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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792.

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und dem ursprünglichen Erwerbe.
Dritter Abschnitt.
Eigenthum des Zuwachses an Land und Wasser.
§. 31.
Verschiedene Arten des Zuwachses.

Länder, welche am Meere oder andern Gewässern
liegen, sind, durch die Gewalt des Wassers, mancher-
ley zufälligen Veränderungen der Abnahme und Ver-
grösserung unterworfen. Was dem einen entrissen wird,
wächst gemeiniglich dem andern zu. Dieser Zuwachs
[accessio] ist auf verschiedene Art möglich. Wenn
das Wasser nach und nach von einem Lande das Erd-
reich unvermerkt wegnimt, und anderswo ansetzt, so
heißt es Anspielung [alluvio]; ein Anwurf [appul-
sio, coalitio
] hingegen, wenn auf einmal ein beträcht-
liches Stück [crusta] getrennt, und einem andern
Lande zugeführt wird. Zuweilen setzt das abgesonderte
Erdreich sich nicht an ein anderes Land, sondern es häuft
sich im Wasser und macht, wenn es über dasselbe her-
vorragt, eine Insel. Ein abgerissenes Stück Land,
welches sich noch nicht festgesetzt hat, sondern im Was-
ser, besonders auf dem Meere herumschwimmt, wird
eine schwimmende Insel genannt. Die Zueignung
aller dieser Anwüchse rechnet man zu den ursprünglichen
Erwerbungsarten, weil sie von der Natur selbst dem
Hauptlande zugeführt werden.

*] Nic. Got. Lyncker diss. de accessione fluviali. Ien.
1689.
Petr. Haymann diss. de incrementis et accessionibus
fluvialibus Ultraj.
1713.
Iac. van der Lyn diss. de accessione naturali beneficio
fluminis facta, Lugd.
1718.

D 5
und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
Dritter Abſchnitt.
Eigenthum des Zuwachſes an Land und Waſſer.
§. 31.
Verſchiedene Arten des Zuwachſes.

Laͤnder, welche am Meere oder andern Gewaͤſſern
liegen, ſind, durch die Gewalt des Waſſers, mancher-
ley zufaͤlligen Veraͤnderungen der Abnahme und Ver-
groͤſſerung unterworfen. Was dem einen entriſſen wird,
waͤchſt gemeiniglich dem andern zu. Dieſer Zuwachs
[acceſſio] iſt auf verſchiedene Art moͤglich. Wenn
das Waſſer nach und nach von einem Lande das Erd-
reich unvermerkt wegnimt, und anderswo anſetzt, ſo
heißt es Anſpielung [alluvio]; ein Anwurf [appul-
ſio, coalitio
] hingegen, wenn auf einmal ein betraͤcht-
liches Stuͤck [cruſta] getrennt, und einem andern
Lande zugefuͤhrt wird. Zuweilen ſetzt das abgeſonderte
Erdreich ſich nicht an ein anderes Land, ſondern es haͤuft
ſich im Waſſer und macht, wenn es uͤber daſſelbe her-
vorragt, eine Inſel. Ein abgeriſſenes Stuͤck Land,
welches ſich noch nicht feſtgeſetzt hat, ſondern im Waſ-
ſer, beſonders auf dem Meere herumſchwimmt, wird
eine ſchwimmende Inſel genannt. Die Zueignung
aller dieſer Anwuͤchſe rechnet man zu den urſpruͤnglichen
Erwerbungsarten, weil ſie von der Natur ſelbſt dem
Hauptlande zugefuͤhrt werden.

*] Nic. Got. Lyncker diſſ. de acceſſione fluviali. Ien.
1689.
Petr. Haymann diſſ. de incrementis et acceſſionibus
fluvialibus Ultraj.
1713.
Iac. van der Lyn diſſ. de acceſſione naturali beneficio
fluminis facta, Lugd.
1718.

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[57/0071] und dem urſpruͤnglichen Erwerbe. Dritter Abſchnitt. Eigenthum des Zuwachſes an Land und Waſſer. §. 31. Verſchiedene Arten des Zuwachſes. Laͤnder, welche am Meere oder andern Gewaͤſſern liegen, ſind, durch die Gewalt des Waſſers, mancher- ley zufaͤlligen Veraͤnderungen der Abnahme und Ver- groͤſſerung unterworfen. Was dem einen entriſſen wird, waͤchſt gemeiniglich dem andern zu. Dieſer Zuwachs [acceſſio] iſt auf verſchiedene Art moͤglich. Wenn das Waſſer nach und nach von einem Lande das Erd- reich unvermerkt wegnimt, und anderswo anſetzt, ſo heißt es Anſpielung [alluvio]; ein Anwurf [appul- ſio, coalitio] hingegen, wenn auf einmal ein betraͤcht- liches Stuͤck [cruſta] getrennt, und einem andern Lande zugefuͤhrt wird. Zuweilen ſetzt das abgeſonderte Erdreich ſich nicht an ein anderes Land, ſondern es haͤuft ſich im Waſſer und macht, wenn es uͤber daſſelbe her- vorragt, eine Inſel. Ein abgeriſſenes Stuͤck Land, welches ſich noch nicht feſtgeſetzt hat, ſondern im Waſ- ſer, beſonders auf dem Meere herumſchwimmt, wird eine ſchwimmende Inſel genannt. Die Zueignung aller dieſer Anwuͤchſe rechnet man zu den urſpruͤnglichen Erwerbungsarten, weil ſie von der Natur ſelbſt dem Hauptlande zugefuͤhrt werden. *] Nic. Got. Lyncker diſſ. de acceſſione fluviali. Ien. 1689. Petr. Haymann diſſ. de incrementis et acceſſionibus fluvialibus Ultraj. 1713. Iac. van der Lyn diſſ. de acceſſione naturali beneficio fluminis facta, Lugd. 1718. Noae D 5

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/71>, abgerufen am 23.11.2024.