Gumppenberg, Hanns von: Deutsche Lyrik von gestern. München, 1891 (= Münchener Flugschriften, Bd. 3).Der Hirte zieht hinunter Die Schwalben kehren wieder -- Des Hirten froher Sinn, Des Hirten frohe Lieder: Wo sind sie hin -- wohin? Wieder -- Lieder? Hin . . . hin! Eminentes Verständnis speziell für die außerordentliche Gedankentiefe der Volkslyrik bekundet zum Beispiel Otto Roquette in seinem stimmungsvollen Liede: Das machen die Läublein und Blättlein. Das machen die Läublein und Blättlein all', Daß der Wald nicht so sonnig ist: Das macht die herztausigste Maienzeit, Daß das Röslein so wonnig ist! Mein's Schätzeleins Lieb' war das Röslein rot, Das duftet' am Waldesrain: Und die Läublein grün und die Blättlein grün, Das waren Gedanken mein! Nun zog die herztausigste Maienzeit, Die herztausigste Liebe zur Ruh' . . . Nun fallen die Läublein und Blättlein herab, Und decken das Röselein zu. "Ein schlampiges Hütlein auf goldenem Haar, ein schwankendes Federlein d'rauf, im Arme die Fiedel, im Herzen das Liedel, so kommt er daher, der Spielmann Jungfriedel -- genannt August Becker. Was er singt, könnte zwar ebensogut ein anderer goldhaariger Spielmann von Gestern singen: aber andererseits muß man zugestehn, daß er selbst ebensogut die Sangesarbeit eines jener Anderen verrichten könnte. Es herrschte nämlich gestern gerade unter den edelsten Sängern eine Selbstlosigkeit und Gütergemeinschaft, von deren idealer Höhe wir uns jetzt kaum mehr einen Begriff machen können. Hören wir ein Lied Jungfriedels. Erschrecken Sie nicht, daß es zufällig ein trauriges ist: man braucht es nämlich trotzdem Der Hirte zieht hinunter Die Schwalben kehren wieder — Des Hirten froher Sinn, Des Hirten frohe Lieder: Wo sind sie hin — wohin? Wieder — Lieder? Hin . . . hin! Eminentes Verständnis speziell für die außerordentliche Gedankentiefe der Volkslyrik bekundet zum Beispiel Otto Roquette in seinem stimmungsvollen Liede: Das machen die Läublein und Blättlein. Das machen die Läublein und Blättlein all', Daß der Wald nicht so sonnig ist: Das macht die herztausigste Maienzeit, Daß das Röslein so wonnig ist! Mein's Schätzeleins Lieb' war das Röslein rot, Das duftet' am Waldesrain: Und die Läublein grün und die Blättlein grün, Das waren Gedanken mein! Nun zog die herztausigste Maienzeit, Die herztausigste Liebe zur Ruh' . . . Nun fallen die Läublein und Blättlein herab, Und decken das Röselein zu. „Ein schlampiges Hütlein auf goldenem Haar, ein schwankendes Federlein d'rauf, im Arme die Fiedel, im Herzen das Liedel, so kommt er daher, der Spielmann Jungfriedel — genannt August Becker. Was er singt, könnte zwar ebensogut ein anderer goldhaariger Spielmann von Gestern singen: aber andererseits muß man zugestehn, daß er selbst ebensogut die Sangesarbeit eines jener Anderen verrichten könnte. Es herrschte nämlich gestern gerade unter den edelsten Sängern eine Selbstlosigkeit und Gütergemeinschaft, von deren idealer Höhe wir uns jetzt kaum mehr einen Begriff machen können. Hören wir ein Lied Jungfriedels. 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Der Hirte zieht hinunter
Durch grauen Winterreif.
Streif — Streif —
Reif — Reif!
Die Schwalben kehren wieder —
Des Hirten froher Sinn,
Des Hirten frohe Lieder:
Wo sind sie hin — wohin?
Wieder — Lieder?
Hin . . . hin!
Eminentes Verständnis speziell für die außerordentliche Gedankentiefe der Volkslyrik bekundet zum Beispiel Otto Roquette in seinem stimmungsvollen Liede:
Das machen die Läublein und Blättlein.
Das machen die Läublein und Blättlein all',
Daß der Wald nicht so sonnig ist:
Das macht die herztausigste Maienzeit,
Daß das Röslein so wonnig ist!
Mein's Schätzeleins Lieb' war das Röslein rot,
Das duftet' am Waldesrain:
Und die Läublein grün und die Blättlein grün,
Das waren Gedanken mein!
Nun zog die herztausigste Maienzeit,
Die herztausigste Liebe zur Ruh' . . .
Nun fallen die Läublein und Blättlein herab,
Und decken das Röselein zu.
„Ein schlampiges Hütlein auf goldenem Haar, ein schwankendes Federlein d'rauf, im Arme die Fiedel, im Herzen das Liedel, so kommt er daher, der Spielmann Jungfriedel — genannt August Becker. Was er singt, könnte zwar ebensogut ein anderer goldhaariger Spielmann von Gestern singen: aber andererseits muß man zugestehn, daß er selbst ebensogut die Sangesarbeit eines jener Anderen verrichten könnte. Es herrschte nämlich gestern gerade unter den edelsten Sängern eine Selbstlosigkeit und Gütergemeinschaft, von deren idealer Höhe wir uns jetzt kaum mehr einen Begriff machen können. Hören wir ein Lied Jungfriedels. Erschrecken Sie nicht, daß es zufällig ein trauriges ist: man braucht es nämlich trotzdem
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Zitationshilfe: | Gumppenberg, Hanns von: Deutsche Lyrik von gestern. München, 1891 (= Münchener Flugschriften, Bd. 3), S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gumppenberg_lyrik_1891/8>, abgerufen am 16.07.2024. |