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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792.

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Von d. Rechten der Nazionen gegen einander
§. 11.
Wie ferne das gesamte Volk für die von
dem Regenten einer andern Nazion zuge-
fügten Beleidigungen zu haften
verbunden
.

Die Meinungen der Völkerrechtslehrer sind über
die Frage; in wie ferne das gesamte Volk die Hand-
lungen seines Regenten zu vertreten und für die einer
andern Nazion von ihm zugefügten Beleidigungen zu
haften verbunden? nicht einstimmig. Es kommt hier
allerdings auf deren Einwilligung an. Einige erstrecken
daher die Verbindlichkeit des Volks auf alle Handlun-
gen der Regierung, weil es seinen Willen, bey Errich-
tung des Staatsvereins, überhaupt dem Willen der
Regierung unterworfen hätte a]. Andere verlangen
eine iedesmalige besondere Beistimmung des Volks,
die entweder stilschweigend durch Unterstützung ihrer
Unternehmungen mit Geld, Manschaft etc. oder aus-
drücklich bey den darüber vorher angestelten Berath-
schlagungen ertheilt werden könte b]. Noch andere
nehmen auf die verschiedenen Handlungen des Regen-
ten Rücksicht, ob sie nämlich aus den Quellen der
Oberherschaft oder aus einem tyrannischen Eigenwillen
fliessen, und wollen zwar im erstern Falle dem Volke
eine algemeine Verbindlichkeit, im zweiten aber nur in
so weit auferlegen, als es sich der einen oder andern
theilhaftig gemacht hat c]. Da aber der Regent, ver-
möge der Staatsverbindung zu allem berechtigt ist,
was er dem algemeinen Besten für zuträglich hält,
und, wenn die Verfassung es nicht erfodert, nicht alle-
mal einer besondern Einwilligung des Volks bedarf,
diesem auch an sich kein Recht zusteht über iede Hand-
lung der Regierung die sie vermöge iener Verbindung

unter-
Von d. Rechten der Nazionen gegen einander
§. 11.
Wie ferne das geſamte Volk fuͤr die von
dem Regenten einer andern Nazion zuge-
fuͤgten Beleidigungen zu haften
verbunden
.

Die Meinungen der Voͤlkerrechtslehrer ſind uͤber
die Frage; in wie ferne das geſamte Volk die Hand-
lungen ſeines Regenten zu vertreten und fuͤr die einer
andern Nazion von ihm zugefuͤgten Beleidigungen zu
haften verbunden? nicht einſtimmig. Es kommt hier
allerdings auf deren Einwilligung an. Einige erſtrecken
daher die Verbindlichkeit des Volks auf alle Handlun-
gen der Regierung, weil es ſeinen Willen, bey Errich-
tung des Staatsvereins, uͤberhaupt dem Willen der
Regierung unterworfen haͤtte a]. Andere verlangen
eine iedesmalige beſondere Beiſtimmung des Volks,
die entweder ſtilſchweigend durch Unterſtuͤtzung ihrer
Unternehmungen mit Geld, Manſchaft ꝛc. oder aus-
druͤcklich bey den daruͤber vorher angeſtelten Berath-
ſchlagungen ertheilt werden koͤnte b]. Noch andere
nehmen auf die verſchiedenen Handlungen des Regen-
ten Ruͤckſicht, ob ſie naͤmlich aus den Quellen der
Oberherſchaft oder aus einem tyranniſchen Eigenwillen
flieſſen, und wollen zwar im erſtern Falle dem Volke
eine algemeine Verbindlichkeit, im zweiten aber nur in
ſo weit auferlegen, als es ſich der einen oder andern
theilhaftig gemacht hat c]. Da aber der Regent, ver-
moͤge der Staatsverbindung zu allem berechtigt iſt,
was er dem algemeinen Beſten fuͤr zutraͤglich haͤlt,
und, wenn die Verfaſſung es nicht erfodert, nicht alle-
mal einer beſondern Einwilligung des Volks bedarf,
dieſem auch an ſich kein Recht zuſteht uͤber iede Hand-
lung der Regierung die ſie vermoͤge iener Verbindung

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[290/0304] Von d. Rechten der Nazionen gegen einander §. 11. Wie ferne das geſamte Volk fuͤr die von dem Regenten einer andern Nazion zuge- fuͤgten Beleidigungen zu haften verbunden. Die Meinungen der Voͤlkerrechtslehrer ſind uͤber die Frage; in wie ferne das geſamte Volk die Hand- lungen ſeines Regenten zu vertreten und fuͤr die einer andern Nazion von ihm zugefuͤgten Beleidigungen zu haften verbunden? nicht einſtimmig. Es kommt hier allerdings auf deren Einwilligung an. Einige erſtrecken daher die Verbindlichkeit des Volks auf alle Handlun- gen der Regierung, weil es ſeinen Willen, bey Errich- tung des Staatsvereins, uͤberhaupt dem Willen der Regierung unterworfen haͤtte a]. Andere verlangen eine iedesmalige beſondere Beiſtimmung des Volks, die entweder ſtilſchweigend durch Unterſtuͤtzung ihrer Unternehmungen mit Geld, Manſchaft ꝛc. oder aus- druͤcklich bey den daruͤber vorher angeſtelten Berath- ſchlagungen ertheilt werden koͤnte b]. Noch andere nehmen auf die verſchiedenen Handlungen des Regen- ten Ruͤckſicht, ob ſie naͤmlich aus den Quellen der Oberherſchaft oder aus einem tyranniſchen Eigenwillen flieſſen, und wollen zwar im erſtern Falle dem Volke eine algemeine Verbindlichkeit, im zweiten aber nur in ſo weit auferlegen, als es ſich der einen oder andern theilhaftig gemacht hat c]. Da aber der Regent, ver- moͤge der Staatsverbindung zu allem berechtigt iſt, was er dem algemeinen Beſten fuͤr zutraͤglich haͤlt, und, wenn die Verfaſſung es nicht erfodert, nicht alle- mal einer beſondern Einwilligung des Volks bedarf, dieſem auch an ſich kein Recht zuſteht uͤber iede Hand- lung der Regierung die ſie vermoͤge iener Verbindung unter-

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/304>, abgerufen am 23.11.2024.