Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.Cap. IV. e. g. Was nützt es mir, wenn ich weiß, wo der Nagel hinkommen, daAristoteles seine Mütze dran hänget. Da wir nun abundantiam suchen, so suchen wir uns nicht allein zu conserviren, sondern wir suchen auch andere zu verschlucken. Fallen wir auf paupertatem, auf extremam ne- cessitatem, so fehlen wir auch. Medius status ist also der beste, quia nos indolentes praestat. In praxi thut also die andere Meynung auch grossen Schaden; Denn da fallen die Menschen auf appendices und negligiren dasjenige, was sie billig thun sollten. Diejenigen also, welche glücklich seyn wollen, müssen sich suchen zu conserviren. Das sehen wir an de- nen Schweitzern, die leben vor sich, und affectiren keine potentiam; So bald wir aber potentiam affectiren, so fallen wir auf Neben-Dinge, auf luxuriam, und gehen zu Grunde. Man muß nicht darauf sehen, welcher Meynung die meisten zugethan: Denn die meisten sind stulti, praesumtio ist vielmehr pro paucioribus, daher auch Herr Thomasius sehr gearbeitet hat, daß er die gemeinen praejudicia über den Hauffen geschmissen, wenn man meynet, quod plures dicunt sey wahr. Mons. Crousaz handelt in seiner Logic auch hiervon. Der Autor hat die Sachen gantz gut vor- stellig gemacht, aber von der indolentia Epicuri hat er es nicht recht ge- wust, sonsten würde er das Capitel viel besser haben connectiren können. statu absoluto zu erlangen sey? §. 3. Was der Mensch nöthig habe, si solus esset, und er lebt, wie composito und zwar im Hausstand[e]? §. 4. Wenn nun aber der Mensch in statu composito lebet, da brau- * Man hat noch mehrere Theile von Crusoe edirt, weil der erste Theil so sehr ab-
gegangen, die andern aber taugen nicht viel. Cap. IV. e. g. Was nuͤtzt es mir, wenn ich weiß, wo der Nagel hinkommen, daAriſtoteles ſeine Muͤtze dran haͤnget. Da wir nun abundantiam ſuchen, ſo ſuchen wir uns nicht allein zu conſerviren, ſondern wir ſuchen auch andere zu verſchlucken. Fallen wir auf paupertatem, auf extremam ne- ceſſitatem, ſo fehlen wir auch. Medius ſtatus iſt alſo der beſte, quia nos indolentes præſtat. In praxi thut alſo die andere Meynung auch groſſen Schaden; Denn da fallen die Menſchen auf appendices und negligiren dasjenige, was ſie billig thun ſollten. Diejenigen alſo, welche gluͤcklich ſeyn wollen, muͤſſen ſich ſuchen zu conſerviren. Das ſehen wir an de- nen Schweitzern, die leben vor ſich, und affectiren keine potentiam; So bald wir aber potentiam affectiren, ſo fallen wir auf Neben-Dinge, auf luxuriam, und gehen zu Grunde. Man muß nicht darauf ſehen, welcher Meynung die meiſten zugethan: Denn die meiſten ſind ſtulti, præſumtio iſt vielmehr pro paucioribus, daher auch Herr Thomaſius ſehr gearbeitet hat, daß er die gemeinen præjudicia uͤber den Hauffen geſchmiſſen, wenn man meynet, quod plures dicunt ſey wahr. Monſ. Crouſaz handelt in ſeiner Logic auch hiervon. Der Autor hat die Sachen gantz gut vor- ſtellig gemacht, aber von der indolentia Epicuri hat er es nicht recht ge- wuſt, ſonſten wuͤrde er das Capitel viel beſſer haben connectiren koͤnnen. ſtatu abſoluto zu erlangen ſey? §. 3. Was der Menſch noͤthig habe, ſi ſolus eſſet, und er lebt, wie compoſito und zwar im Hausſtand[e]? §. 4. Wenn nun aber der Menſch in ſtatu compoſito lebet, da brau- * Man hat noch mehrere Theile von Cruſoe edirt, weil der erſte Theil ſo ſehr ab-
gegangen, die andern aber taugen nicht viel. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0110" n="90"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">Cap.</hi></hi> IV.</hi></fw><lb/><hi rendition="#aq">e. g.</hi> Was nuͤtzt es mir, wenn ich weiß, wo der Nagel hinkommen, da<lb/><hi rendition="#aq">Ariſtoteles</hi> ſeine Muͤtze dran haͤnget. Da wir nun <hi rendition="#aq">abundantiam</hi> ſuchen,<lb/> ſo ſuchen wir uns nicht allein zu <hi rendition="#aq">conſervi</hi>ren, ſondern wir ſuchen auch<lb/> andere zu verſchlucken. Fallen wir auf <hi rendition="#aq">paupertatem,</hi> auf <hi rendition="#aq">extremam ne-<lb/> ceſſitatem,</hi> ſo fehlen wir auch. <hi rendition="#aq">Medius ſtatus</hi> iſt alſo der beſte, <hi rendition="#aq">quia nos<lb/> indolentes præſtat. In praxi</hi> thut alſo die andere Meynung auch groſſen<lb/> Schaden; Denn da fallen die Menſchen auf <hi rendition="#aq">appendices</hi> und <hi rendition="#aq">negligi</hi>ren<lb/> dasjenige, was ſie billig thun ſollten. Diejenigen alſo, welche gluͤcklich<lb/> ſeyn wollen, muͤſſen ſich ſuchen zu <hi rendition="#aq">conſervi</hi>ren. Das ſehen wir an de-<lb/> nen Schweitzern, die leben vor ſich, und <hi rendition="#aq">affecti</hi>ren keine <hi rendition="#aq">potentiam;</hi> So<lb/> bald wir aber <hi rendition="#aq">potentiam affecti</hi>ren, ſo fallen wir auf Neben-Dinge, auf<lb/><hi rendition="#aq">luxuriam,</hi> und gehen zu Grunde. Man muß nicht darauf ſehen, welcher<lb/> Meynung die meiſten zugethan: Denn die meiſten ſind <hi rendition="#aq">ſtulti, præſumtio</hi><lb/> iſt vielmehr <hi rendition="#aq">pro paucioribus,</hi> daher auch Herr <hi rendition="#aq">Thomaſius</hi> ſehr gearbeitet<lb/> hat, daß er die gemeinen <hi rendition="#aq">præjudicia</hi> uͤber den Hauffen geſchmiſſen, wenn<lb/> man meynet, <hi rendition="#aq">quod plures dicunt</hi> ſey wahr. <hi rendition="#aq">Monſ. Crouſaz</hi> handelt in<lb/> ſeiner <hi rendition="#aq">Logic</hi> auch hiervon. Der <hi rendition="#aq">Autor</hi> hat die Sachen gantz gut vor-<lb/> ſtellig gemacht, aber von der <hi rendition="#aq">indolentia Epicuri</hi> hat er es nicht recht ge-<lb/> wuſt, ſonſten wuͤrde er das Capitel viel beſſer haben <hi rendition="#aq">connecti</hi>ren<lb/> koͤnnen.</p><lb/> <note place="left">Wie ſolche <hi rendition="#aq">in<lb/> ſtatu abſoluto</hi><lb/> zu erlangen<lb/> ſey?</note> <p>§. 3. Was der Menſch noͤthig habe, <hi rendition="#aq">ſi ſolus eſſet,</hi> und er lebt, wie<lb/> der <hi rendition="#aq">Roman</hi> von <hi rendition="#aq">Cruſoe</hi> geſchrieben, davon iſt oben gehandelt worden.<lb/> Er ſiehet dahin, <hi rendition="#aq">ut mens ſana ſit in corpore fano.</hi> Er muß arbeiten, ſei-<lb/> nen <hi rendition="#aq">potum & cibum</hi> ſo <hi rendition="#aq">temperi</hi>ren, <hi rendition="#aq">ne ſtimuletur ad libidinem;</hi> muß ſich<lb/><hi rendition="#aq">motion</hi> machen. Dieſe <hi rendition="#aq">conſideration</hi> aber nutzet uns nichts. Denn<lb/> wir haben keine Leute, die ſo allein leben, es waͤre denn, daß einer auf<lb/> eine Inſul geſchmiſſen wuͤrde, da iſt freylich wahr, was der Apoſtel ſagt:<lb/> Alsdenn brauche man nur Nahrung und Kleider.</p><lb/> <note place="left">Wie <hi rendition="#aq">in ſtatu<lb/> compoſito</hi><lb/> und zwar im<lb/> Hausſtand<supplied>e</supplied>?</note> <p>§. 4. Wenn nun aber der Menſch in <hi rendition="#aq">ſtatu compoſito</hi> lebet, da<lb/> hat er vornehmlich darauf zu ſehen, <hi rendition="#aq">ut commode vivat, & neceſſaria non<lb/> deficiant. Quær.</hi> Was heiſt <hi rendition="#aq">neceſſaria non deficiant?</hi> dieſes<lb/> hat der <hi rendition="#aq">Autor</hi> nicht <hi rendition="#aq">defini</hi>rt, und <hi rendition="#aq">defideri</hi>re ich hauptſaͤchlich in allen<lb/> Schrifften des <hi rendition="#aq">Autoris, non accurate definit.</hi> Daher auch derjenige,<lb/> welcher uͤber ſeine <hi rendition="#aq">Philoſophie</hi> gehoͤret, und keinen guten <hi rendition="#aq">Præceptorem</hi> ge-<lb/> habt, nicht viel behalten wird. Das kommt eben daher, weil er nicht<lb/> viel <hi rendition="#aq">vocabula accurat defini</hi>rt, welche er gebraucht. Es iſt das <hi rendition="#aq">voca-<lb/> bulum neceſſarium</hi> ein <hi rendition="#aq">vocabulum relativum.</hi> Denn <hi rendition="#aq">homines luxurioſi</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch">brau-</fw><lb/><note place="foot" n="*">Man hat noch meh<hi rendition="#i">r</hi>ere Theile von <hi rendition="#aq">Cruſoe edi</hi>rt, weil der erſte Theil ſo ſehr ab-<lb/><hi rendition="#et">gegangen, die andern aber taugen nicht viel.</hi></note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [90/0110]
Cap. IV.
e. g. Was nuͤtzt es mir, wenn ich weiß, wo der Nagel hinkommen, da
Ariſtoteles ſeine Muͤtze dran haͤnget. Da wir nun abundantiam ſuchen,
ſo ſuchen wir uns nicht allein zu conſerviren, ſondern wir ſuchen auch
andere zu verſchlucken. Fallen wir auf paupertatem, auf extremam ne-
ceſſitatem, ſo fehlen wir auch. Medius ſtatus iſt alſo der beſte, quia nos
indolentes præſtat. In praxi thut alſo die andere Meynung auch groſſen
Schaden; Denn da fallen die Menſchen auf appendices und negligiren
dasjenige, was ſie billig thun ſollten. Diejenigen alſo, welche gluͤcklich
ſeyn wollen, muͤſſen ſich ſuchen zu conſerviren. Das ſehen wir an de-
nen Schweitzern, die leben vor ſich, und affectiren keine potentiam; So
bald wir aber potentiam affectiren, ſo fallen wir auf Neben-Dinge, auf
luxuriam, und gehen zu Grunde. Man muß nicht darauf ſehen, welcher
Meynung die meiſten zugethan: Denn die meiſten ſind ſtulti, præſumtio
iſt vielmehr pro paucioribus, daher auch Herr Thomaſius ſehr gearbeitet
hat, daß er die gemeinen præjudicia uͤber den Hauffen geſchmiſſen, wenn
man meynet, quod plures dicunt ſey wahr. Monſ. Crouſaz handelt in
ſeiner Logic auch hiervon. Der Autor hat die Sachen gantz gut vor-
ſtellig gemacht, aber von der indolentia Epicuri hat er es nicht recht ge-
wuſt, ſonſten wuͤrde er das Capitel viel beſſer haben connectiren
koͤnnen.
§. 3. Was der Menſch noͤthig habe, ſi ſolus eſſet, und er lebt, wie
der Roman von Cruſoe geſchrieben, davon iſt oben gehandelt worden.
Er ſiehet dahin, ut mens ſana ſit in corpore fano. Er muß arbeiten, ſei-
nen potum & cibum ſo temperiren, ne ſtimuletur ad libidinem; muß ſich
motion machen. Dieſe conſideration aber nutzet uns nichts. Denn
wir haben keine Leute, die ſo allein leben, es waͤre denn, daß einer auf
eine Inſul geſchmiſſen wuͤrde, da iſt freylich wahr, was der Apoſtel ſagt:
Alsdenn brauche man nur Nahrung und Kleider.
§. 4. Wenn nun aber der Menſch in ſtatu compoſito lebet, da
hat er vornehmlich darauf zu ſehen, ut commode vivat, & neceſſaria non
deficiant. Quær. Was heiſt neceſſaria non deficiant? dieſes
hat der Autor nicht definirt, und defiderire ich hauptſaͤchlich in allen
Schrifften des Autoris, non accurate definit. Daher auch derjenige,
welcher uͤber ſeine Philoſophie gehoͤret, und keinen guten Præceptorem ge-
habt, nicht viel behalten wird. Das kommt eben daher, weil er nicht
viel vocabula accurat definirt, welche er gebraucht. Es iſt das voca-
bulum neceſſarium ein vocabulum relativum. Denn homines luxurioſi
brau-
*
* Man hat noch mehrere Theile von Cruſoe edirt, weil der erſte Theil ſo ſehr ab-
gegangen, die andern aber taugen nicht viel.
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