148]
Cap. V.
reden will in converſation, der muß de rebus reden, raro de perſonis. Cato
hat nicht leiden wollen, daß uͤber ſeiner Tafel von einem andern geſpro-
chen worden, welches eine groſſe generoſité von ihm geweſen iſt. Wer
dieſem Catonem recht kennen will, der muß den Plutarchum leſen. Er
ſagt: Man wuͤrde von andern Leuten ſelten was Gutes ſprechen, daher
ſagt Hobbeſius, man thaͤte am kluͤgſten, wenn man am ſpaͤteſten aus ei-
ner compagnie heraus gienge: Denn es waͤre die naͤrriſche façon unter
den Menſchen, daß wenn einer fortgienge, ſo redeten die andern von ihm.
Wenn einer von andern Leuten uͤbel ſchwatzet, und ein ander hoͤret es,
ſo mißfaͤllt es entweder ihm, oder wenn es ihm auch gefaͤllt, ſo trauet er
dir doch nicht mehr, odio de proſequitur, fugit, te, ſonderlich wenn man
wahrnimmt, daß er ohne viele raiſon, von andern Leuten ſchwatzet. Die
Schwatzereyen von andern Leuten ſind auch mehrentheils ſo beſchaffen,
daß man was dazu ſaget, denn in compagnie will man nicht vulgaria
ſagen, das hoͤren die andern nicht gerne, ſondern es ſollen ſingularia, pa-
radoxa ſeyn; Da ſetzt denn einer was dazu, ut calumniatur audaciter.
Hieraus ſiehet man, daß noch viel abſurder iſt, wenn einer von ſich
ſelbſt redet, und machet ſich eine eloge, als wie man von Salmaſio ſa-
get, daß wenn er von ſich geredet, habe er allezeit den Huth abgenom-
men, dieſes erzehlet Menage in ſeinen Menagianis. Homines jactabundi
habentur pro hominibus vanis. Man ſiehet, daß ſolche Leute ſind ange-
ſchwaͤngert mit einer Liebe gegen ſich ſelbſt. Das begegnet offt Leuten,
von denen man ſonſt in alio capite einen guten concept hat. Und ob-
gleich Salmaſius zu ſeiner Zeit ein hochgelahrter Mann geweſen, der eine
lecture und jugement gehabt, ſo hatte er doch in dieſem Stuͤcke einen
groſſen Fehler. Saluſtius ſagt von einem ſolchen Menſchen: Sanior an
ſtultior. Und wenn einer auch ſonſt meriten hat, weßwegen er kan ge-
liebet werden, ſo muß er es doch nicht ſelbſt ſagen, gleichwie auch keiner den
andern ins Geſicht loben muß: Denn den haͤlt man fuͤr einen Schmeich-
ler, Luͤgner. Da ein honette homme nicht gerne von ſich was redet,
ſo laͤſt er ſich auch nicht gerne loben; und wer ein bißgen geſcheuet iſt,
der bittet vor, ihm zu verſchonen, wenn ein anderer kommt, und ihn lo-
ben will. Was ein rechtſchaffener Mann iſt, der hat einen herrorem
davor. Eben ſo iſt es auch beſchaffen, wenn einer ein Carmen ma-
chet, und einen gar zu ſehr lobet. Dem Friderico Wilhelmo machten
einsmahls die Studenten in Franckſurth an der Oder ein Carmen, und
uͤberreichten es ihm auf den Fecht-Boden, worinnen ſtunde: Du mehr
als halber GOtt; daruͤber war Fridericus VVilhelmus ſo boͤſe, daß er
auf die Erde ſtampffte, und ſagte: Du mehr als gantzer Narr. Man
ſichet
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |