Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792.Von dem Eigenthum und Gebiete der Völker kershoeck und Titius a] bestrittenen Frage an: obnach dem Naturrechte das Eigenthum mit Endigung des Besitzes einer Sache verlohren gehe, und ob daher beide gewissermassen für gleich zu achten, oder ob das Eigenthum auch ohne Besitz fortdauere? Ungeachtet die meisten Rechtslehrer der letztern Meinung beitreten, b] so ist mir die erstere doch einleuchtender. Das Eigenthum besteht in dem ausschließlichen Dies ist auf doppelte Art möglich. Der bisherige Eigen-
Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker kershoeck und Titius a] beſtrittenen Frage an: obnach dem Naturrechte das Eigenthum mit Endigung des Beſitzes einer Sache verlohren gehe, und ob daher beide gewiſſermaſſen fuͤr gleich zu achten, oder ob das Eigenthum auch ohne Beſitz fortdauere? Ungeachtet die meiſten Rechtslehrer der letztern Meinung beitreten, b] ſo iſt mir die erſtere doch einleuchtender. Das Eigenthum beſteht in dem ausſchließlichen Dies iſt auf doppelte Art moͤglich. Der bisherige Eigen-
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Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
kershoeck und Titius a] beſtrittenen Frage an: ob
nach dem Naturrechte das Eigenthum mit Endigung
des Beſitzes einer Sache verlohren gehe, und ob daher
beide gewiſſermaſſen fuͤr gleich zu achten, oder ob das
Eigenthum auch ohne Beſitz fortdauere? Ungeachtet
die meiſten Rechtslehrer der letztern Meinung beitreten, b]
ſo iſt mir die erſtere doch einleuchtender.
Das Eigenthum beſteht in dem ausſchließlichen
Rechte an einer Sache, vermoͤge welchem man dieſelbe
nach Gefallen gebrauchen oder auch einem andern wie-
der uͤberlaſſen kan. Es gehoͤren zu deſſen Erwerbe zwey
weſentliche Erforderniſſe: der Wille der Zueignung und
die wuͤrkliche Beſitzergreifung. So lange beides, der
Wille und der Beſitz fordauern, ſo lange waͤhrt auch
das Eigenthum. Wenn aber eins, und beſonders das
Hauptſaͤchlichſte, der Beſitz fehlt, ſo hoͤrt auch das
Eigenthum auf: der Wille allein vermag nichts. Es
iſt ſonderbar, daß die Gegner dieſer Meinung zum
Verluſt des Eigenthums, ſo wie zu deſſen Erwerbe,
beides, die Aufgebung des Beſitzes und des Willens
fuͤr noͤthig halten, da doch iede Sache der ein weſent-
liches Stuͤck mangelt, aufhoͤrt dieſelbe zu ſeyn. Wie
will man auch etwas, das man nicht im Beſitz hat,
mit Ausſchlus anderer gebrauchen, oder es andern uͤber-
tragen? welches gleichwohl mit dem Begriffe des Ei-
gemhums verbundene Folgen ſind. Das Eigenthum
geht daher, meiner Meinung nach, mit dem Beſitze
verlohren.
Dies iſt auf doppelte Art moͤglich. Der bisherige
Eigenthuͤmer hoͤrt entweder von ſelbſt freywillig auf
zu beſitzen — nicht blos koͤrperlich, ſondern, wie bey
der Beſitzergreifung, durch Aufhebung der Merkmale
und Unterlaſſung der Thathandlungen, welche eine
Sache von den herrnloſen unterſcheiden, — ohne iedoch
den Beſitz einem andern zu uͤbergeben, ſo hat auch das
Eigen-
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