Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.De Mediis statum conservandi. dere Leute geärgert würden, wenn man es öffentlich thun wollte. Manwürde einen solchen Menschen nicht unter andere lassen, und müste das Schwein zu Hause bleiben. Dein Hund thut alles publice, wenn du ihn nicht pritschest; es ärgert dich, wenn dein Hund dergleichen Dinge thut, du schlägest ihn deßwegen, wie odiös würde es nicht seyn, wenn Menschen wollten dergleichen thun. Ich muß einen regard haben auf andere Menschen, und sind diejenigen, welche kein decorum observiren, nicht einmahl recht tugendhafft. Das ist eine Sache, welche schon die Aristotelici gesehen. Jacob. Thomasius in seinen tabulis moralibus saget, wer die virtutes homileticas nicht habe, scheine wohl tugendhafft zu seyn, aber er sey es in der That nicht: denn es fehle das complementum. Es gehöret also das decorum mit ad virtutem, und wenn man es so propo- niret, so ist es eine doctrina necessaria, welche ein Student nothwendig regardiren muß, wenn er anders seine fortun in der Welt machen will, zumahlen er mit Leuten umgehen will, die sich von der Canaille distingui- ren. Ein Lehrer muß auch sonderlich das decorum in acht nehmen: denn wenn er gleich tugendhafft ist, und man ihn kein öffentliches Laster schuld geben kan, er siehet aber säuisch aus, so will niemand etwas mit ihm zu schaffen haben, seine wahren Qualitäten siehet man alsdenn nicht, weil etwas odiöses da ist, er bleibet ein Licht, das unter dem Scheffel stehet, und nutzet der Welt nichts. Wir leben in rebus publicis, wo eine inaequalitas ist, und ist ohnmöglich, daß dieselbe kan aufgehoben werden, da muß ich auf allerhand Personen acht haben, dieselben suchen zu gewinnen; haben sie nun einen guten Concept von mir; sie sehen mei- ne guten Qualitäten, daß ich ein Licht sey, welches leuchte, so werden sie alsdenn auch gerne meine emendationes annehmen. Deßwegen sind die Stoici weit angenehmer gewesen, als die Cynici, denn sie hielten davor, daß ein Mensch in der Welt nichts bessers thun könnte, als ut regat, imperet, leges ferat, & alios homines alliciat ad leges observandas. Die Cynici und Stoici haben einerley Philosophie, nemlich principia, aber die Stoici waren klüger, illud odiosum, illam inverecundiam, rusticitatem tollebant. Es waren Leute, so man brauchen konnte in rebus gerendis, daher ist kein Wunder, daß unter grossen Herren und JCtis die Stoica Philosophia angenommen worden. Unsere gantze jurisprudentia ist mit principiis Stoicis angefüllet, und wäre zu wünschen, daß einer einen Tra- ctat schriebe, und per singulos titulos unsers Corporis Juris wiese, was ex principiis Stoicis herkäme. Professor Otto hat eine Dissertation de Stoica JCtorum Philosophia gehalten, und darinnen versprochen einen Tractat zu schreiben, allein es ist leicht eine Oration davon zu halten, aber ein Q
De Mediis ſtatum conſervandi. dere Leute geaͤrgert wuͤrden, wenn man es oͤffentlich thun wollte. Manwuͤrde einen ſolchen Menſchen nicht unter andere laſſen, und muͤſte das Schwein zu Hauſe bleiben. Dein Hund thut alles publice, wenn du ihn nicht pritſcheſt; es aͤrgert dich, wenn dein Hund dergleichen Dinge thut, du ſchlaͤgeſt ihn deßwegen, wie odiös wuͤrde es nicht ſeyn, wenn Menſchen wollten dergleichen thun. Ich muß einen regard haben auf andere Menſchen, und ſind diejenigen, welche kein decorum obſerviren, nicht einmahl recht tugendhafft. Das iſt eine Sache, welche ſchon die Ariſtotelici geſehen. Jacob. Thomaſius in ſeinen tabulis moralibus ſaget, wer die virtutes homileticas nicht habe, ſcheine wohl tugendhafft zu ſeyn, aber er ſey es in der That nicht: denn es fehle das complementum. Es gehoͤret alſo das decorum mit ad virtutem, und wenn man es ſo propo- niret, ſo iſt es eine doctrina neceſſaria, welche ein Student nothwendig regardiren muß, wenn er anders ſeine fortun in der Welt machen will, zumahlen er mit Leuten umgehen will, die ſich von der Canaille diſtingui- ren. Ein Lehrer muß auch ſonderlich das decorum in acht nehmen: denn wenn er gleich tugendhafft iſt, und man ihn kein oͤffentliches Laſter ſchuld geben kan, er ſiehet aber ſaͤuiſch aus, ſo will niemand etwas mit ihm zu ſchaffen haben, ſeine wahren Qualitaͤten ſiehet man alsdenn nicht, weil etwas odiöſes da iſt, er bleibet ein Licht, das unter dem Scheffel ſtehet, und nutzet der Welt nichts. Wir leben in rebus publicis, wo eine inæqualitas iſt, und iſt ohnmoͤglich, daß dieſelbe kan aufgehoben werden, da muß ich auf allerhand Perſonen acht haben, dieſelben ſuchen zu gewinnen; haben ſie nun einen guten Concept von mir; ſie ſehen mei- ne guten Qualitaͤten, daß ich ein Licht ſey, welches leuchte, ſo werden ſie alsdenn auch gerne meine emendationes annehmen. Deßwegen ſind die Stoici weit angenehmer geweſen, als die Cynici, denn ſie hielten davor, daß ein Menſch in der Welt nichts beſſers thun koͤnnte, als ut regat, imperet, leges ferat, & alios homines alliciat ad leges obſervandas. Die Cynici und Stoici haben einerley Philoſophie, nemlich principia, aber die Stoici waren kluͤger, illud odioſum, illam inverecundiam, ruſticitatem tollebant. Es waren Leute, ſo man brauchen konnte in rebus gerendis, daher iſt kein Wunder, daß unter groſſen Herren und JCtis die Stoica Philoſophia angenommen worden. Unſere gantze jurisprudentia iſt mit principiis Stoicis angefuͤllet, und waͤre zu wuͤnſchen, daß einer einen Tra- ctat ſchriebe, und per ſingulos titulos unſers Corporis Juris wieſe, was ex principiis Stoicis herkaͤme. Profeſſor Otto hat eine Diſſertation de Stoica JCtorum Philoſophia gehalten, und darinnen verſprochen einen Tractat zu ſchreiben, allein es iſt leicht eine Oration davon zu halten, aber ein Q
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wuͤrde einen ſolchen Menſchen nicht unter andere laſſen, und muͤſte das
Schwein zu Hauſe bleiben. Dein Hund thut alles publice, wenn du
ihn nicht pritſcheſt; es aͤrgert dich, wenn dein Hund dergleichen Dinge
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Menſchen wollten dergleichen thun. Ich muß einen regard haben auf
andere Menſchen, und ſind diejenigen, welche kein decorum obſerviren,
nicht einmahl recht tugendhafft. Das iſt eine Sache, welche ſchon die
Ariſtotelici geſehen. Jacob. Thomaſius in ſeinen tabulis moralibus ſaget,
wer die virtutes homileticas nicht habe, ſcheine wohl tugendhafft zu ſeyn,
aber er ſey es in der That nicht: denn es fehle das complementum. Es
gehoͤret alſo das decorum mit ad virtutem, und wenn man es ſo propo-
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zumahlen er mit Leuten umgehen will, die ſich von der Canaille diſtingui-
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denn wenn er gleich tugendhafft iſt, und man ihn kein oͤffentliches Laſter
ſchuld geben kan, er ſiehet aber ſaͤuiſch aus, ſo will niemand etwas mit
ihm zu ſchaffen haben, ſeine wahren Qualitaͤten ſiehet man alsdenn nicht,
weil etwas odiöſes da iſt, er bleibet ein Licht, das unter dem Scheffel
ſtehet, und nutzet der Welt nichts. Wir leben in rebus publicis, wo
eine inæqualitas iſt, und iſt ohnmoͤglich, daß dieſelbe kan aufgehoben
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alsdenn auch gerne meine emendationes annehmen. Deßwegen ſind die
Stoici weit angenehmer geweſen, als die Cynici, denn ſie hielten davor,
daß ein Menſch in der Welt nichts beſſers thun koͤnnte, als ut regat,
imperet, leges ferat, & alios homines alliciat ad leges obſervandas. Die
Cynici und Stoici haben einerley Philoſophie, nemlich principia, aber die
Stoici waren kluͤger, illud odioſum, illam inverecundiam, ruſticitatem
tollebant. Es waren Leute, ſo man brauchen konnte in rebus gerendis,
daher iſt kein Wunder, daß unter groſſen Herren und JCtis die Stoica
Philoſophia angenommen worden. Unſere gantze jurisprudentia iſt mit
principiis Stoicis angefuͤllet, und waͤre zu wuͤnſchen, daß einer einen Tra-
ctat ſchriebe, und per ſingulos titulos unſers Corporis Juris wieſe, was
ex principiis Stoicis herkaͤme. Profeſſor Otto hat eine Diſſertation de
Stoica JCtorum Philoſophia gehalten, und darinnen verſprochen einen
Tractat zu ſchreiben, allein es iſt leicht eine Oration davon zu halten, aber
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