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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792.

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Von d. Rechten der Nazionen gegen einander
gensatz des Reichsoberhaupts als ein eignes Ganze an-
zusehn sind. Aus diesem Gesichtspuncte haben sie auch
selbst von sich verschiedentlich den Ausdruck: Corpus
Germanicum
gebraucht, und es kann ihnen, zumal da
sogar iedem einzelnen Reichsstande das Recht des Krie-
ges, Friedens etc. zukomt, das Befugnis nicht füglich
abgesprochen werden, auch in dieser Eigenschaft, der-
gleichen Rechte gegen auswärtige Nazionen auszuüben,
Gesandte abzuschicken und anzunehmen etc. und selbst
mit dem Kaiser in Gestalt eines besondern Körpers in
Unterhandlungen zu treten. Indes hat der Kaiser die-
sen Ausdruck schon als verfassungswidrig ansehn und
dessen Gebrauch nicht zugeben wollen a]. In Anse-
hung der Naturalisation finden gegen auswärtige Na-
zionen die Grundsätze des algemeinen europäischen
Völkerrechts Statt, unter den Mitständen hingegen
bedarf es derselben eben nicht, da in Teutschland ge-
wönlich überall ohnedies durch blossen Güterbesitz etc.
das Bürgerrecht erworben wird b]. In wie ferne ein
Auswärtiger oder Reichsmitstand, vermöge des Gü-
terbesitzes oder sonst, zugleich das Recht eines Land-
standes in eines andern Territorium geniesse, hängt
von ieder Landesverfassung ab c]. Zu Aufrechthaltung
der reichsständischen Rechte und Freiheiten dürfen
fremde Nazionen sich der teutschen Reichsstände eben
so wenig annehmen, als diese sich des in- und auslän-
dischen Anhangs enthalten und fremde Hülfe nicht an-
rufen sollen d], es müsten denn besondere Verträge
deshalb zu Grunde liegen e]. Dies gilt auch bey Strei-
tigkeiten zwischen einzelnen Landesherrn und ihren Land-
ständen, wo die Mitstände, auf Ersuchen zwar der
Vermittelung sich unterziehn, aber eigenmächtig nichts
unternehmen können, weil dem Reichsoberhaupt der
alleinige Schutz und rechtliche Beistand hierunter ge-
bührt f]. Sie müssen allerseits, zumal die Mitstände

sich

Von d. Rechten der Nazionen gegen einander
genſatz des Reichsoberhaupts als ein eignes Ganze an-
zuſehn ſind. Aus dieſem Geſichtspuncte haben ſie auch
ſelbſt von ſich verſchiedentlich den Ausdruck: Corpus
Germanicum
gebraucht, und es kann ihnen, zumal da
ſogar iedem einzelnen Reichsſtande das Recht des Krie-
ges, Friedens ꝛc. zukomt, das Befugnis nicht fuͤglich
abgeſprochen werden, auch in dieſer Eigenſchaft, der-
gleichen Rechte gegen auswaͤrtige Nazionen auszuuͤben,
Geſandte abzuſchicken und anzunehmen ꝛc. und ſelbſt
mit dem Kaiſer in Geſtalt eines beſondern Koͤrpers in
Unterhandlungen zu treten. Indes hat der Kaiſer die-
ſen Ausdruck ſchon als verfaſſungswidrig anſehn und
deſſen Gebrauch nicht zugeben wollen a]. In Anſe-
hung der Naturaliſation finden gegen auswaͤrtige Na-
zionen die Grundſaͤtze des algemeinen europaͤiſchen
Voͤlkerrechts Statt, unter den Mitſtaͤnden hingegen
bedarf es derſelben eben nicht, da in Teutſchland ge-
woͤnlich uͤberall ohnedies durch bloſſen Guͤterbeſitz ꝛc.
das Buͤrgerrecht erworben wird b]. In wie ferne ein
Auswaͤrtiger oder Reichsmitſtand, vermoͤge des Guͤ-
terbeſitzes oder ſonſt, zugleich das Recht eines Land-
ſtandes in eines andern Territorium genieſſe, haͤngt
von ieder Landesverfaſſung ab c]. Zu Aufrechthaltung
der reichsſtaͤndiſchen Rechte und Freiheiten duͤrfen
fremde Nazionen ſich der teutſchen Reichsſtaͤnde eben
ſo wenig annehmen, als dieſe ſich des in- und auslaͤn-
diſchen Anhangs enthalten und fremde Huͤlfe nicht an-
rufen ſollen d], es muͤſten denn beſondere Vertraͤge
deshalb zu Grunde liegen e]. Dies gilt auch bey Strei-
tigkeiten zwiſchen einzelnen Landesherrn und ihren Land-
ſtaͤnden, wo die Mitſtaͤnde, auf Erſuchen zwar der
Vermittelung ſich unterziehn, aber eigenmaͤchtig nichts
unternehmen koͤnnen, weil dem Reichsoberhaupt der
alleinige Schutz und rechtliche Beiſtand hierunter ge-
buͤhrt f]. Sie muͤſſen allerſeits, zumal die Mitſtaͤnde

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[292/0306] Von d. Rechten der Nazionen gegen einander genſatz des Reichsoberhaupts als ein eignes Ganze an- zuſehn ſind. Aus dieſem Geſichtspuncte haben ſie auch ſelbſt von ſich verſchiedentlich den Ausdruck: Corpus Germanicum gebraucht, und es kann ihnen, zumal da ſogar iedem einzelnen Reichsſtande das Recht des Krie- ges, Friedens ꝛc. zukomt, das Befugnis nicht fuͤglich abgeſprochen werden, auch in dieſer Eigenſchaft, der- gleichen Rechte gegen auswaͤrtige Nazionen auszuuͤben, Geſandte abzuſchicken und anzunehmen ꝛc. und ſelbſt mit dem Kaiſer in Geſtalt eines beſondern Koͤrpers in Unterhandlungen zu treten. Indes hat der Kaiſer die- ſen Ausdruck ſchon als verfaſſungswidrig anſehn und deſſen Gebrauch nicht zugeben wollen a]. In Anſe- hung der Naturaliſation finden gegen auswaͤrtige Na- zionen die Grundſaͤtze des algemeinen europaͤiſchen Voͤlkerrechts Statt, unter den Mitſtaͤnden hingegen bedarf es derſelben eben nicht, da in Teutſchland ge- woͤnlich uͤberall ohnedies durch bloſſen Guͤterbeſitz ꝛc. das Buͤrgerrecht erworben wird b]. In wie ferne ein Auswaͤrtiger oder Reichsmitſtand, vermoͤge des Guͤ- terbeſitzes oder ſonſt, zugleich das Recht eines Land- ſtandes in eines andern Territorium genieſſe, haͤngt von ieder Landesverfaſſung ab c]. Zu Aufrechthaltung der reichsſtaͤndiſchen Rechte und Freiheiten duͤrfen fremde Nazionen ſich der teutſchen Reichsſtaͤnde eben ſo wenig annehmen, als dieſe ſich des in- und auslaͤn- diſchen Anhangs enthalten und fremde Huͤlfe nicht an- rufen ſollen d], es muͤſten denn beſondere Vertraͤge deshalb zu Grunde liegen e]. Dies gilt auch bey Strei- tigkeiten zwiſchen einzelnen Landesherrn und ihren Land- ſtaͤnden, wo die Mitſtaͤnde, auf Erſuchen zwar der Vermittelung ſich unterziehn, aber eigenmaͤchtig nichts unternehmen koͤnnen, weil dem Reichsoberhaupt der alleinige Schutz und rechtliche Beiſtand hierunter ge- buͤhrt f]. Sie muͤſſen allerſeits, zumal die Mitſtaͤnde ſich

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/306>, abgerufen am 21.11.2024.